Ein elend langer Radstand von 1,62 Meter, 250 Kilo auf der Waage und dann noch nicht mal 100 Pferde – hört sich nicht gerade nach Sportmotorrad an. Stummellenker, Halbschale und zurückverlegte Fußrasten – hört sich nicht gerade nach Harley an. Das Auge aber erkennt: Hier haben wir es tatsächlich mit einer Harley-Davidson Softail im Racing-Ornat zu tun.
Welchen Anteil hat eigentlich der Motor an der Fahrfreude? Hat das schon mal jemand ermittelt? Fünfzig Prozent inklusive Sounduntermalung … vielleicht? Und das Fahrwerk? Die Bremsen? Okay, kann man natürlich nicht ernsthaft messen, schon klar. Aber gehen wir mal davon aus, dass ein emotional ansprechender Maschinenraum die halbe Miete ist, dann ist Sacha Lakic mit seinem Wurf schon auf der sicheren Seite. Der einstmalige Bimota-, Yamaha- und Voxan-Designer hat sich hier an schweres Gerät gewagt: Die Basis für seine BT-03 war eine Harley-Davidson Softail Fat Bob. Von Haus hat deren Milwaukee-Eight-Motor fast 1,9 Liter Hubraum und 94 Pferdestärken; aber vor allem: bärige 155 Newtonmeter Drehmoment bei niedrigen 3000 Touren.
Milwaukees jüngster Big Twin ist bekanntermaßen ein großer Wurf, er steckt nur leider in einem für Racing-Freunde untragbaren Chassis. Riesiger Radstand, vorverlegte Rasten … die Serien-Fat-Bob ist halt ein Cruiser und ihre 306 Kilo gelten nun wirklich nicht als Beleg für Leichtbauweise. Lakic versteht was von gutem Design. Sein Honda-CX-Racer ist die wohl geilste Güllepumpe ever. Aber wenn der Antrieb, wie eingangs philosophiert, der größte Brocken in Sachen Fahrspaß ist, dann können es Fahrwerk und Bremsen nicht mehr rausreißen. Und ein 500er-Motörchen aus den 70er Jahren treibt nun wirklich niemandem mehr Tränen der Begeisterung in die Augen.
Inspiration bot Harleys legendärer XLCR Cafe Racer
Hier also hat sich Lakic unter seinem Label Blacktrack Motors erstmals ein Milwaukee-Modell vorgeknöpft. Der Grund: Harleys legendärer XLCR Cafe Racer aus den 70er-Jahren war schon sein Lieblingsmotorrad, als er noch Kind war, und diesmal wollte er auch keine halben Sachen hinsichtlich des Antriebs mehr haben. Aber aus einem Power-Cruiser der Schwergewichtsklasse einen veritablen Sportler zu schnitzen, gehört nicht zu der Art von Projekten, die man mal so eben mit Bolt-on-Teilen und ein paar Eigenbaubrocken realisieren kann.
Dabei ist die Basis keine schlechte: Regelmäßige Leser der DREAM-MACHINES wissen, dass wir die Fahreigenschaften der Harley-Davidson Softail Fat Bob schon des Öfteren gelobt haben. Sieht man mal von einer gewissen Sturheit beim Einlenken ab, die man aber mit anderer Bereifung in den Griff bekommt. Der Rahmen ist wunderbar steif, der luftgekühlte V2 vereint Good Vibrations mit geschmeidiger Laufkultur und überaus strammem Huf. Das Zusammenspiel von Antrieb und Fahrwerk ist fein austariert. Alles in allem ein höchst unterhaltsames Stück Motorrad, das durchaus flott um die Ecke geht, wenn der Fahrer es an den Hörnern packt.
Selten hat man eine sportlichere Harley-Davidson Softail gesehen
Doch wie lässt sich aus dem tiefliegenden Easy-Rider-Gestühl die sportliche Linie eines Cafe Racers herauspellen? Erst mal weg mit dem kompletten Heckrahmen, den Fenderstruts und dem Kotflügel. Übrig bleibt das nackte Monofederbein, das sich in Cantilever-Manier am Oberrohr unterm Tank abstützt. Lakic konstruiert einen markanten, dreiteiligen Aluminium-Hilfsrahmen, der an den vorhandenen Aufnahmepunkten befestigt wird und das ebenfalls selbst entwickelte Heckteil in luftige Höhe bringt. Das ist der Anfang vom Ende der tiefen Cruiser-Linie.
Die Operation gelingt, eine extra angefertigte Verkleidung verdeckt nun die offene Wunde über dem Monofederbein, die das eliminierte Cruiser-Heck zwischen Haupt- und Hilfsrahmen hinterlassen hat. Nun arbeitet sich Lakic Richtung Frontend vor, entwirft einen schnittigen Tank, der unübersehbar vom Design von Willie Gs XLCR inspiriert ist und dennoch Lakics ganz eigene Formensprache widerspiegelt. Zuvor aber montiert er noch den auf dem alten Spritfass sitzenden Tacho ab und flanscht ihn zusammen mit den selbst konstruierten Gabelbrücken an den Lenkkopf. Denn zum einen ist das große Rundinstrument recht ansehnlich, zum anderen hat er absolut keine Lust, sich mit irgendwelchen CAN-Bus-Fehlern rumzuschlagen, die es bei der Verwendung anderer Instrumente hagelt.
Harley-Davidson Softail mit Öhlins-Fahrwerk
Stimmig wird die Linie schließlich durch die Eigenbau-Halbschale, die zusammen mit Tank und Heck eine hinreißend sportliche Silhouette ergibt. Die „Entcruiserung“ der Fat Bob wird komplettiert durch die Umrüstung auf absolute Top-Komponenten: Öhlins-Fahrwerk, Beringer-Bremsen, 17-Zoll- Dymag-Schmiederäder mit Michelin-Power-RS-Gummis. Über die paar zusätzlichen Gäule, die der atmungsaktive Sreamin’-Eagle-Luftfilter im Verbund mit den aktiven Jekill-&-Hyde-Töpfen bringt, brauchen wir wohl nicht zu reden.
Beim Ausritt ist die Lakic-Fat-Bob natürlich nicht wiederzuerkennen: Die Umbauarbeiten brachten einen Gewichtsverlust von gut einem Zentner, womit die BT-03 sogar leichter ist als eine serienmäßige 883er-Sportster. Und plötzlich ist da ein Bezug zum Vorderrad, kein Aufsetzen in Schräglage mehr, kein zähes Abwinkeln in Kurven. Kehren bleiben hingegen weiterhin arbeitsintensiv, denn an der Fahrwerksgeometrie hat sich durch die Eingriffe nichts geändert. Am Motor auch nicht – und der ist ja, wie wir inzwischen wissen, schon die halbe Miete.
Info | blacktrackmotors.com
Interview mit Sacha Lakic
D-M: Sacha, Deine Güllepumpe ist zweifellos einer der aufsehenerregendsten Cafe Racer, die je gebaut wurden. Mit der BT-03 hast du deinen Design-Stil erstmals auf eine Big-Twin-Harley übertragen. Wie kam es dazu?
Sacha Lakic: Wie man an meinen anderen BT-Projekten sehen kann, suche ich meine Inspiration immer in der Vergangenheit. Der Beginn der BT-03-Studie war ein Motorrad, das meine Kindheit prägte – die Harley-Davidson XLCR. Sie wurde zwischen 1977 und 1979 gebaut und war mit nur 3 133 Einheiten der einzige Café Racer in der Geschichte von Harley. Ich war jedes Mal gebannt, wenn ich eine dieser Maschinen auf den Straßen von Paris sah. Die BT-03 ist natürlich keine Nachbildung der XLCR. Sie fängt eher die Design-DNA des Harley-Racers ein, was sich beispielsweise im langgestreckten, kantigen Tank- und Heckbereich, der Bugverkleidung und den Siebenspeichenrädern der BT-03 widerspiegelt. Die gesamte Ästhetik ist zeitgemäß und fließend, ein reiner Café Racer, optimiert für maximalen Fahrspaß.
Was war die größte technische Herausforderung bei dieser Umstellung?
Der Fokus lag darauf, unsere BT-03 zu einem leichten Cafe Racer zu machen. Das Abspecken war der schwierigste Part. Trocken wiegt die BT-03 248 Kilo – eine enorme Gewichtsersparnis gegenüber den 296 Kilo der Serien-Fat-Bob. Allein dieser Unterschied macht den Umgang mit der BT-03 sehr dynamisch, bringt das Erlebnis dem Geist des Cafe Racings entscheidend näher.
Wie zufrieden bist Du mit dem Handling? Ein Cruiser wird durch ein paar Öhlins-Komponenten allein nicht zu einem Agilitätswunder?
Ich stimme absolut zu. Das Umrüsten der Originalfederung auf Öhlins reicht nicht aus. Aber in Kombination mit der Gewichtsreduktion und der vorderradorientierten Sitzposition passt es. Die Herausforderung bestand darin, die sportlichste Harley zu entwickeln, die ich je gesehen habe. Mir gefällt der Charakter des Milwaukee-Eight-V2 sehr gut. Er hat viel Drehmoment und dreht nicht sehr hoch. Meine Idee war, eher eine AC Cobra oder einen Ford Mustang zu schaffen als einen Ferrari. Großer Motor, sportlich, viel Gefühl – das war es, was ich wollte.
Du sagtest uns damals im Interview, dass du ein Fan von Zweizylindermotoren bist. Was ist für Dich das Besondere an einem Harley-V2?
Ich bin verliebt in den großen Hubraum – fast zwei Liter –, die Vibrationen und den Sound! Wenn du diesen Motor fährst, weißt du sofort, dass du ein außergewöhnliches Stück Technik und Mechanik unter dir hast.
Wird es einzelne Teile der BT-03 oder einen kompletten Umbausatz geben?
Wir bieten nur komplette Motorräder an. Die Blacktrack-Bikes werden in Miniserien hergestellt, von der BT-03 werden wir nur vier Stück bauen. Wir nehmen gerne Bestellungen entgegen, die Vorlaufzeit liegt bei sechs Monaten, eine EU-Homologation liegt vor.