Schein und Sein liegen oft meilenweit auseinander. Wer glaubt, hier einen restaurierten Oldie vor sich zu haben, irrt sich gewaltig. An dieser vermeintlichen Knucklehead ist nichts alt.

„Eigentlich kommt unser Kunde Carsten aus der BMW-Boxer-Ecke. Zum Thema Harley-Davidson kam er nur auf Druck seiner Motorradkumpels“, erzählt Benni von Mean Machines. Tja, offenbar hat sein erstes Milwaukee-Eisen, eine Shovelhead, ordentlich was bewirkt in Carsten. Wie sonst wäre es zu erklären, dass er irgendwann im Shop von Mean Machines im oberfränkischen Weidach stand und den Wunsch nach einer Knucklehead äußerte.    

Die optischen Reize einer Knucklehead …

Im Hinblick auf die Standfestigkeit und der besseren Alltagstauglichkeit wegen machten die Bikebuilder den Vorschlag, besser ein alltagstaugliches Fahrzeug neu zu bauen als auf echte Oldtimer-Technik zu setzen. Die optischen Reize einer Knucklehead sollten aber in jedem Fall erhalten bleiben. Diesen Vorschlag sollten sie schon bald bereuen, denn Kunde Carsten war gleich Feuer und Flamme für solch ein Projekt.

Benni Adler von Mean Machines stellte diesen vermeintlichen „Oldie“ auf die Räder

Nach etlichen Recherchen nach Teilen und Absprachen mit dem TÜV SÜD kam das Projekt „Knucklehead-Replika“ ins Rollen. Einen zeitgenössisch passenden Starrrahmen konnte VG liefern. Da das Fahrzeug eine Erstzulassung bekommen sollte, mussten natürlich zuverlässige Bremsen verbaut werden.

Für den TÜV voll okay – Kettenradbremse von SSC

Vorne kombinierten die Franken eine Zange von Brembo mit einem hinter der unteren Gabelbrücke verborgenen Bremszylinder, der der Optik wegen vom Lenker aus mit Seilzug angesteuert wird. Hinten segnete der TÜV im Vorhinein die Kettenradbremse von Steve Schneiderbanger ab. Eine Springergabel von W&W und Speichenräder mit Bobber-Reifen runden das oldschoolige Rolling Chassis ab.

Der per Seilzug angesteuerte hydraulische Hauptbremszylinder sitzt unterhalb des Lenkkopfs auf dem vorderen Kotflügel

Der moderne, neue RevTech-Motor wurde komplett zerlegt. Die Kühlrippen an den Zylindern und Köpfen schliffen die Customizer ab beziehungsweise rund, um näher an die Motoroptik der echten Knuckles heranzukommen. Schwarzer Lack auf diesen Alu-Teilen imitiert den früher bitter nötigen Rostschutz auf den ehedem aus Grauguss bestehenden Originalteilen.     

Die Neo-Knuckle kann auch stilecht angekickt werden

Sehr stimmig verfolgten die Erbauer das Thema „Rippen-Design“. Dies  sollte sich über das ganze Bike ziehen. Ob der selbst gebaute Öltank, das Luftfiltergehäuse, der Nockenwellendeckel, der Primärdeckel oder die zusätzliche Werkzeugbox rechts unten, all diese Teile tragen horizontal verlaufende dreidimensionale Rippen. Apropos Öltank: Das aus Edelstahl gefertigte Fässchen versteckt geschickt den elektrischen Anlasser. Wenn Kunde Carsten allerdings möchte, kann er seine Neo-Knuckle auch stilecht ankicken.

Bündig eingelassen: Im Fenderstrut stecken kleine All-in-one-Rückleuchten

Dass sowohl die Beleuchtungs- als auch die Abgasanlage dem zulassungsrechtlichen Stand entsprechen muss, erklärt sich von selbst. Doch der war beim Bau dieses Motorrads noch nicht Euro 5, so dass es schon noch gewisse Freiheiten gab. Unter der jüngsten Euro-Norm dürfte solch ein Unterfangen kaum mehr möglich sein.

Knucklehead als nagelneuer Alltags-„Oldie“

Aber das hier ist ein absolut legaler Bock mit allen Eintragungen durch den TÜV Süd – mit Ausnahme des Luftfilters. Wer will da noch einen alten, öligen, halbverschmierten Starrrahmen mit Teile-Prüfnummer und Zulassung von angeblich 1954“, ist sich Benni von Mean Machines sicher. Nun, Liebhaber echter Oldtimer werden darüber sicherlich anders denken, aber wir finden diesen nagelneuen Alltags-„Oldie“ wirklich sehr gelungen.