Es war ein Auftrag, wie ihn jeder Customizer liebt. Der Kunde lieferte lediglich den Shovelhead von S&S und einen Fahrzeugbrief von 1952. Ein Starrrahmen sollte es sein, alles andere lag in Waldemars Händen.

Bereits mit vier Jahren wusste Klein-Waldemar, was er später mal machen wollte: An Bikes schrauben! Allerdings gab es, als er alt genug für eine Lehre war, noch keine spezielle Ausbildung zum Zweiradmechaniker im Sinne von Motorradmechanik. Damals hat man an Fahrrädern und Nähmaschinen gelernt. Doch auf so was hatte Waldemar keinen Bock. Also lernte er Kraftfahrzeugmechaniker.

Benzingeruch bis in den vierten Stock

Zeitgleich, so mit sechzehn Jahren, fing er an, im Keller des fünfstöckigen Mietshauses, in dem er mit seinen Eltern wohnte, an seinem Mofa rumzuwerkeln. „Der Geruch von Benzin und Zweitaktöl war bis zu unserer Wohnung im vierten Stock noch wahrnehmbar, zumindest wussten meine Eltern so immer, wo ich war und was ich machte“, erinnert er sich. Mit achtzehn hat er sich dann eine Einzelgarage angemietet und diese mit Werkzeug und einer kleinen Werkbank ausgestattet.

Sicherheitshalber wird vorn ganz modern mit einer Scheibenbremse verzögert

Das war sein Schrauberrefugium, und wenn er Feierabend hatte im Autohaus, ging es nicht etwa nach Hause, sondern schnurstracks in seine Garage. Nicht selten hat er sogar das Abendessen vergessen und oft hat ihn einer seiner Eltern spätabends schimpfend aus der Garage geholt. Kfz-Mechanikergeselle wurde er mit neunzehn, vier Jahre später hatte er seinen Meisterbrief in der Tasche. Privat schraubte er zu dieser Zeit an Enduros und Moto Crossern, das war damals sein Ding.

Harleys? Fehlanzeige!

1999 stand bei ihm in der Nähe in anzumietenden Räumlichkeiten eine kleine Motorradwerkstatt zum Verkauf, insgesamt hundert Quadratmeter. „Ohne einen Cent zu besitzen, bin ich zur Bank, habe einen Kredit aufgenommen, meinen Job als Werkstattmeister gekündigt und mich selbständig gemacht.“ Respekt! Endlich war Waldemar angekommen, obwohl, noch nicht ganz …

Eine feste Bank im Bobber-Bau: Firestone 5.00 x 16 mit Vier- Lagen-Technologie

In seiner Werkstatt wurde damals alles repariert, umgebaut und verkauft, was einen Motor und zwei Räder hatte. Immer wieder bekam er Anfragen, ob er auch Harleys repariere, aber da er kein Zoll-Werkzeug besaß und kaum Ahnung hatte von den Bikes aus Milwaukee, winkte er höflich ab. Customizing war für ihn okay, aber eben an Japan-Racern, die er zu Streetfightern umbaute, Enduros, die er in Super Motos verwandelte oder auch Kawasaki- oder Suzuki-Chopper, denen er Apehanger und Breitreifen verpasste.

Infiziert nach der ersten Probefahrt

Im Jahr 2004, mittlerweile war Waldemar mit seiner Werkstatt in eine größere Räumlichkeit gezogen, passierte es dann: Er kam mit einer Softail Night Train in Kontakt. Nachdem er deren Vorderrad neu bezogen und ausgewuchtet hatte, machte er pflichtgemäß eine Probefahrt … flash … das war’s! Waldemar war infiziert. „Noch am selben Tag habe ich mein erstes Zoll-Werkzeug geordert. Ab sofort wurden Harleys angenommen, ich las viel, probierte und bezahlte auch reichlich Lehrgeld.“

Das Heck ist optimal aufgeräumt, den Heckfender fertigte Waldemar selbst.

Die Begeisterung für die Milwaukee-Eisen ließ ihn aber nicht mehr los. Die Sendung „American Choppers“ auf DMAX tat ihr Übriges. Waldemar wollte fortan nur noch Harleys machen. Und weil sein Laden in Pforzheim ist, nannte er ihn wortspielerisch „Goldtown Cycles“, Pforzheim ist ja die Stadt der Schmuckindustrie. Mittlerweile besteht sein Kundenstamm zu neunzig Prozent aus Harley-Fahrern, deren Bikes er wartet, repariert oder umbaut.

Wishbone-Bobber mit Shovelhead von S&S

Er macht auch Komplettaufbauten, so wie den hier gezeigten Bobber. Der war ein Kundenauftrag der Art, wie ihn jeder Customizer liebt. Der Kunde lieferte lediglich den Shovel-Style-Motor von S&S und einen Fahrzeugbrief von 1952. Ein Starrrahmen sollte es sein, alles andere lag in Waldemars Händen. Der besorgte beim holländischen Spezialisten VG einen Wishbone-Starrrahmen und stellte das Bike mittels einer W&W-Springer-Replika und knuffigen 16-Zoll-Speichenrädern auf dicke Ballonreifen.

Dank des Fahrzeugbriefs von 1952 darf auf Blinker getrost verzichtet werden

Bei W&W gab es auch einen entsprechend oldschooligen Tank und einen optisch perfekt passenden Solositz. Den Lenker und den Heckfender schnitzte Waldemar selbst. Firlefanz wie etwa Blinker braucht ein Bike aus dem Jahr 1952 nicht, gleichwohl blieb der Pforzheimer, was den Fahrbetrieb angeht, auf der sicheren Seite, indem er eine Scheibenbremse am Vorderrad installierte.

Shovelhead von S&S mit 1500 Kubik

Die Auspuffanlage ist ein Symbiose aus den 2-in-1-Krümmern von Paughco und einem Fishtail-Endtopf von Highway Hawk. Apropos Hawk. Black Hawk, also schwarzer Falke, hat Waldemar das Bike genannt, was mit Sicherheit eine Anspielung auf die Tatsache ist, dass es sich bei dem oldschoolig aussehenden Triebwerk um ein modernes, über 1500 Kubikzentimeter großes Aggregat mit extra hoher Verdichtung handelt. Also besser mal genauer hinschauen, falls Besitzer Marcus im nächsten Frühjahr plötzlich an der Ampel neben einem steht. Es könnte eine Überraschung geben.

Info | facebook.com/goldtowncycles