Schnapsideen sind gar nicht so verkehrt, erst recht wenn Jacky, Bier und Lagerfeuerstimmung im Spiel sind. Dann kommen auch mal so ungewöhnliche Bikes dabei heraus, wie diese sportliche Harley-Davidson Super Glide mit Springergabel.

Würde man ein Klischee bemühen, würde das in etwa so lauten: »Die besten Geschichten schreibt das Leben«, oder so ähnlich. Tatsächlich entstand die Idee aus einer Bierlaune heraus, wie das manchmal so ist, wenn man mit Freunden an einem fröhlichen Abend ums Lagerfeuer sitzt, über Bikes quatscht, oder über Umbauideen. Schnell entwickelt sich dann eine ganz eigene Dynamik. Vieles davon braucht man in der Regel nicht ernst zu nehmen, oder es geht am nächsten Tag in der Katerstimmung wieder unter.

Die Harley macht keinen Hehl aus ihrer Bestimmung: Einsätze auf unbefestigten Wegen oder schnelle Asphaltritte gehören dazu

Manchmal aber bleibt etwas hängen. Eine kleine Idee nur, ein Funke, der sich entzündet und die ganze Sache in die richtige Richtung treibt. Doch die eigentliche Geschichte des »kaiserlich und königlichen« Mopperls fängt ein paar Jahre vorher an. Ernst ist auf der Suche nach einem alten Harley-Eisen. Doch ein Besichtigungstermin in Wien entspricht nicht den Erwartungen, und so tritt Ernst ohne Motorrad wieder den Heimweg an.

Harley-Davidson Super Glide – Shovel aus der Kiste

Der Kurzbesuch auf dem Rückweg bei einem Harley-Spezialisten bringt dann aber eine unerwartete Wendung, denn dort wartet eine komplett zerlegte und in Kisten verpackte Shovel auf ihre Wiederbelebung. Ernst schreckt das glücklicherweise nicht ab, die Teile-Shovel wechselt den Besitzer und fristet fortan ihr Dasein auf einer Hebebühne.

Die Typisierung beim österreichischen TÜV war ein quälend langer Gang durch die Mühlen der Bürokratie. Mehrere Vorführungen waren notwendig, bis die Shovel streetlegal war

Der Österreicher ist unentschlossen, was er aus der Shovel machen möchte. Zunächst schwebt ihm etwas in Richtung Ice-Speedway-Racer vor, oder Hillclimber. Was Altes halt, das seinen Vorstellungen entsprechen könnte. Doch die Suche nach den geeigneten Teilen gestaltet sich schwierig. Die Eisrenner sind nicht der Urkraft der schweren, drehmomentstarken Harley-Motoren gewachsen. Sie kommen mit wesentlich weniger Pferdestärken aus. Damit ist das Thema vom Tisch. In der Zwischenzeit trägt Ernst unverdrossen Teile zusammen, stöbert bei Online-Auktionshäusern und durchkämmt das Netz.

Harley-Davidson Super Glide – Die Springergabel war Pflicht

Ganze zwei Jahre dümpelt das Projekt ohne sichtbare Fortschritte vor sich hin. Bis zu jenem ominösen Abend mit den Kumpeln am Lagerfeuer. Nach Justierung der Geisteshaltung mit Jacky und Bier wird es kreativ, sprudeln die Ideen geradezu. Der Todestag von Kaiser Franz Joseph jährt sich zum 100. Mal. Anlass genug, die Harley-Davidson Super Glide in Anlehnung an die pompöse Kaiserzeit zu gestalten.

Der Kaiser hätte seine helle Freude an diesem Rennpferd gehabt. Schneller wäre wohl kaum eine Attacke geritten worden. Der Shovel-Motor bekam etwas mehr Pfeffer, das Fahrwerk moderne Komponenten … teilweise. Ja, das Ding rennt gut und geht um die Ecken

»Damals waren es halt die Gold beschlagenen Prunkkutschen, und ich habe versucht mir vorzustellen, wie ein Motorrad zu jener Zeit ausgesehen haben könnte«, so Ernst. Auf alle Fälle nimmt die Shovel Gestalt an. Die Rahmenbedingungen diktieren von nun an das Aussehen. »Die Springergabel ist Pflicht, alles andere passt nicht.« Der Rahmen wird am Heck modifiziert, ein selbst entworfenes Blech eingebaut.

Nach der Frischzellenkur leistet das Triebwerk über 85 PS

Da Performance für Ernst durchaus eine Rolle spielt, wird der Motor bei Engljähringer Custombikes überarbeitet und auf Trab gebracht. Nach der Frischzellenkur leistet das Triebwerk über 85 PS, wie Ernst grinsend versichert. Auch das Fahrwerk wird aufgemöbelt. Stoßdämpfer einer Yamaha XJR 1200 übernehmen die Aufgabe, das Rad bei wechselnden Fahrbahnbedingungen am Boden zu halten und gleichzeitig für so etwas wie Fahrkomfort zu sorgen. Lediglich am Lenker beißt sich Ernst die Zähne aus.

Die Kontrollleuchten sind im Eigenbauhalter der Frontmaske eingelassen

»Ungefähr sechs Mal habe ich die Stummel wieder abgeschnitten, neu positioniert und wieder angeschweißt, bis das mir und meiner Größe getaugt hat.« Überhaupt entsteht das endgültige Design erst während des Aufbaus. Immer wieder steht Ernst vor der Hebebühne, hat neue Ideen, nur um sie anschließend wieder zu verwerfen. Es ist der natürliche Schaffensprozess, der den meisten nicht unbekannt sein dürfte.

»Der Komfort ist wie immer auf der Strecke geblieben«

Nach einer reinen Bauzeit von sechs Monaten ist es soweit. Die Typisierung beim österreichischen TÜV steht an. Ein quälend langer Gang durch die Mühlen der Bürokratie. Mehrere Vorführungen sind notwendig, bis die k. u. k. abgenommen und straßenzugelassen ist. »Danach ist mir klar geworden, dass ich nie Bikebuilder sein könnte. Dieses Theater würde mir die ganze Freude verleiden.« Egal, die Geburtswehen sind überwunden, die Shovel rennt, und wie. Nur der Komfort ist wie immer auf der Strecke geblieben.

Stimmige Linie, astreines Fahrwerk: Der Sportster-Tank passt perfekt, die modernen Stoßdämpfer aus einer Yamaha XJR 1200 sorgen für saubere Straßenlage. Der getunte Motor bekam eine leistungsfähigere Ölkühlung

»Mehr als 100 Kilometer am Stück tun schon weh«, gibt Ernst offen zu. Und die Zahl 28 auf der Lampenmaske? »Das ist meine Kinderglückszahl. Sie gehörte dem österreichischen Formel-1-Fahrer Gerhard Berger. Als Kind habe ich zusammen mit meinem Vater immer Formel-1-Rennen geschaut und Gerhard Berger bewundert. Deshalb habe ich sie drauf.«