Das Böse ist immer und überall. Es kann auch auf zwei Rädern rollen und ist dann so was wie Kunst. Wie bei dieser Harley-Davidson Shovelhead …

Kriminalität rockt. Sie ist ein unerschöpfliches Füllhorn für ästhetische Experimente aller Art, und das nicht nur in unausgegorenen Gangster-Rappereien für Halbwüchsige. Es muss auch kein Chicano-Style sein, es genügt eine Harley mit einigermaßen kriminellem Potential. Und, Junge, von welchem Potential zeugt ein auf 1600 Kubik aufgeblasener Shovelhead-Motor, wenn nicht von einem kriminellen?

Harley-Davidson Shovelhead mit 1600 Kubik

Der vielversprechende Name „Gangster Squad“ entsprang keiner Tageslaune. Carsten Kruse von Speed Up Motorcycle aus Rheine steht auf Al Capone, und am liebsten hätte er ein Al-Capone-Bike gebaut. Doch wie hätte er das Thema visualisieren sollen, wenn nicht mit einem Airbrush des kriminellen Konterfeis? Wer aber würde Al Capone als verzerrte Tanklackierung erkennen? Und will das überhaupt noch jemand sehen?

„Gangster Squad“, der Name des Bikes, ziert die Zylinderkopfdeckel. So war das Thema leichter umzusetzen als mit einem Al-Capone-Bike. Die Gravuren besorgte Carsten Estermann. Die „187“ ist im kalifornischen Strafgesetzbuch die Nummer des Paragraphen für Mord. Die außenliegende Messing-Ölleitung versorgt den aufgeblasenen Motor mit zusätzlicher Schmierung

Der Customizer Carsten Kruse zerbrach sich deshalb zusammen mit dem Graveur Carsten Estermann lange den Kopf. Sie fanden die beste Lösung: Der Begriff „Gangster Squad“ ist weiter gefasst, er eröffnet mehr Möglichkeiten. Da geht was mit Geldscheinen, mit Waffen, mit Totenschädeln sowieso, und auch mit Code-Ziffern. Die „187“ zum Beispiel steht für den Mord-Paragraphen des kalifornischen Strafgesetzbuches. Ihr findet die Ziffer auf dem Getriebegehäuse hinter dem Kickstarter.

Handschaltung, Fußkupplung und Kicker only!

Mörderisch ist Carstens Harley sowieso: Kicker only! Und das auch noch mit Handschaltung und Fußkupplung. Nicht wegen der Show. Sondern weil das hier Carstens persönliche Harley ist, die er gerne so fährt: „Im Stadtverkehr ginge das nicht“, gesteht er freimütig, „darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Aber hier in Rheine bin ich ja auf dem Land!“

Schalten mit Stil: Hier wurde das Thema „Gangster“ in Form von Dollar-Intarsien aufgegriffen

Weniger rustikal fällt dagegen die Ritzelbremse aus. Dumm gelaufen. Deren Kettenrad hat einfach zu viele Zähne. 51 sind drauf, 48 wären besser gewesen. Jetzt kommt die Shovel zwar schnell in die Hufe, bei 130 Sachen ist aber auch schon wieder Schluss. Immer würde Carsten einen Gang höher schalten wollen, aber den gibt es eben nicht. Dass es das 48er Kettenrad nicht gab, ist nicht Carstens Schuld. Das Projekt wurde zu Corona-Zeiten in Angriff genommen, und als es ums richtige Kettenrad ging, waren alle Lieferketten längst unterbrochen.

Harley-Davidson Shovelhead im Steampunk-Look

Nun denn, vielleicht eignet die betagte Shovel sich umso besser als Fluchtfahrzeug, damit würde sie ihrem Namen Ehre machen. Der Motor sollte eine härtere Beanspruchung jedenfalls gut wegstecken. Im Zuge des Aufblasens auf knapp 1600 Kubikzentimeter Hubraum bekam er zusätzliche Ölleitungen, die außen liegen und sich in ihrer steampunkigen Messing-Optik harmonisch in die Vielgliedrigkeit der Gravuren einfügen.

Der Keihin CV 40 ist leicht einzustellen, und vor allem lässt die Shovel sich mit dieser Befütterung einfach ankicken

Ein besonders faszinierendes Detail ist das Blech am linken Rahmenunterzug. Es handelt sich tatsächlich um ein Luftleitblech, das im Fahrtwind den hinteren Zylinder mit zusätzlicher Kühlung versorgt. Es soll auch wirklich funktionieren, schwärmt Carsten. Obendrein ist es nicht mal verboten. Und das an einem Bike, das als Apotheose der Kriminalität über die Straßen rollt! Also doch kein Fluchtfahrzeug.

Best of Show auf dem Jokerfest von Thunderbike

Die „Gangster Squad“ gewann den Pokal „Best of Show“ auf dem Jokerfest von Thunderbike. Sie ist ein Bike für den oldschooligen Auftritt. Der ist garantiert gelungen, denn mit Handschaltung und Fußkupplung kann definitiv nur ein Mann der alten Schule fahren. Und dessen Auftritt ist definitiv seriöser als der eines unausgegorenen Gangsta-Rappers, der einen auf dicke Hose macht, durch die nur heiße Luft bläst. So ein Goldkettchen-Blender hätte sich nie Gedanken über die Kühlung eines hinteren Zylinders durch ein Luftleitblech gemacht. Das kann eben nur ein richtiger Biker.

Info |  speedup-motorcycle.de