1200er Harley-Davidson Flathead-Motoren in Choppern sind so selten wie weiße Raben. Die Jungs von Breathin’ Cycles im südfranzösischen Martigues hingegen sehen das ganz anders. Dort kommen ausschließlich alte, originale Harley-Motoren zum Einsatz.
In den letzten zehn Jahren haben sich die Geschmäcker der Biker-Szene mehr und mehr in Richtung „besonders“ gewandelt. Auf der Suche nach dem heiligen Gral der Umbauszene geht der Trend immer mehr zu Bikes mit sehr alten Antrieben. Mit einem Ironhead-Motor im Fahrwerk lockt man in der Hardcore-Szene schon lange niemanden mehr hinterm Ofen hervor, heutzutage muss man sich schon deutlich weiter zurück in die Harley-Geschichte begeben. Flathead rules!
Flatheads stehen nicht an jeder Ecke herum
Vor ungefähr 15 Jahren war man noch wer, wenn man einen Motor der Vor-Evolution-Zeit fuhr. Dann allerdings brachte die Firma S&S nach und nach nagelneue eineiige Zwillinge, zunächst der Shovelheads, heraus. Es folgten perfekt gemachte Klone des Panhead- und des Knucklehead-Aggregats. Ab da war es für jedermann möglich, cooles altes Zeug zu fahren, auch, wenn es in Wirklichkeit nagelneu war.
Die echten Motor-Archäologen waren also gezwungen, sich weiter in der älteren Geschichte der Company zu orientieren. Flathead heißt das Zauberwort. Aber die stehen nicht mehr an jeder Ecke herum. An die kleinen 750er kommt man zwar noch relativ problemlos heran, weil sie zehntausendfach in den Militär-WL verbaut waren. Aber die großen Seitenventiler der V- und U-Typenbaureihe sind zumindest in Europa recht selten.
Harley-Davidson Flathead – Dragoo war total geflasht und kaufte das Teil
Da trifft es sich dann prächtig, wenn einem der Zufall zu Hilfe kommt. So geschehen dem Franzosen Mica, besser bekannt unter seinem Spitznamen Dragoo. Der bummelte vor drei Jahren mit einem gemieteten Van in Nordkalifornien an der Grenze zu Oregon entlang, und weil er es nicht sonderlich eilig hatte, nach Los Angeles zu kommen, dem letzten Ziel seiner Reise, blieb er auf kleinen Landsträßchen.
Eine Shovelhead war bereits an der Rückseite seines Vans festgezurrt, als er an eine Tankstelle fuhr. Der Tankwart stellte sich als Biker heraus, der wiederum einen Freund hatte, der eine alte Harley verkaufen wollte. Dragoo, damals noch Privatier, zögerte keinen Moment lang und machte sich auf den Weg zum Verkäufer. Wie sich herausstellte, bot der ein seltenes Schätzchen feil, denn bei der alten Harley handelte es sich um ein Modell „U“ aus dem Baujahr 1940. Lediglich 260 Exemplare sind in diesem Jahr gebaut worden. Dragoo war total geflasht und kaufte das Teil.
Die Harley stellte sich als einigermaßen Original heraus
Das Flathead-Projekt begann in Dragoos Keller in Paris, den er als Werkstatt nutzte, und wurde vollendet in Südfrankreich. Genauer gesagt in Martigues, wo Dragoo die Customschmiede Breathin’ Cycles gründete, um künftig seine Leidenschaft zu leben und auch seinen Unterhalt damit zu verdienen.
Das in Kalifornien erworbene Modell U stellte sich als weitgehend original heraus, lediglich ein paar Anpassungen waren nötig, um es technisch fit zu machen. Nachdem die Zündung akribisch eingestellt und ein originaler Linkert-Vergaser samt Luftfilter verbaut war, lief der Seitenventiler wie ein Uhrwerk.
Harley-Davidson Flathead – Die Fußkupplung und der Jockey-Shift blieben erhalten
Beim Umbau auf vorn 21- und hinten 16-Zoll-Räder wurden auch die Bremsen gegen besser wirkende ausgetauscht. Die Fußkupplung und der Jockey-Shift blieben erhalten. Den choppertypisch hohen Lenker- erzeugte Dragoo, indem er ellenlange Dogbones mit einem Buckhorn-Lenker kombinierte. Der schmale Sitz ist dick gepolstert, um der Steißbein mordenden Härte des Starrrahmens etwas entgegenzusetzen. Upswept Dragpipes und eine aus Flachstahl gebogene Sissybar machen aus dem ehemaligen Big Twin einen hübschen stimmigen Chopper.
Zunächst wollte Dragoo das Bike auf keinen Fall verkaufen. Doch letztlich bot ihm irgend jemand eine Summe dafür an, die er unmöglich ablehnen konnte. Und immerhin versetzt diese Kohle ihn in die Lage, über den großen Teich zu fliegen, um andere alte Schätzchen aufzuspüren. Denn merke: Für echte Maniacs ist die Suche nie vorbei. Never ever!