Niemand hätte gewollt, dass dieser mexikanische Chopper mit seinem Knucklehead in Dänemark verheizt worden wäre.

Es war dumm gelaufen. Als Lothar Schmidt von Harley-­Davidson Berlin seine Knucklehead ins Dragrace des Rømø Motor Festivals schicken wollte, fehlte ihm die passende Fahrerlizenz. Wohlgemerkt: Als alter Dragster-Treiber hat Lothar die höchste Lizenz, die man in der Branche haben kann, die Lizenz der FIM (Fédération International Moto­cyclisme), mit der man sonst überall durchkommt. Nur die Dänen wollten was anderes und ließen ihn nicht an die Startlinie. „Das war ziemlich frustig“, klagt Lothar heute. Er hätte sich so sehr eine „Competition“ gewünscht.

„Der Bursche hat wohl Geld gebraucht“

Nun, wir schicken seine Knuckle bei dieser Gelegenheit gerne ins Rennen, wenigstens in ein fotografisches. Und überhaupt hat sie sowieso schon genug von der Welt gesehen. Es begann mit einem Verhandlungsgespräch mit einem Mexikaner im texanischen Houston. „Der Bursche hat wohl Geld gebraucht“, freut Lothar sich heute. Man wurde sich jedenfalls schnell einig. Das Bike hatte einen „Title“, also ordentliche Papiere, machte einen ebenso ordentlichen technischen Eindruck, und vor allem hatte es eine wahnsinnige Lackierung, die sich umgehend ins Auge brannte. Da kann auch ein Mann mal ganz Frau sein und nach der Farbe entscheiden …

Der gerakte Lenkkopf streckt den Radstand um zehn Zentimeter

Fahrbereit war es nicht. Es handelte sich um das, was die Amis ein „Basket Case“ nennen. Man kauft also was im Körbchen, und erst wenn man es daheim auspackt, weiß man, ob es funktioniert. Es funktionierte wirklich. In ­ihrer Berliner Werkstatt nahmen die ­Harley-Spezialisten den Motor auseinander. Der war zwar an einer Stelle geschweißt, aber dicht, und ansonsten tatsächlich in einem Top-Zustand. So begann das Projekt des mexikanischen Choppers.

Wegen fehlender Kreuzbänder: Knucklehead mit E-Starter

Dringend erforderlich war die ­Umrüstung der Elektrik auf 12 Volt. Das musste sein, weil Lothar wegen fehlender Kreuzbänder nur noch ungerne Motoren antritt. Jetzt befindet sich ein elektrischer Anlasser versteckt hinter dem Getriebe. Damit einher ging eine Renovierung der Zündung, die nun nicht mehr mechanisch verstellt wird, sondern per Fliehkraftregler. Der Anlasser greift nicht links, sondern auf der rechten Seite in das Zahnrad des Kickstarters. „Ein holländisches Prinzip“, sagt Lothar, „und vor allem funktioniert es immer: Du musst den Anlasser nur angucken, dann springt die Maschine an!“

Das Zündschloss befindet sich vor dem Getriebe

Übertragen wird die Kraft nun über einen gekapselten zweizölligen Belt auf eine Trockenkupplung mit Zentralfeder. Die rasselt leider nicht, was ja immer einen schönes akustisches Erlebnis abgibt. Aber sie greift mit Biss und hätte in Rømø sicher für eine gute Performance gesorgt. Die Abstimmung der Mousetrap-­Mechanik besorgte nämlich Franky, ein 76-jähriges Urgestein im Hause Classic Bike Berlin. Er ist der Mann, der schon in den Siebzigern Harleys auf Sekundär-Belt umrüstete, und er ist der Mann, dem man heute noch eine unberechenbare Mousetrap anvertrauen kann. Er findet immer den richtigen Druckpunkt.

Ein S&S-Vergaser bringt dem Knucklehead den Rundlauf bei

Dem Knucklehead brachten die Classic Biker mit einem S&S-Vergaser den Rundlauf bei. Das war ein bisschen kompliziert, mit einem originalen Linkert wäre es vielleicht einfacher gewesen, aber es darf eben nicht immer einfach sein. Am Fahrwerk modifizierten die Berliner nichts. Es stellte sich heraus, dass der Lenkkopf schon mal mit Rake versehen worden sein muss, das aber lange vor dem Export nach Germany.

Gut versteckt: Der Anlasser steckt hinter dem Getriebe

Der Radstand war gar zehn Zentimeter länger als im Original, der Nachlauf aber stimmte, was der offensichtlich sorgsam darauf abgestimmten Springergabel von Paughco zu verdanken ist. Und der Lack, nun, der Lack war so wunderbar, dass daran kein Finger gerührt wurde. Niemand weiß, welcher Künstler hinter dieser Lackierung steckt, aber der Name des Bikes war damit schon mal klar: The Orange Beauty!

Mit zahmen 40 Pferdchen zum Dragstrip?

Den richtigen Druckpunkt der Schönheit konnte Franky in Rømø nun leider nicht unter Beweis stellen. Ein mexikanischer Chopper im Rennfeld von historischen Originalheimern, das wär ein Auftritt gewesen! Natürlich nur ein Auftritt für die Show, denn die EL-Version der Knuckle mit ihrem knappen Liter Hubraum und zahmen 40 Pferdchen in der hinteren Hufe hätte an der Ziellinie sowieso niemandem die Butter vom Brot gezogen.

Kick it! Lothar mag’s oldschool. Wenn’s drauf ankommt, kann er auch kicken!

So ging es unterm Strich doch ganz gut aus. Der Chopper hätte auf dem Drag­strip ja auch verheizt werden können. Stattdessen ist er für unsere Fotostrecke erhalten geblieben. Davon haben ein paar mehr Leser was als diese halsstarrigen Dänen, die keine FIM-Lizenzen akzeptieren.

Info | classic-bike.de