Oft ist die Gabel das wichtigste Teil eines Choppers. Die aus Ralphs Harley-Davidson Shovelhead hat fast 50 Jahre auf dem Buckel und erzählt von der ersten Blütezeit der Chopperkultur.

„Ein Chopper ist die Quintessenz eines Custombikes. Er besteht nur aus den Teilen, die man unbedingt braucht, verzichtet auf eine komplizierte Elektrik und verwendet stattdessen einfache Mechanik. Ein Chopper ist einfach in sich cool“, so Ralph Weber, was erklärt, warum ihn der klassische Stil so fasziniert. Beruflich restauriert er in seiner „Garage Deluxe“ alte Ami-Schlitten und Motorräder.

Beim Shooting war der Chopper noch nicht zugelassen. Mittlerweile hat er eine Bremse am Vorderrad und das Nummernschild mit TÜV-Stempel ist an der Sissybar montiert

Modernen Fahrzeugen kann er nicht sonderlich viel abgewinnen. „Zu viel Elektronik, zu viel Ballast. Eine alte Karre kannst du immer selbst reparieren, ohne Computer und Mikrochips“, erklärt der gelernte Maschinenschlosser seine Vorliebe für altes Eisen. Vor ein paar Jahren entdeckt Ralph auf einer seiner Touren durch die USA bei einem Privatmann in Los Angeles eine Motorradgabel, die ihn fasziniert. Überlänge, Vierkantrohr, das kleine Rad ist mit dabei.

Harley-Davidson Shovelhead mit AEE-Springergabel

Er kauft das verrostete Ding, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, woher das Teil ursprünglich stammt. Zu Hause zerlegt er die Gabel und entdeckt die eingestanzten AEE-Logos. Ihm wird klar, dass er ein Stück Geschichte gekauft hat. AEE-Choppers (ausgesprochen A-double-E) galt als der erste erfolgreiche Kataloganbieter für Chopper-Teile. Von 1969 bis 1975 bot die Firma, die in ihrer besten Zeit über 100 Beschäftigte hatte, Gabeln, Sissybars, starre Heckrahmen, Sargtanks, Handschaltungen und vieles mehr für Chopper an.

Ralph: „Die eng stehenden Rabbit Ears sind im Fahrbetrieb gewöhnungsbedürftig“

Die Kataloge der Firma waren heißbegehrt, ihre zahlreichen hauseigenen Promotion-Bikes echte Sensationen. Nach geschäftlichen Fehlentscheidungen und Zerwürfnissen der Besitzer schloss AEE 1975 die Tore, aber der Name AEE ist unter Oldschool-Freaks noch heute legendär. Ralphs Gabel stammt vermutlich aus dem Jahr 1971, hat ein Übermaß von 15 Zoll und wurde in dieser Form seinerzeit auch an einem der hauseigenen Promobikes von AEE verbaut.

Vom Traum einer AEE-Replika verabschiedet sich der Customizer

Und eigentlich will Ralph eines dieser Bikes originalgetreu als Replika nachbauen … irgendwann, wenn mal Zeit dafür ist. Doch vom Traum einer AEE-Replika verabschiedet sich der Customizer schnell wieder. Zu aufwendig hätte sich das Projekt gestaltet, nötige Teile sind extrem schwer zu finden, „außerdem wollte ich eine Zulassungsfähigkeit des Bikes sicherstellen, das wäre mit einem originalgetreuen Nachbau nicht möglich gewesen“.

Beim Kauf war die Gabel ein Haufen Rost. Ralph fertigte die Abdeckungen neu an, danach wurde alles verchromt

Ralph verzichtete anfangs auch auf den Einbau einer vorderen Bremse, um authentisch zu bleiben. „Aber das wird für den TÜV natürlich noch geändert“, lässt er wissen. Neben der Gabel hat er Rahmen, Motor, Vierganggetriebe, den Rabbit-Ear-Lenker sowie die Doppelscheinwerfer, die er mal auf einem Flohmarkt erstanden hat, bereits in der Werkstatt liegen. Der ’79er Late Shovel mitsamt Getriebe wird komplett überholt, bekommt eine neue Nockenwelle, neue Kolben, neue Ventile und überarbeitete Pleuel.

Der Harley-Davidson Shovelhead wird komplett überholt

Ralph montiert einen S&S Super B, der zwar die klassischen 70er verkörpert, jedoch schwierig zu fahren ist, wie er selbst zugibt. Besser funktioniert da die Dyna-S-Zündung, „mit der habe ich schon bei meinem Daily Driver, einer Shovel im ’49er Starrrahmen, nur beste Erfahrungen gemacht“. Überraschend schwierig gestaltet sich die Suche nach einer Auspuffanlage. „Ich wollte den Verlauf der Rohre so haben, wie das damals üblich war“, erzählt Ralph, die passende Anlage findet er schließlich bei CCE. „Der Verlauf der Anlage stimmt, lediglich die Rohre könnten noch etwas länger sein.“

Authentische Seventies: Eckige AEE-Gabel mit geschobener Sichelschwinge, zwei rechteckige Scheinwerfer, King-&-Queen-Sitz

Bei anderen Teilen macht er dagegen keine Zugeständnisse: Die Sissybar und die King-and-Queen-Sitzbank fertigt er nach alten Vorlagen selbst, den Bezug der Sitzbank in rotem Samt übernimmt Clare van Stitch von True Blue Custom Seats. Beim Spritfass entscheidet sich Ralph für einen Peanut-Tank, den er modifiziert und anhebt, damit er direkt auf dem Rahmenrohr sitzt. Darüber hinaus fertigt er die Halterungen zum Beispiel für das Rücklicht und den Primärtrieb selbst. Bleibt noch die Gabel, an der der Zahn der Zeit genagt hat. Sie ist nicht nur stark angerostet, sondern weist keinen Lenkanschlag auf, teilweise fehlen die Abdeckungen und einiges mehr.

Wie einiges andere auch, wird die Gabel komplett verchromt

Ralph überholt sämtliche Schrauben und Gewinde des Relikts und fertigt die Abdeckungen komplett neu an. Wie einiges andere auch, wird die Gabel zudem komplett verchromt. Für das Vorderrad findet Ralph seinen Reifen in China, er kommt von Cheng Shin. Das Hinterrad wird in der Dimension 4 x 16” neue eingespeicht, damit der auserwählte Firestone satter rüberkommt. Zum Schluss gibt’s noch die passende Lackierung, die Tausendsassa Chiko in Schwarz mit roten Candy-Flames und goldenen Applikationen aufträgt.

Info | garage-deluxe.net