Vom Low-Budget-Bobber zum Cafe Racer: Manchmal muss man flexibel sein, wenn die Dinge anders laufen als geplant. Jochen hat seine Harley-Davidson Fat Boy kurzerhand in eine flotte Fahrmaschine mit eingebautem Spaßfaktor verwandelt.
Blech, beziehungsweise Metall, ist sein Ding, und deshalb heißt Jochens Firma auch „Blechfee“. In der Regel baut er für Kunden Motorräder um oder fertigt selbst entwickelte Parts an. Selten kommt er dazu, eigene Projekte anzugehen und umzusetzen. Doch hin und wieder packt es ihn und die Energie fließt dann in ein eigenes Bike.
Harley-Davidson Fat Boy als Cafe Racer
„Ehrlich gesagt hatte ich schon eine ganze Weile die Idee von einem Low-Budget-Bobber, doch irgendwie kam es dann ganz anders. Die Basis, die ich mir ursprünglich für mein Projekt ausgesucht hatte, hat leider nicht gehalten, was sie versprochen hatte.“ Entsprechend hatte Jochen die Wahl, es einfach bleiben zu lassen oder sich etwas anderes zu überlegen. Warum also nicht einen coolen Cafe Racer auf Softail-Basis bauen, schließlich ist die Rahmenkonstruktion eine echte Herausforderung, um auch nur annähernd die gerade Linie dieser populären Motorradkategorie hinzubekommen.
Die 2001er Fat Boy, die Jochen ersteht, muss dafür herhalten, auch wenn einige das für eine Vergewaltigung einer Ikone halten mögen. Egal, gebaut wird, was gefällt und mit dem 88 Cubic Inches großen Twin Cam, der zudem noch über einen Vergaser statt Benzineinspritzung verfügt, ist der passende Antriebsstrang vorhanden, auch wenn er für Jochens Geschmack etwas schwach auf der Brust ist. „Das Bike sollte nicht nur schnell aussehen, es sollte schon etwas mehr Dampf als das Original haben“, so Jochen.
Harley-Davidson Fat Boy mit Big-Bore-Kit
Ein Big-Bore-Kit mit größeren Zylindern, Kolben und anderen Ventilen hebt den Hubraum auf 95 Cubic Inches, umgerechnet ins Metrische sind das 1550 Kubikzentimeter. Zusammen mit dem Stage-1-Kit des Serienvergasers drückt der Zweizylinder nun rund 85 PS auf die Kurbelwelle. Genug, um Jochens Ansprüchen gerecht zu werden.
Am Chassis standen ebenfalls tiefgreifende Modifikationen an. Das Frontend wurde gegen das einer Harley-Davidson Street Bob getauscht. „Die Gabel ist dicker und schmaler, abgesehen davon wollte ich nicht, wie üblich bei vielen Cafe Racern, eine Upside-down-Gabel verwenden.“ Neben den Gabelbrücken findet auch die vordere Bremszange der Street Bob ihren Weg ans Bike.
»Eine durchgehend gerade Linie wäre zu extrem gewesen«
Der Tank wurde um etwa acht Zentimeter geschmälert und hinten erhöht. Zusätzlich erhielt er einen außenliegenden Schlauch als Benzinstandsanzeige, ein anderer Schlauch fungiert als Tankentlüftung. Am Rolling Chassis, in das Jochen die vorhandenen Räder einpasste, legte er die endgültige Linie seines Racers fest. „Eine durchgehend gerade Linie, die man von Café Racern gewohnt ist, kam nicht in Frage. Das wäre zu extrem gewesen. Darum habe ich beim Heckumbau den Schwung der unteren Tanklinie aufgenommen und das Ganze aufeinander abgestimmt.“
Viele Teile musste Jochen für seinen Aufbau nicht hinzukaufen, denn das meiste hatte er bereits im Regal liegen. „Stummellenker waren natürlich obligatorisch, aber da hatte Wunderkind-Custom passende Parts auf Lager.“ Das Gesicht bildet ein V-Rod-Scheinwerfer, für den Jochen eine eigene Lampenmaske fertigte. Flach, wie er betont, damit Technik und Frästeile gut zu sehen sind. „Die Instrumente wollte ich allerdings abgedeckt haben.“
Harley-Davidson Fat Boy mit V-Rod-Endtopf
Als Auspuffanlage blieben die bereits vorhandenen Krümmer von „Vance & Hines“ erhalten. Doch welchen Endtopf nehmen? „Ich wollte unbedingt die 2-in-1-Anlage beibehalten, weil sie perfekt passt. Die zündende Idee hatte dann Markus Bürklin vom Werk Mannheim, der mich darauf hingewiesen hat, dass ein V-Rod-Endtopf den gleichen Durchmesser für den Anschluss hat.“
So einfach wie bestechend, doch die riesige Serientüte kommt für Jochen überhaupt nicht in Frage. „Darum habe ich das Teil auf ein passendes Maß gekürzt und extra einen Katalysator eingeschweißt.“ Weil Jochen halt die Blechfee ist, baute er sich gleich noch einen seitlichen Kennzeichenträger sowie einen neuen Frontfender. „Ganz ohne Schutzblech war mir die Front zu leer, deshalb gibt es jetzt eine minimalistische Abdeckung.“
Mit Mid-Controls war der Kniewinkel zu spitz
Kein großer Aufwand für den Fachmann, dafür raubte ihm die Fußrastenanlage ein wenig Zeit. „Es war nicht einfach, etwas Passendes zu finden. Die Mid-Controls der Street Bob waren für meine Körpergröße zu unangenehm. Auch wenn sie super ausgesehen hätten, der Kniewinkel wäre für mich zu spitz. Aber die Fußrastenanlage der Softail Standard hat mein Problem sehr gut gelöst.“
Nach rund drei Monaten Bauzeit stand die Lackierung an. Aber welche Farbe passt am besten zum Konzept? „Ursprünglich wollte ich einen Blauton, etwas, das wie eloxiert wirken sollte. Nach Gesprächen mit Lackierer Chiko war aber klar, dass das Farbschema nicht umzusetzen war. Grün schied auch aus, da schon zwei meiner Bikes diese Farbe hatten, und Gelb oder Rot sind überhaupt nicht mein Ding.
Eigene Interpretation von Harleys Farbschema
Letztlich haben wir uns für ein Schwarz-Orange in Verbindung mit Aluminium-Silber entschieden.“ Eine gelungene Kombination, die darüber hinaus auch die Farben von Harley-Davidson auf ihre ganz eigene Weise zitiert. TÜV gab’s als Zugabe, damit der Spaß nicht nur aufs Sehen beschränkt bleibt.
Info | blechfee.de
Schreckliche Verschandelung eines Traumbikes. Um so auszusehen hätte ein Billigbike z.B. eine 1 Zylinder Maschine aus Japan genügt. Sieht aus wie zig andere Cafe Racer.