Es ging darum, der Indian Chief Dark Horse eine filigrane Linie zu verpassen. Bei einem Trumm von 116 Kubikinch keine leichte Aufgabe. Ugh!

Es erscheint fast wie ein nachträgliches Geschenk zum 120. Jubiläum der Harley-Davidson Motor Company. Und deshalb wär ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Die Tanklackierung dieser Indian ist eine beabsichtigte Anspielung auf die AMF-Lackierungen der Harleys aus den Siebziger Jahren. Was schön ist, das ist eben zeitlos. Und wenn eine Indian von heute unter diesen Linien fährt, ist es doch wenigstens eine Verneigung vor der Stil-Ikone einer Zeit, in der es eben keine Indians gab.

Es sollte ein idealtypisches Motorrad entstehen. Ein filigranes, soweit man das mit einem dicken Häuptling hinbekommt

Sebastian Neumann von Indian Motorcycle Munich sieht es versöhnlich. Er schraubte lang genug auch unter den Fahnen von Harley, baute in München vor vielen Jahren die Jever-Showbikes auf und kann deshalb auf beiden Seiten mitreden. Von dieser frisch gefertigten „Radical Chief“ darf er guten Gewissens sagen: „Das ist nicht mein erstes Custombike, aber mein schönstes!“

Indian Chief Dark Horse – Filigran und clean

Es ging ihm darum, ein idealtypisches Motorrad zu bauen. Eines, das filigran ist, soweit man das von einem dicken Indian-Häuptling sagen kann. Clean sollte es sein, das ist schon leichter und überhaupt das tägliche Brot eines Customizer. Und natürlich sollte es an die Siebziger Jahre erinnern.

Schon ein Stück weit kurios: Die Tanklackierung dieser Indian Chief zitiert wahrhaftig 1:1 Harleys AMF-Lackierungen aus den Siebziger Jahren

Nun, letzteres war mit der Lackierung schon mal erledigt. Clean? Kriegt man als Customizer auch hin. Da hilft schon mal ein mitschwingender Heckfender, der die Linie nach hinten sauber zum Abschluss bringt. Aber filigran? Bei dieser Wuchtbrumme mit knapp zwei Litern Hubraum? Die Lösung lag in einem neuen Tank. Es ist immer der Tank, der die Linie eines Motorrades maßgeblich prägt. Früher hätte man einfach den Benzinschlauch gelöst und einen filigranen Tank draufgeschraubt.

Vom Cole-Foster-Tank blieb nur die äußere Hülle übrig

Seit aber die Brennräume der Motoren von Einspritzanlagen befüttert werden, ist das nicht mehr so einfach, denn in den Tanks stecken elektrische Benzinpumpen, Benzinfilter und die Schwimmer der Benzinstandanzeige, alle exakt auf das jeweilige Modell konfiguriert. Manchmal aber sitzen diese Komponenten auf einer gemeinsamen Grundplatte. Dann eröffnet sich wenigstens die Lösung, diese Grundplatte herauszuschrauben und ein neues Tankgehäuse drumherum zu formen. So weit die Theorie.

Da haben Customizer keine Wahl: Der Tacho blieb erhalten und wurde nur in ein anderes Gehäuse gesteckt

Sebastian bediente sich der Grundplatte – Ironie des Customizings – einer Sportster von Harley-Davidson und besorgte sich einen Tank von Cole Foster, der Rest war Handwerk. „Handwerk“, das heißt: Vom Cole-Foster-Tank blieb nur die äußere Hülle übrig, denn nicht nur der Boden für die Grundplatte, sondern auch der ganze Tunnel musste neu gefertigt werden rund um den Oberzug eines Rahmens, der mittendrin einen Knick hat und sich nach vorne verdickt. Dann einen Pop-Up-Deckel drüber, und fertig war das mit der Linie.

Das Fassungsvermögen des Tanks nahezu halbiert

Die höchste Kunst bestand dann aber noch darin, die Benzinstandsanzeige der Harley auf die Software der Indian anzupassen. Tatsächlich hat die Chief ihren serienmäßigen Tacho behalten. Und dem darf man auch in Sachen Benzinstand trauen, die Anpassung gelang. An diesem Punkt brachte er es jedenfalls bis zur CUSTOMBIKE-Show in Bad Salzuflen, auf der er seine „Radical Chief“ zum ersten Mal präsentierte. Er fuhr mit der Hausaufgabe zurück, auch noch die Restreichweitenanzeige stimmig zu kriegen.

Die Rücklicht-Blinker-Kombi ist Kellermann Atto 3-in-1

Der serienmäßige Tank der Indian Chief Dark Horse hat nämlich ein Fassungsvermögen von 15,1 Litern, der Cole-Foster-Tank, er sollte ja filigraner sein, fasst dagegen nur 8,7 Liter. Abzuziehen wäre noch ein Schluck für die Benzinpumpe und ein weiterer für die Neuformung des Tunnels, dann könnte man sich theoretisch damit behelfen, die angezeigte Restreichweite im Kopf zu halbieren. Ob’s stimmt? Und ob es sich lösen lässt? Und ob man so eine Restreichweitenanzeige überhaupt braucht?

Verneigung vor dem Siebzigerjahre-Design von Harley-Davidson

Früher schafften wir es doch auch, ohne diese Anzeige anzukommen. An unseren Peanut-Tanks hatten wir mitunter nicht mal einen Reservehebel am Benzinhahn. Das also sind die Themen, über die Biker sich heutzutage den Kopf zerbrechen können. Das meiste hat Indian München für sie ja schon erledigt. Inklusive der Verneigung vor dem Siebzigerjahre-Design von Harley-Davidson. Ein richtiger Indianer hätte sich da längst nicht mehr den Kopf zerbrochen, sondern erstmal eine Friedenspfeife angezündet.

Info | indianmuenchen.com