Wollen wir mal hoffen, dass keiner, der das Abbild der Medusa auf dieser Harley-Davidson Softail Breakout anschaut, anschließend zu Stein erstarrt. Das hätte weder das Bike noch der Betrachter verdient.

„Donnerwetter, schweres Ornamentikgeschütz“, dachte ich mir, als ich die ersten Bilder von dieser Breakout sah. Umgebaut wurde das Motorrad bei Tower 66, dem Harley-Davidson Vertragshändler Stuttgart Süd in Böblingen. „Das war ein Kundenauftrag“, informiert mich Niederlassungschef Bernhard Gneithing, der ehemals anderthalb Jahrzehnte lang Marketing Director von Harley-Davidson Germany war und vor ein paar Jahren auf die Händlerseite gewechselt ist.

Eine gute Alarmanlage tut not: Sämtliche Lackflächen sind mit echtem Blattgold belegt. Und die Lackierung hat sicherlich auch ein paar Taler gekostet

Wie es sich für einen Vertragshändler gehört, war die Basis für den Umbau eine originale Softail, allerdings nicht die neuere Version mit Milwaukee-Eight-Motor, sondern die Variante mit dem letzten, 103 Kubikinch großen Twin Cam B. Praktisch jedes Bauteil an dem Motorrad wurde angefasst, viele Serienteile, wie etwa die Gabel, die Dreiecksschwinge und die Bremsen, wurden verchromt. Auffälligste technische Änderung sind die Big-Spoke-Räder mit Chromfelgen. Diese entstanden bei T.T.S. in Westerkappeln. Es fällt auf, dass die mit 24 Karat vergoldeten Speichen eine dreidimensionale Kontur haben. Sie sind aber nicht etwa gedreht („twistet“), die Kontur ist vielmehr mittels einer Verdichtungsmatritze aufgewalzt.

Harley-Davidson Breakout als Basis für die Medusa

Beide Räder werden von neuen, knapperen Schutzblechen überspannt, deren Rohlinge die Tower-66-Mannschaft von CPO bezogen hat. Was man auf den ersten Blick nicht sieht, ist die Tieferlegung des Hecks durch ein entsprechendes Set von Müller. Für den guten Ton sorgt eine elektronisch regelnde „ESE“-Anlage von KessTech, den verchromten seitlichen Kennzeichenhalter führt Wunderkind im Programm. Besseres Licht spendet ein LED-Daymaker-Reflektor in der originalen Lampe, die Fußrastenanlage und die hochglanzverchromten Hand- und Fußhebel stammen aus Harleys hauseigenem Parts-and-Accessories-Angebot, die Schalter wurden verchromt.

Wollen wir mal hoffen, dass keiner, der das Abbild der Medusa auf dieser Softail Breakout anschaut, anschließend zu Stein erstarrt

DER Hingucker an dem Bike ist aber nicht etwa der reichlich vorhandene Chrom, sondern die auffällige Farbgebung und Gestaltung der Lackteile. Verantwortlich dafür zeichnet die italienische Firma „Unexpected Custom“. Die sitzen in Varese unweit Mailand und haben sich auf aufwendigste pittoreske Gestaltung spezialisiert. Unexpected Custom ist keine Lackiererei, sondern ein Künstlerstudio, das seit 2010 auch Objekte wie Motorräder gestaltet. Kopf der Firma ist die Künstlerin Cinzia Masetti, die in ihrem Team auf die Mithilfe von acht weiteren studierten, gestaltenden Künstlern bauen kann.

Amerikanisch-schwäbisch-Italienische Harley-Davidson Breakout

Im Falle unserer schwäbischen Breakout wurde die gesamte Oberfläche der Lackteile zunächst mit echtem Blattgold belegt. Dann folgten die floralen Elemente, die so perfekt und raffiniert ausgelegt und lackiert wurden, dass ein tiefer räumlicher Effekt entsteht. „Vintage Baroque 3“ nennt das italienische Studio die Ornamentik und weist darauf hin, dass auch typische Dekore des Jugendstils darin zu finden sind.

Komplett durchgezogen: Auch das originale Lampengehäuse glänzt im Design „Vintage Baroque 3“

Eine zweite Besonderheit sind die beiden dreidimensional angelegten Köpfe der Medusa, die per 3-D-Drucker entstanden sind und auf Tank und Heckfender aufgebracht wurden. „Die Köpfe bieten eine Ästhetik von großer visueller Wirkung und erhöhen die formale Opulenz der künstlerischen Arbeit“, so der Kommentar des ausführenden Studios.

Die dreidimensional angelegten Köpfe der Medusa sind Geschmackssache

Zumindest, was diese Aussage angeht, bin ich etwas geteilter Meinung, denn ohne die 3-D-Köpfe hätte das Werk besser gewirkt. Die Köpfe verkitschen die ansonsten blendend ausgeführte Arbeit ein wenig. Gehört aber in die Abteilung „Geschmacksache“, und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Nichtsdestotrotz ist das Bike ein ungeheuer fesselnder Hingucker geworden, das dem Besitzer sicherlich eine Menge Fahrspaß bereitet und für reichlich Aufmerksamkeit sorgen wird.

Info | tower-hd.de