Mattschwarz und ziemlich düster steht die Victory Hard-Ball da. Nachdem die 2017 eingestellte Marke lange Zeit nur brave Motorräder vorgestellt hatte, sollte die Hard-Ball den bösen Buben spielen.

Gebrauchtkäufer müssen vermutlich länger suchen, um eine Hard-Ball zu finden. Auf den gängigen Internet-Portalen wird aktuell jedenfalls keine angeboten. Dafür aber das technisch nahezu identische Schwestermodell „Cross Roads“. Rahmen, Rolling Chassis, Reifengrößen, 1.731 ccm-Motor – alles mit Ausnahme der Ausführung der Räder ist gleich.

Victory Hard-Ball mit Alu-Druckgussrädern

Anders als die Cross Roads steht die Hard-Ball nicht auf Alu-Druckgussrädern, sondern auf filigranen Drahtspeichenrädern mit glänzend schwarz lackierten Felgen. Die optischen Highlights der Schöpfung aus Minnesota sind zweifellos die mattschwarze Lackierung mit den roten Pinstripes und der eckig ausgeführte Apehanger. Ein attraktives Motorrad, aber wie lässt es sich fahren? Kaum in Bewegung, spürt der Fahrer nichts mehr von den 345 kg Trockengewicht.

Der Tacho ist gut ablesbar, die digitalen Anzeigefelder dürften aber größer sein

Die Hard-Ball fährt sich geschmeidig, ist dank ihrer gelungenen Fahrwerksgeometrie erstaunlich wendig und bietet überraschend viel Schräglagenfreiheit. Die serienmäßigen Bremsen kommen von Nissin. Sie sind nicht sonderlich bissig ausgelegt, haben den fahrfertig zirka 380 Kilo schweren Brocken aber stets souverän im Griff. Das serienmäßige ABS regelt am Heck schon relativ früh, dafür am Vorderrad überraschend spät. Das Aufstellmoment beim Bremsen ist mit der Dunlop Elite 3-Bereifung zu vernachlässigen.

Beim 50°-V-Twin hat Victory alles richtig gemacht

Der Motor der Hard-Ball ist kräftig und durchdacht konzipiert. Das Drehmoment liegt bei 1500 U/min schon um die 105 Nm und bringt damit ordentlich Druck von unten heraus. 134 Nm und 84 PS an der Kupplung zeugen davon, dass der 1.731-ccm-Motor schon serienmäßig gut im Saft steht. Beim 50°-V-Twin haben die Amerikaner also alles richtig gemacht.

Es ist fraglich, ob die im Bugspoiler und damit voll im Spritzwasser des Vorderrads positionierte Batterie mit fast komplett offenliegenden Polen sich nicht zur Störquelle entwickelt

Das Getriebe lässt sich zwar sauber schalten, nervt aber durch laute Einlegeschläge beim Gangwechsel. Leider wird das Schaltgeräusch nicht von einem guten Auspuffsound überlagert, der Klang der serienmäßigen Auspuffanlage ist ebenso gesetzeskonform wie arm. Dafür kann Victory aber nichts, die eigentlichen Soundkiller sitzen an Schreibtischen in Brüssel.

Victory Hard-Ball – 80 Liter Stauraum in den Koffern

Die beiden Koffer der Hard-Ball sind ordentlich stabil und bieten mit 80 Litern eine ganze Menge Stauraum. Die Sitzbank ist sowohl für Fahrer als auch für die Sozia außerordentlich bequem; fast ist man versucht, einen Vergleich mit der Wohnzimmercouch zu machen. Durch den recht hohen Apehanger ist der Oberkörper des Fahrers allerdings stark dem Fahrtwind ausgesetzt. Hier gilt das Motto eines Lutschpastillen-Herstellers: „Ist der Fahrtwind zu stark, bist Du zu schwach.“

Bereits knapp über Standgas stellt der „Freedom“-Motor tierisch viel Drehmoment zur Verfügung. Die von uns gemessene Leistung liegt auf dem Niveau der Werksangabe

Die Armaturen sind gut platziert, der serienmäßige Tempomat erleichtert längere Reiseabschnitte. Der analoge Tacho ist gut ablesbar, die digitale Anzeige dürfte allerdings ruhig etwas größer ausfallen. Etwas ernüchternd ist die teilweise lieblose Detailarbeit. Bei einem Motorrad für fast 20.000 Euro sollte es möglich sein, den ganzen Kabelsalat innerhalb des Lenkers oder ganz nah am Lenker zu verlegen.

Fazit

Die Optik und die erzwungene Ergonomie durch den recht hohen Apehanger ist zwar ganz eindeutig Geschmacksache, jedoch sind Motor, Fahrwerk und Bremsen gewohnt gut, der Stauraum für Motorradverhältnis­se riesig und der Fahrkomfort beachtlich. So gesehen ist die Hard-Ball ein durchaus gelungenes Motorrad, das auch durch seine Zuverlässigkeit überzeugt. Für eine zehn Jahre alte Maschine mit etwa 25000 Kilometern auf der Uhr sind um die 10.000 Euro zu berappen. Wenn man denn eine findet …