Harley-Davidson Shovelhead – FLH-Bobber



Wenn ein Bike die hochtrabende Charakterisierung „mehrere Alleinstellungsmerkmale“ verdient hat, dann dieser auf den allerersten Blick recht brav wirkende Bobber. Doch diese Harley-Davidson Shovelhead hat es an vielen Ecken wirklich faustdick hinter den gravierten Motor-Covern.

Es war kein leichtes Zusammenkommen. Calle Kunkel kontaktierte uns per E-Mail und teilte uns mit, er sei der Bruder von Volker Kunkel, von dem wir schon das ein oder andere Custombike veröffentlicht haben. Direktes Kopfnicken unsererseits, Volker und seine selbstfahrende und -schraubende Frau Tanja hatten wir ein paar Jahre zuvor während der Mallorca Bike Week kennengelernt, unsere Ohren waren also gespitzt, denn das Pärchen baut cooles Zeug.

Die Zylinderköpfe und deren Kipphebelabdeckungen sind originale H-D-Teile. Das Thema der Gravuren geriet hübsch technisch

Calle berichtete, dass er mit Bruder Volker einen Bobber gebaut habe und legte mit Beispielbildern nach. Unser Daumen ging nach oben, bloß wie herankommen an das Bike, denn Calle wohnt – von uns aus gesehen – hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, genauer im Südschwarzwald, aber auf der uns abgewandten östlichen Seite. Dann wurde es noch komplizierter, denn der Wahl-Badener verkündete, er werde jetzt erst einmal mit dem Bike auf Achse zum „Wheels and Waves“ nach Biarritz brummen. Danach haben wir eigentlich nichts mehr von ihm gehört, bis  Calle irgendwann wieder anklopfte und meinte, das Bike sei jetzt endgültig ausgereift. Na endlich, wir verabredeten uns postwendend zum Fotoshooting in Mannheim.

Eineiige Zwillinge ticken ja bekanntlich ziemlich gleich

Beim ersten Zusammentreffen in Mannheim gab’s dann noch einen kleinen Aha-Effekt, denn Calle kam mir irgendwie bekannt vor. „Sag mal“, sagte ich, „du gleichst deinem Bruder Volker irgendwie brutal!“ „Ja, kein Wunder“, war die Antwort, „wir sind Zwillingsbrüder.“ Das war dann also auch geklärt. Und tatsächlich konnte ich an dem ganzen Bike die stilis­tische Handschrift von Volker wiedererkennen. Eineiige Zwillinge ticken ja bekanntlich ziemlich gleich, somit ist es keine Überraschung, dass der Custombike-Geschmack der beiden Brüder sich stark ähnelt.

Calle machte schon etliche große Touren mit dem Bobber, beispielsweise zur H-D-Party nach Prag

Beim näheren Betrachten waren es dann die vielen kleinen Details und versteckten Gimmicks an Calles Bobber, die mich für das Bike eingenommen haben. Da ist zum Beispiel diese total cleane obere Gabelbrücke, in die blitzsauber ein winziges Instrument und ein paar vom Gesetzgeber geforderte Kontrollleuchten eingelassen sind. So clean kann das aber alles nur sein, weil die Burschen den Lenker (Achtung: Alleinstellungsmerkmal eins) doch tatsächlich um zirka hundert Grad gekippt vor die Gabelbrücke geschraubt haben.

Die Geberzylinder für Kupplung und Scheibenbremse sind versteckt

Doch damit nicht genug, es folgt Alleinstellungsmerkmal zwei, denn die Geberzylinder für Kupplung und Scheibenbremse sind nicht zu sehen. Nur wenn man es weiß, kann man von außen erahnen, wo sie stecken. Calle und Volker haben die Hydraulikeinheiten in dem Raum zwischen den Gabelbrücken versteckt und das Ganze piekfein verkleidet. Im Zuge dessen entstand auch die Lampenmaske und die Verkleidung der Gabelholme in Eigenregie. Untenherum benutzten die Brüder die Tauchrohre einer Dyna Wide Glide, deren Innenleben sie aus technischen Gründen ändern mussten, Front- und Heckfender sind selbst gemacht.

Die hydraulischen Geber von Kupplung und Bremse wurden fein säuberlich im Zwischenraum der Gabelholme versteckt

Zündschloss und Anlasserknopf sind jeweils rechts und links fast unsichtbar unter dem Solositz im Rahmen verbaut, eine im Primärkasten untergebrachte „m.unit blue“ von Motogadget sorgt dafür, dass die gesamte Elektrik im Lot arbeitet. Apropos Elektrik: Natürlich darf eine säuberlich versteckte, aber dennoch gut zugängliche USB-Buchse nicht fehlen, und eine andere Buchse zum Batterieaufladen duckt sich hinten unterm Primärkasten unter einer wasserdichten Kappe. Der Benzintank einer Jawa 559 hat natürlich nicht auf den Harley-Rahmen gepasst. Der Tunnel musste entsprechend angepasst werden, bei der Gelegenheit wurde eine Tankanzeige und ein elektrischer Benzinhahn installiert.

Der Shovelhead wurde bis auf die letzte Schraube zerlegt

Zum Motor nur so viel: Das 1340 Kubikzentimeter große Aggregat wurde – das ist für Volker Ehrensache – bis auf die letzte Schraube komplett zerlegt und dann mit guten Brocken wiederaufgebaut: Die Kurbelwelle stammt von S&S, das Gehäuse von STD, Jims lieferte die Stößel. Die Zylinderkopfdeckel aber sind originale Harley-Teile. Die wurden poliert und anschließend graviert. Der hübsche, parallel verlegte 2-in-2-Fishtail-Auspuff aus Edelstahl ist ein Eigenbau der Kunkel-Twins. Dann wollen wir mal hoffen, dass es den Brüdern bald wieder zu langweilig wird an den langen Winterabenden, denn Material wie dieses würden wir gerne öfter präsentieren können.

 

Technische Daten
Modell Harley-Davidson FLH
Baujahr 1958
Erbauer Calle und Volker Kunkel

Motor/Getriebe
Typ Shovelhead
Hubraum 1340 ccm
Kurbelwelle S&S
Zylinder S&S
Kolben S&S
Zylinderkopfdeckel orig. H-D, poliert und graviert
Rollenstößel Jims Stößel mit S&S-Hydraulikeinheit
Nockenwelle Andrews J-Grind
Kurbelgehäuse STD
Zündung MTZ-1 Single Fire mit Dyna Mini-Zündspulen
Vergaser S&S Super E Shorty
Luftfiltergehäuse Bench Mark Omligo AirCleaner
Auspuffanlage Edelstahl 2″ Eigenbau 2-in-2 mit angeschweißten Fishtails und HP-Plus-Dämpfereinsätzen
Getriebe orig. H-D Vierganggetriebe mit verlängerter Kickerwelle und hydraul. Geber von RevTech
Primärtrieb 1 1/2” Zahnriemenantrieb
Primärcover RSS Ribbed, poliert
Kupplung Barnett Aramid-Scheibensatz mit 10-Loch-Federplatte
Fahrwerk
Rahmen orig. H-D FLH-Rahmen, Bj. 1958
Gabelbrücke FLH, modifiziert
Standrohre FLH 2″ tiefer gelegt
Tauchrohre FXWG, stark modifiziert
Schwinge orig. H-D Rundschwinge
Räder vo. und hi. 3,5 x 16″, 80 Speichen VA
Bereifung vo. und hi. 5,00 x 16″
Bremsen vo. und hi. PM Vierkolben-Bremssattel
Zubehör
Benzintank Jawa 559, Tunnel modif., mit Tankanzeige und elektrischem Benzinhahn
Öltank Alu rund mit Rippen, Anschlüsse angepasst
Fender Eigenbau
Lenker 1 Zoll Dragbar 95 cm angepasst mit angeschweißtem Eigenbau-Riser
Lenkergriffe KustomTech zum Anschweißen
Handhebel KustomTech
Fußrastenanlage RST
Instrumente Motogadget Motoscope mini, Kontrollleuchten als Mini-LED in Gabelbrücke verbaut
Rücklicht Highsider LED Mono
Elektrik Motogadget m.unit blue im Primärkasten
Special Hauptbremszylinder für vordere Bremse und Kupplung modifiziert und in Gabelbrückenzwischenraum verbaut

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Fotos: Tobias Kircher
Fotos sind urheberrechtlich geschützt

Kommentare

4 Antworten zu „Harley-Davidson Shovelhead – FLH-Bobber“

  1. Avatar von Andreas Krause
    Andreas Krause

    Die Linienführung ist mir zu unruhig, Tank und Sitz stehen nicht stimmig zueinander.

    1. Avatar von Volker Kunkel
      Volker Kunkel

      Hallo Andreas
      Mir fehlt bei Deiner Kritik eine genaue Begründung. In welcher Form wirken Sitz und Tank unruhig und unstimmig. Mir ist beim Bau eines Moppeds immer die Silhouette das wichtigste. Das Motorrad sollte ansonsten unscheinbar wirken. Würde mich über eine genaue Begründung, aus Deiner Sichtweise freuen. Gruß Volker

      1. Avatar von Andreas Krause
        Andreas Krause

        Ist meine sehr subjektive Sichtweise. Ich mag es, wenn der Übergang zwischen Tank und Sitz fließend sind, ohne „Buckel“. Liegt vielleicht daran, dass ich tendenziell eher Dragstyler mag und nur selten Bobber. ? Aber egal, du hast ein cooles Bike gebaut, dass sicher bei jedem Bikertreff ein Eyecatcher ist. Und ganz nebenbei fahrbar. Respekt.LG Andreas

        1. Avatar von Carsten Kunkel
          Carsten Kunkel

          Das finde ich mal eine faire und coole Antwort. Es muss einem auch nicht alles gefallen, aber Respekt vor der Arbeit.. find ich Klasse ?

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