Auf die Idee, mit Harley Trikes einmal quer durch Russland bis zum Pazifik zu fahren, können nur polyglotte Geister kommen. Ein frisch vermähltes Pärchen aus Schweden hat sich auf den Trip durch das Riesenreich getraut.

Anders Johansson unternahm seine erste Weltreise bereits mit 19 Jahren. Sie führte ihn nach Mexiko. Nach ersten Touren auf kleinen Japanern kam irgendwann die erste Harley. Er kaufte in Melbourne eine Super Glide, mit der er acht Monate quer durch Australien tourte.

Ein Trip quer durch das größte Land der Erde

Ein Jahr später ging es quer durch die Vereinigten Staaten. Um Geld zu sparen, übernachtete der Schwede im Zelt. Weite­re Reisen in unterschiedlichen Gefilden folg­ten. So verschiffte Anders 1998 seine 71er Electra Glide nach Valparaiso in Chile und überwand mit ihr die Anden Richtung Argentinien. Im weiteren Verlauf ging es mit dem alten Shovelhead-Dickschiff nach Brasilien.

Die Chassis der Trikes hat der Schwede mal kurzerhand unter Verwendung von VW-Achsen selbst gebaut

Anders hat also schon einiges erlebt. Der Trip quer durch das größte Land der Erde sollte einen weiteren Kick in sein Leben bringen. Allerdings wollte er die Tour nicht alleine unternehmen. Da aber seine frisch angetraute Frau Sandra keinen Motorradführerschein besitzt, baute der findige Nordmann für sie ein Trike; das nämlich darf die gebürtige Mexikanerin mit ihrem Autoführerschein fahren.

Mit Harley Trikes quer durch Russland

Im Eigenbau-Rahmen sitzt ein 1994er Sportster-Motor. Die hintere Achse mit den zugehörigen Bremsen stammt von Volkswagen, zwei 15-zöllige Cragar-Felgen tragen fette 265er- Walzen. Gelenkt wird mit einer um zwölf Zoll verlängerten Zubehörgabel. Im Vorderrad tut eine 360°-Bremse ihren Dienst. Für sich selbst hat Anders eine Softail mit einem normalen Convertible-Kit zum Trike umoperiert. Zwar sind Trikes nicht ge­rade die erste Wahl für solch eine Reise über 13000 Kilometer, die meist über schlechte Straßen führen. Doch gerade das machte einen zusätzlichen Reiz für das frisch gebackene Ehepaar aus.

Sandra auf dem Roten Platz in Moskau

Die ersten Kilometer führten per Fähre über Helsinki nach St. Petersburg und von dort Richtung Moskau. Schon auf dieser Strecke erwiesen sich die Gepäckhalter als zu schwach. Mit Hilfe von freundlichen, schweißkundigen Russen wurden sie verstärkt. „Wir haben extra ein paar Brocken Russisch gelernt. Für eine Kommunikation auf geringem Niveau hat das ausgereicht, aber viele Fragen der interessierten Leute unterwegs konnten wir einfach nicht beantworten“, erzählt uns der weit gereiste Schwede.

Russland extrem – Mit Harley Trikes durch den Ural

Nachdem das Paar die Metropole Moskau verlassen hat, ging es durch die Weiten des europäischen Teils der Russischen Förderation ins Ural-Gebirge. Hier überfuhren sie die imaginäre Grenze zwischen Europa und Asien. Die nächsten Stationen waren Ufa, Tscheljabinsk und die Millionenstadt Jekaterinburg, die zwischen 1924 und 1991 Swerdlowsk hieß.

Kurz hinter Moskau gab es dann Zündungsprobleme am Sportster-Motor

„Um Ausrüstung wie Zelt oder Schlafsäcke zu sparen, haben wir in Hotels übernachtet. Das geht ganz schön ins Geld, war es uns aber wert“, berichten die Abenteurer. Manche Straßen, etwa zwischen Novosibirsk und Irkutsk, stellten sich als deutlich schlimmer als erwartet heraus. Auf einer Strecke, die gerade erneuert wurde, ging es über unfassbare 300 Kilometer nur im ersten Gang vorwärts. Irgendwann ging Sandras Zündbox kaputt, doch glücklicherweise hatte Anders ein Ersatzteil dabei.

Der Baikalsee hat über 300 Söhne, aber nur eine Tochter

Am Ufer des Baikalsees war erst einmal aller Stress vergessen. Die Region um den tiefsten und ältesten Süßwassersee der Erde zählt zum UNESCO-Naturerbe. In den See münden 336 Flüsse. Die Angara, einer der größte Ströme in Sibirien, ist sein einziger Abfluss. Sie wird auch als einzige Tochter des Baikal bezeichnet, während er über 300 Söhne (die Zuflüsse) hat.

Black Faces: Die ostsibirischen Straßen belegen Mensch und Maschine mit einer dicken Schicht Staub

Schon bald schlug die Defekthexe erneut zu. Wieder war es Sandras Trike, dessen Motor Probleme machte. Als gar nichts mehr ging, schleppte Anders sie über 150 Kilometer ab. Eine Zufallsbekanntschaft half ihnen weiter. Vladimir stellte seine Werkstatt zur Verfügung. Nach kurzem Check stellte sich heraus, dass eine Zylinderkopf­dichtung durch war. Ein solches Ersatzteil war in ganz Sibirien nicht aufzutreiben. Doch so etwas stoppt keinen Russen. In einem Shop fertigte man nach den Originalmaßen eine Kopie der Dichtung an. Seit deren Einbau läuft der Motor ohne Probleme.

Erschöpft, aber glücklich in Wladiwostok angekommen

Endstation der Reise war Wladiwostok, Russlands wichtigste Handelsstadt am Japanischen Meer. Erschöpft, aber glücklich ließen die Marathon-Triker ihre Fahrzeuge auf ein Frachtschiff verladen, die beiden traten per Flugzeug die Heimreise an. Ihr Fazit der abenteuerlichen Tour: „Es gab harte Zeiten während unseres Trips, aber gerade das Meistern aller Schwierigkeiten hat unsere Beziehung noch deutlich gestärkt.“