Lediglich zwei Jahre – von 2019 bis 2021 – war das Muscle-Bike Harley-Davidson FXDR 114 auf dem Markt. Schade eigentlich …
Ein Bike von Harley-Davidson muss doch einen Namen haben. Die haben doch alle Namen! Stimmt, alle Softails haben Namen, die etwas bedeuten: Fat Boy, Street Bob, Deluxe, Heritage Classic et cetera. Nicht so die FXDR. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass der Name „Destroyer“ lange für die FXDR gehandelt, dann aber doch verworfen wurde. Gut so, denn Harleys „Destroyer“ war vor Jahren ein 165 PS starkes, waschechtes Dragster-Motorrad auf V-Rod-Basis, da hätte die Assoziation zu der Softail mit ihren 91 PS auch nach hinten losgehen können.
Aber nicht nur beim Namen ging Harley mit der FXDR neue Wege. Erstmals wich man mit ihr von der namensgebenden Softail-Optik am Heck ab. Die Leichtmetall-Gussschwinge ist geformt wie eine normale Zweiarmschwinge, die bewusst angestrebte Verwechselungsgefahr mit einem Starrrahmen-Bike ist somit nicht mehr gegeben. Auch im Unsichtbaren gab es eine Neuerung: Der Hilfsrahmen, der das Heck trägt, bestand erstmals bei einem Bike aus Milwaukee aus Aluminiumrohren. Gewichtsersparnis war der Grund für diese Details, obwohl, wirklich gelungen ist das nicht, denn immerhin bringt die FXDR 303 Kilogramm fahrfertig auf die Waage. Die Softail-Schwestern Street Bob und Standard jedenfalls sind leichter, trotz konventioneller Werkstoffe.
Die Harley-Davidson FXDR 114 gebietet Ehrfurcht
Der Autor dieser Zeilen macht seinen Job schon ein paar Jährchen, genau genommen bald 25, und doch hat ihn die FXDR geflasht, als er sie zum ersten Mal live und in Farbe sah. Sie ist ein großes Motorrad, oder besser gesagt ein langgestrecktes, und ihre Erscheinung ist Ehrfurcht gebietend. Da hatten die Designer vieles richtig gemacht, die FXDR nimmt den Betrachter für sich ein, so oder so, gleichgültig bleibt da keiner. Es gab auch offene Ablehnung, meistens bezogen auf das etwas abrupt endende Heck und den unsäglichen „Bügel der Schande“, der das Kennzeichen und die sehr gewöhnungsbedürftig gestylte Blinker/Rücklicht-Einheit trägt. Das kann man so sehen. Umso mehr, weil sich der eng über das Hinterrad gespannte, geschlitzte Heckfender, was seine Schutzwirkung angeht, als völlig untauglich erwies.
Wir hatten schon bei der Präsentation das zweifelhafte Vergnügen, den Nassgrip der verbauten Michelin Scorcher wie auch den des griechischen Straßenbelags erkunden zu können. Das Ergebnis: Null Grip bei den Reifen, null Grip beim Straßenbelag, null Schutzwirkung des Heckfenders. Wir waren alle eingesaut bis hoch zu den Nacken, in meinem wasserabweisenden Rucksack stand danach Spritzwasser vom Hinterrad.
Der Luftfilter hätte kein bisschen kleiner sein dürfen
An der Front und von der Seite dagegen gibt’s gar nichts zu meckern, die Upside-Down-Gabel sieht klasse aus, die Lenkereinheit und die Instrumente sind schön arrangiert, so stylisch war bis dahin noch keine Harley. Und der viel diskutierte Luftfilter ist auch eine Wucht. Kein bisschen kleiner hätte er sein dürfen, dieser Schnorchel ist ein Statement, er passt diesem Hooligan-Motorrad wie die Faust aufs Auge. Mehr Machismo geht nicht!
Gleichwohl wir uns die beiden Lenkerhälften einen Ticken mehr zum Fahrer hin orientiert gewünscht hätten. Wobei wir schon beim Thema Ergonomie wären. Wie oben schon erwähnt, ist die FXDR mit einem Radstand von 1735 Millimetern sehr lang geraten. Klein gewachsene Fahrer haben ihre liebe Mühe mit der sehr aufgespannten Sitzposition. Selbst größere Fahrer müssen weit nach vorne greifen, was in Tateinheit mit den vorverlegten Rasten eine recht versammelte, klappmesserartige Haltung verursacht. Der Oberkörper ist in jedem Fall leicht nach vorne gebeugt, langsames Fahren oder sehr weite Strecken werden so ziemlich anstrengend.
Körperbetont Fahren ist angesagt
Bei Geradeausfahrt ist die FXDR angenehm. Ab zirka 60 Sachen wird der Oberkörper vom Winddruck entlastet, dann ist alles fein. Auch bei sehr weiten Kurven gibt sich das Fahrwerk einigermaßen neutral, so kannte man das schon von der Breakout und den späten V-Rods. Sobald es aber in enge Wechselkurven geht, versteift sich das Bike, als wollte es sich gegen die Schräglage wehren. Der Fahrer muss deutliche Einlenkimpulse geben, weil die Fuhre sich ständig aufstellen will. Recht körperbetont zu fahren ist kein Fehler auf der FXDR. Schuld an der Widerspenstigkeit ist die vom Werk aufgezogene Bereifung. Die OEM-Breitreifen beweisen seit Jahren, dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen ist. Eine Umbereifung, beispielsweise auf Metzelers Cruisetec, bewirkt eine deutliche Verbesserung des Handlings.
Immerhin: Die FXDR kann Schräglage. Nicht wie eine Duc oder eine KTM, aber für eine Softail geht da schon richtig was. Auch die Bremsen sind standfest und der Lage jederzeit gewachsen. Die Gabel arbeitet unauffällig und sauber, am Heck könnte etwas mehr Milde herrschen, denn das Federbein hat zwar mit 86 Millimetern keinen üppigen, aber durchaus ausreichenden Federweg, ist aber ganz schon straff abgestimmt. Schlaglöcher sollte der FXDR-Fahrer meiden, die Lendenwirbel werden es ihm danken.
Harley-Davidson FXDR 114 – Vorsicht bei Nässe!
Bei einer richtig nassen Fahrbahn hätte man sich angesichts der 160 Newtonmeter Drehmoment, die der fantastisch elastische Milwaukee-Eight zu drücken in der Lage ist, zuweilen das elektronische Helferlein Traktionskontrolle gewünscht. Klar geht das auch mit einer sensiblen Gashand, aber mit der dicken Walz und dem üppigen Huf in Kombination mit den miesen Reifen kommt man doch recht schnell ins Schlingern.
Fazit: Die FXDR polarisiert. Entweder man mag sie oder man kann sich gar nicht mit ihr anfreunden. Und offensichtlich war Letzteres bei den meisten Harley-Fans der Fall. Sonst wäre das Modell nicht schon nach zwei Jahren wieder eingestampft worden. Und wer jetzt denkt, die FXDR müsse ja dann gebraucht ein echtes Schnäppchen sein, der irrt. Die Second-Hand-Preise bewegen sich nahezu auf Neupreis-Niveau. Unter 20.000 Euro geht nichts.