Eine Harley-Davidson WLA wird eher restauriert, selten customized. In Buxtehude wurde ein Exemplar aus dem Kriegsjahr 1942 zu einem Bilderbuch-Bobber umgebaut.
Wer Harley-Davidsons 750er Seitenventiler sehen will, hat jedes Jahr etliche Gelegenheiten dazu. Auf den Re-Enactment-Veranstaltungen etwa in der Normandie, den Ardennen oder bei den Rhein-Überquerungen sind die Maschinen in ganzen Rudeln zu bestaunen. Im „Militär-Dress“ mit oder ohne zeitgenössischer Zusatzausrüstung sind die „Liberators“ gern gesehene Gäste auch bei Harley-Events. Doch viele der damaligen WLAs (das A steht für Army) sind im Laufe der 75 Jahre nach Kriegsende „zivilisiert“ worden – und auch heute immer öfter eine begehrte Basis für Bobber-Umbauten.
Harley-Davidson WLA … A für Army
Es ist wirklich schade, dass Motorräder nicht sprechen können, denn die hier betrachtete „42WLA12325“ hätte sicher einiges zu berichten. Unter der US-Army-Bestellung W-398-QM-10530 verließ die Maschine mit 6650 typgleichen Exemplaren zwischen dem 10. Dezember 1941 und dem 15. Februar 1942 das Harley-Werk in Milwaukee, um in den Krieg zu ziehen, der damals für Amerika ja gerade erst begonnen hatte. Was unser Exemplar in der Zwischenzeit so alles erlebt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber wir wissen, was aus ihr geworden ist, denn Besitzer Stephan Schöning aus Buxtehude baute die Maschine komplett neu auf – und erhält damit ein Stück Harley-Geschichte. Hier ist seine Story …
Hoch im Norden sind die Abende und Nächte im Winter bekanntlich ein bisschen länger. Offenbar Grund genug für viele Männer, in dieser tristen, weil motorradlosen Zeit besonders viel Zeit auf ihr Hobby zu verwenden. So war das auch bei Stephan, der sich entschlossen hatte, eine Harley-Davidson WLA nicht nur von Grund auf zu restaurieren, sondern dies in der eigenen Werkstatt durchzuziehen! „Meine kleine Schrauberstätte befindet sich im Keller unseres Hauses und es war schon immer ein Traum von mir, eine eigene Harley zu fahren“, erklärt Stephan.
Harley-Davidson WLA – Komplettrestauration oder Neuinterpretation?
„Die alten Harley-Modelle faszinieren mich besonders: Nach diversen kleineren Umbauten an Harleys und anderen Fabrikaten habe ich mich an die Komplettrestauration der Flathead gewagt.“ Nun ja, eigentlich ist es eher eine Neuinterpretation, denn was in den ersten drei Kriegsmonaten 1941/42 von den Harley-Fließbändern rollte, ging sofort an die Army.
Mit einiger Mühe war ein gutes Basisbike gefunden und komplett demontiert: Der Rahmen wurde sandgestrahlt und anschließend pulverbeschichtet: „Um die Aufarbeitung diverser Teile möglichst einfach zu gestalten und um nicht andauernd auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, wurden diverse Hilfsmittel benötigt“, erinnert sich Stephan, „also habe ich eine kleine Sandstrahlkabine angeschafft – und das anschließende Pulverbeschichten ebenfalls in Eigenregie mit Pulverpistole und modifiziertem Backofen durchgezogen.“
Das Handwerk wurde während der Restaurierung gelernt
Zur Herstellung diverser Teile musste eine kleine Drehbank her. Originale Harley-Teile wurden aufgearbeitet und größtenteils brüniert. „Da die vorhandenen Felgen nicht mehr zu retten waren, musste ich neue Felgen einspeichen; wofür ich Edelstahlspeichen benutzt habe“, erläutert Stephan, der sich die meisten handwerklichen Fähigkeiten während der Restaurierung selbst beibrachte.
Aber nicht alle: „Eine Fachwerkstatt hat dem Motor neue Kolben verpasst, die Köpfe geplant und Zylinder gehont.“ An WLA-Teilen – original und in neuer Fabrikationsqualität – herrscht auch 75 Jahre nach Ende des Krieges eigentlich kein Mangel, doch natürlich haben die ihren Preis. Stephan erinnert sich: „Nach und nach wurden die Teile wieder montiert und beim Zusammenbau ergaben sich diverse Schwierigkeiten: Teile bedurften spezieller Anpassung, oft gab es keine Teile im gewünschten Stil auf dem Zubehörmarkt, diese habe ich dann selbst hergestellt. Oft vergingen Tage und Wochen, bis ich mit einzelnen Lösungen zufrieden war.“
Harley-Davidson WLA mit Fußkupplung und Jockey-Shift
Als besonders aufwendig stellte sich die Restaurierung von Benzin- und Öltank dar, hier mussten Lack, diverse Lagen Spachtelmasse und Grundierung mit Heißluftfön und grober Spachtel entfernt werden. Nach der Versiegelung wurden die Tankhälften und das Ölreservoir in einer Fachwerkstatt lackiert. Der Sattel kam von Jimi von „Spirit Leather“, die maßgeschneiderte Sattelaufnahme entstand in Eigenbau. Stephan akquirierte in den USA einen restaurierten Fairbanks-Morse-Magneto. Dieser sorgte bereits nach grober Justierung für einen gesunden Zündfunken, sodass der Motor nach der Restaurierung bereits nach dem zweiten Kick ansprang.
An Stelle des Serienvergasers wird das Aggregat durch einen modernen Mikuni-Vergaser beatmet, somit konnte ein konventioneller Gaszug mit Handarmaturen von Kustom Tech verwendet werden, passend zum Bobber-Charakter. Vom ersten Starten des Motors bis zur ersten Probefahrt vergingen noch ein paar Wochen: Die besagte erste Fahrt war sehr ernüchternd, Fußkupplung und Jockeyshifter bedürfen einer gewissen Übung, was jeder, der einen handgeschalteten Klassiker fährt, kennt.
Verkabelung mit zeitgenössischen stoffummantelten Solo-Adern
Die Elektrik der „gebobbten“ WLA ist eine Kombination von Alt und Neu: Der 12-Volt-Generator mit Laderegler und Lifepo-Akku versorgt die Lichtanlage mit ausreichend Strom. „Die Beleuchtung stammt aus dem Zubehörhandel, wurde aber von mir angepasst und überarbeitet“, berichtet Stephan, „der seitliche Kennzeichenhalter wurde ebenso angefertigt wie das Batteriegehäuse. Die Verkabelung erledigte ich mit zeitgenössischen stoffummantelten Solo-Adern, die bewusst sichtbar am Rahmen verlegt wurden.“ Das lässt die Maschine noch authentischer erscheinen.
Wer schon mal eine WLA gefahren ist, kennt die „Performance“ der Serientrommeln, die ihre Ursprünge aus den 30er Jahren nicht verleugnen können: „Um die bestmögliche Bremsleistung aus ihnen zu holen, habe ich neue Bremsbeläge aufbringen lassen“, bestätigt Stephan. Moderne Materialien lösen zumindest einen Teil dieses Problems. Stephan „bobbte“ die WLA eher dezent: Weglassen statt dranschrauben war angesagt – der Lowbrow-Fender hinten ist klassisch geformt, aber sichtbar aus heutiger Zeit. Nachkriegs-Customizer in Kalifornien waren weniger Designer denn Praktiker: Die nahmen einfach den klappbaren Teil des hinteren Serienschutzblechs ab – fertig war die „gebobbte“ WLA oder Knuckle …
Harley-Davidson WLA – straßenfertig bebobbt
Zeitgenössisch ist der Würfel an der Tachoeinstellung und der Handschifter mit Billardkugel. Über den (allerdings modern „interpretierten“) Morgan-Silberdollar auf der Lenkkopfmutter könnte man eine eigene Geschichte schreiben. Bevor es in den harten Straßenalltag ging, ließ Stephan sein Werk prüfen. „Eine auf Harley spezialisierte Fachwerkstatt hat das Bike durch den TÜV gebracht“, erzählt er uns, „die ersten Touren im Straßenverkehr waren aufregend und haben großen Spaß gemacht. Mein Projekt entstand größtenteils aus „learning by doing“… und ich habe eine Menge dabei gelernt!“
Die komplette Restaurierung hat etwa dreizehn Monate in Anspruch genommen und war ein fantastischer Ausgleich zu seiner hauptberuflichen Bürotätigkeit. Und schöne Straßen für die WLA hat Stephan vor seiner Haustür, denn zwischen Harburg und Stade liegt das „Alte Land“, in dem es sich vor allem während der Apfelbaumblüte stilecht mit einem Harley-Oldtimer „cruisen“ lässt. Reetgedeckte Fachwerkhäuser in immer wechselnden Ziegelstein-Mustern bieten dazu vielfältige Fotomotive! Und von kleinen Gasthäusern am Elbdeich kann man zuschauen, wie jede Menge Wasser die Elbe hinabfließt …
Fantastischer Aufbau. Hut ab.!