121 Jahre Harley-Davidson bedeuten auch 121 Jahre Harley-Customizing. Eines der jüngsten Highlights ist dieser Eigenbau mit Shovelhead …

Sport und Krieg waren es, die das Customizing von Harleys schon in den Anfangsjahren nötig machten. Was damals aus Spaß, Ehrgeiz oder Pflichtbewusstsein entstand, zog sich durch die Epochen. Die ersten Bobber waren Harleys, die ersten Chopper sowieso, in den 90ern prägten Highnecker und New-Wave-Cruiser mit amerikanischen V2-Motorendie Umbauszene, heutzutage entstehen Chicano-Bikes und überhaupt, klassischer Clubstyle funktioniert nur mit einer FXR oder Dyna.

Originale H-D-Lacksätze sind selten und teuer geworden

Wir lehnen uns also nicht weit aus dem Fenster, wenn wir behaupten, dass Harley-Davidson die am meisten umgebaute Motorradmarke der Welt ist … ja, wir gehen sogar so weit, zu behaupten, dass kaum eine Harley je im absoluten Originalzustand einen neuen Besitzer fand. Übrigens eine Tatsache, die manchen schon wieder Sorgen macht. So sind zum Beispiel originale H-D-Lacksätze selten und entsprechend teuer geworden, weil ja eben alles immer umgebaut und neu lackiert wurde, weswegen man heutzutage den stylischen AMF-Lack nachträglich auf den Oldschool-Chopper bringen muss.

Von oben wird deutlich, wie schmal der hintere Firestone mit seinen drei Zoll ist. Trotzdem harmoniert er ­im Duett mit der wuchtigen Nabe erstaunlich gut

Das alles interessiert Meister Zon nicht, denn Meister Zon lackiert nicht. Und eigentlich heißt er auch nicht Zon, aber den echten Namen und Zungenbrecher Yuichi Yoshizawa kann sich doch eh keiner merken. Berühmt wurde Yoshizawa durch seine Motorräder, besser noch durch sein Handwerk. Seine Manufaktur „Custom Works Zon” – und in Japan darf man wirklich noch von Motorrad-Manufakturen sprechen – spuckt Bikes aus, wie sie am Ende nur Japaner bauen können.

Nahezu alles an diesem Motorrad ist selbstgebaut

Technisch ausgereift, durchdacht, eigenwillig und auf höchstem handwerklichen Niveau. Unter den vielen guten japanischen Customizern ist Zon die Crème de la Crème. Die größte Bikeshow des Landes in Yokohama krönte ihn kürzlich einmal mehr zum Besten – klar deshalb, dass seine Sieger-Shovel hier gezeigt werden muss.

Der kurze Zwei-in-Zwei-Auspuff endet untypisch auf der linken Seite knapp über dem völlig offen laufenden Primärtrieb

Es mag sein, dass ein solches Motorrad polarisiert, die Arbeit, die darin steckt, sollte aber über jeden Zweifel erhaben sein. Außer offensichtliche Teile wie Motor – zu dem kommen wir später noch – oder Reifen, ist nahezu alles an diesem Motorrad selbstgebaut. Als Grundmaterial für sein Fahrwerk wählte er 7N01-Aluminium, eine in Japan entwickelte Legierung, die für ihr geringes Gewicht und ihre hohe Zugfestigkeit bekannt ist und häufig im Flugzeugbau zu finden ist.

Brav ist der verbaute 1973er Shovelhead keineswegs

An den hinteren Zügen des Starrrahmens finden sich zudem zusätzliche vertikale Versteifungsstreben, die das Rahmenheck verstärken. Was zeigt, dass Meister Zon dem reinen Aluminium dann wohl doch nicht so ganz trauen wollte, immerhin wusste er, was für Kräfte hier wirken würden. Brav ist der verbaute 1973er Shovelhead nämlich keineswegs, vielmehr holte Zon aus dem beliebten Aggregat für Oldschool-Umbauten noch eine Menge raus.

Schönes Detail – das Leder der Sitzbank setzt sich nach hinten fort und umschließt Heckfender samt LED-Licht

Mit einem Weber-Doppelvergaser, zwei Morris Magnetos, einem S&S-Schwungrad, größeren Kolben und einer eigens angefertigten Nockenwelle wertet Zon den fünfzig Jahre alten Shovelhead auf. 93 Kubikinch, also beachtliche 1524 Kubikzentimeter stehen am Ende zu Buche, „quasi ein Hot Rod“, grinst Yoshizawa. Zwei Zündkerzen pro Zylinder sorgen außerdem für eine effiziente Verbrennung. Das Abgas wird aus einer kurzen Zwei-in-Zwei-Auspuffanlage ungewöhnlicherweise auf der linken Seite ausgespuckt.

Shovelhead mit Baker-Sechsganggetriebe

Im letzten Schritt kombiniert der Japaner seinen neuen, alten Motor mit einem Baker-Sechsganggetriebe, der 2-Zoll-Primär läuft offen. Kaum zu glauben, dass Motorenbau eigentlich nicht der Fokus von CW Zon ist. Deshalb zurück zum Metall. Natürlich ist die Parallelogrammgabel ein Eigenbau, Zon hatte schon bei früheren Umbauten auf das System gesetzt. Beim Blick von oben eröffnet sich aber die ganze Perfektion.

Auch der Motor wurde aufwendig überarbeitet, das jetzt 1524 Kubikzentimeter große Aggregat verfügt auch noch über eine neue Nockenwelle, einen Weber Doppelvergaser und eine Magnetzündung

Der Lenker ist fest mit der Lenkkopfabdeckung verbunden, die modernen Gabel-Komponenten, wie der Mountainbike-Dämpfer, verstecken sich unter der Aluminium-Verkleidung, der Digitaltacho aus deutscher Fertigung sitzt in der Aluplatte vorm Lenkkopf. Das einfache Armaturenbrett beherbergt moderne Tastschalter. Die Bedienelemente stammen von Kustom Tech und sind an Edelstahlleitungen angeschlossen, der Vorratsbehälter auf der linken Seite verrät die hydraulische Kupplung. Glänzende Griffe und Fußrasten von Rough Crafts runden die Bedienelemente ab.

Durch eine Lackierung käme die Arbeit am Metall nicht zur Geltung

Was an der Front Fahrt aufnimmt, setzt Customizer Yoshizawa am Heck fort. Heckbürzel, Sitzbank und Öltank konstruierte und baute Yoshizawa als ein Teil, wahrlich meisterlich mit seinen glatten Oberflächen, die lediglich durch schwarze, handgemalte Linierungen verziert sind. Auch zahlreiche Gravuren geben dem kühlen Metall eine persönliche Note. Sie finden sich unter anderem am zweiteiligen Tank und den Halterungen, die sich über das Rahmenrohr spannen.

Gravuren von „Silver Smith Fin” verleihen dem blanken Metall eine persönliche Note

Zu sehen sind ein geflügelter Tigerkopf, ein weinendes Auge, Gewitterwolken und natürlich die strahlende Sonne – denn Zon bedeutet auf Japanisch Sonne. Dass nicht lackiert wird, ist übrigens zu einem der Markenzeichen des Ausnahme-Customizers geworden, „sonst kommt die Arbeit am Metall ja nicht zur Geltung“.

Bereits zum zweiten Mal „Best of Show“ in Yokohama

Einen Stilbruch kann er sich aber nicht verkneifen. Neben den fast filigranen Elementen, wie Sitzbank, Tank und Gabel, stattete er seine 21-Zoll-Speichenräder mit wuchtigen Aluminium-Covern aus. Die Firestones sind dagegen bemerkenswert schmal, aber die Ästhetik funktioniert. So war Zons Siegeszug auf Yokohamas berühmter Hot Rod- und Customshow nur noch Kür. Nach 2018 wurde ein Bike von ihm bereits zum zweiten Mal zum „Best of Show“ gekrönt.

Info | cw-zon.com