Boardtrack Racing ist ein wahnwitziger Sport, und einige Enthusiasten wie Billy Lane arbeiten mit Herzblut daran, den in Vergessenheit geratenen Irrsinn wiederzubeleben. Ohne Bremsen in die Steilwand – ab dafür!
Billy Lane ist zurück in seiner Werkstatt, zurück mit kreativen Ideen, die ihn zurück in positive Schlagzeilen gebracht haben. Es geht um die Rückkehr des Boardtrack-Racings auf die Rennstrecken der USA. Vor fünf Jahren feierten die klassischen Motoren in neuen Boardtrack-Fahrwerken während der Daytona Bike Week ihre Premiere: Auf dem New Smyrna Speedway, etwa 25 Meilen südlich von Daytona Beach gelegen.
Comeback des Boardtrack Racings
Sie sehen aus wie eine Mischung aus Top Fuel Dragbike und einer Replik eines antiken Rennmotorrads aus der Pionierzeit des Motorsports: Eine gutes halbes Dutzend fertig aufgebauter „Sons of Speed“-Racer steht auf der großzügig bemessenen Werkbank in Billys Shop, in Sicherheit gebracht vor den massiven Regenfällen und Sturmböen eines Hurricans der auch hier – einige Meilen von der Atlantikküste entfernt – Straßen geflutet und die Vegetation gelichtet hat.

Billys neue Werkstatt ist kein öffentlicher Custombike-Shop wie seine alten Locations, wo er seine legendären Chopper auf die Räder stellte. In der Werkstatt empfängt er nur geladene Besucher und konzentriert sich auf seine Arbeit. Und das Boardtrack-Projekt, das einen Großteil seiner Zeit auffrisst. Billy Lane hat noch immer einen Namen in der amerikanischen Customszene und zieht Besuchermassen.
Spezielle Rennfahrwerke, ausgestattet mit Pre-1925-V-Twins
Seine ersten Auftritte bei der „True Grits“ Classic Bike Show, organisiert von seinem Bruder Warren und Bill Dodge, waren noch zurückhaltend, doch schon da blitzten die Ideen auf, die er endlich realisieren wollte. Sein Plan ist das wohl herausfordernste Konzept der letzten Jahre, denn Billy dachte an nichts Geringeres als die Rückkehr der klassischen Boardtrack-Rennen in die heutige Motorsport-Szene der USA. Und wem das noch nicht verrückt genug klingt: Er baute auch die für den Start der Rennserie notwendigen Maschinen!

Spezielle Rennfahrwerke, ausgestattet mit „American-made“-V-Twins aus den Baujahren vor 1925, für viele amerikanische Biker DER typische Rennmotor der Boardtrack-Ära. Was die Sache nicht vereinfacht, ist die Tatsache, dass komplette Motorräder aus der Pionierzeit des Motorradbaus in den USA gerade als Geldanlagen teuer gehandelt werden, auch Motoren sind in den Preisstrudel nach oben gesaugt worden und gelten als Sammlerobjekte. Dazu Billy Lane: „Die frühen Motoren waren bisher eher unbeachtet und nur für einen kleinen Kreis von Sammlern und Enthusiasten von Interesse. Doch die Welt ist kleiner geworden und damit auch die Funde von solch frühen Motoren seltener. Heute braucht man, um so einen Motor zu bekommen, nicht nur gute Beziehungen, sondern auch eine Menge Geld.
Boardtrack Racing ohne Netz und doppelten Boden
Dazu kommt, dass es nur noch wenige komplette Motoren gibt. Wer so ein Aggregat besitzt, weiß es zu schätzen und kennt seinen Wert. Es sind Sammlerstücke geworden, die Preise werden so schnell nicht mehr fallen.“ In weiser Voraussicht sicherten sich Billy und sein in Miami beheimateter Bruder Warren schon vor dem großen Boom eine gewisse Anzahl an klassischen US-Bikes und auch einzelne Motoren. Und sie sind nicht allein. In den USA gibt es Sammler und Besitzer von Antik-Bikes, die ihre Motoren gerne noch einmal auf einer Rennstrecke sehen und hören würden, vorzugsweise mit sich selbst im Sattel.

Oder der mittlerweile groß gewordene Nachwuchs möchte nachempfinden, wie es sich anfühlte, in den 10er und 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ohne „Netz und doppelten Boden“ mit schnellen Motorrädern unterwegs zu sein. Dass weder Vater noch Sohn jemals eine Chance hatten, die „Golden Years of Motorcycle Racing“ wirklich zu erleben, spielt dabei keine Rolle: Was zählt, ist die Illusion. Genau für diese Klientel hat Billy Lane seine innovative Idee entwickelt: Ein „Rolling Chassis“ als Basis für einen modernen Boardtrack Racer, in welchen die Motoren schnell eingebaut und gewechselt werden können.
Neues Chassis, alte Motoren, irrer Spaß
Billy: „Komplette Bikes aus der Zeit vor 1935 sind Raritäten. Viele wurden während der Depression über die Limits hinaus genutzt und dann verschrottet. Die Uralt-Technik war empfindlich, die Straßen rau. Information zu Wartung und Erhaltung selten und das Motorrad wurde als Gebrauchsobjekt gesehen. Wenn die Chassis die damaligen Zeiten nicht überlebten, behielten die Besitzer manchmal den Motor. Als Antrieb für Maschinen, Generatoren oder nur als Ersatzteilquelle. Weshalb auch heute noch ein Überschuss an Motoren existiert, für den es keine Fahrwerke gibt. Dieses Problem habe ich mit dem ,Sons of Speed‘-Fahrwerk gelöst.

Statt den ganzen Planeten nach alten Teilen abzusuchen, habe ich beschlossen, eine moderne Version jener Fahrwerke zu bauen, die vor knapp hundert Jahren diese Motoren zu Ruhm auf der Rennstrecke brachten. Heutige moderne Materialen erlauben es zudem, eine leichtere, schnellere und zudem preiswertere Version der spektakulären Racer zu bauen, die in den Jahren zwischen 1909 und 1930 die Massen so begeisterten.“
Die Regeln für Sons of Speed sind einfach
Wie im Top-Fuel-Dragster-Sport ist das Fahrwerk in blankem Metall ausgeführt, um Rahmen, Schweißnähte und alle belasteten Teile des Rahmens permanent nach Rissen und Abnutzungen zu kontrollieren. Keine Federung vorn und hinten – außer der Luft in den Reifen, die beim heutigen Stand der Reifentechnik glücklicherweise mehr Sicherheit bieten als die Schluffen, die in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf die Felgen der Rennmaschinen aufgezogen waren. Während die Rahmen mehr oder weniger identisch sind, werden Tank und Bodywork an den Stil des früheren Motorradherstellers angepasst. Die Triebwerke selbst sind mittels individuell angefertigter Motorhalter am Rahmen montiert Das garantiert nicht nur schnellen Ein- und Ausbau, sondern auch eine Verwendung von Triebwerken verschiedener Hersteller in ein und demselben Fahrwerk ermöglicht.

„Die Regeln für Sons of Speed sind einfach und von den über hundert Jahre alten Regularien abgeleitet. Der New Smyrna Speedway ist eine um zwanzig Grad geneigte 1/2-Meilen-Rennstrecke mit Asphalt“, erklärt Billy, „die Motoren müssen vor 1925 gebaute 1000-ccm-Twins sein. Die Motorräder haben kein Getriebe, keine Kupplung und keine Bremsen. Die Fahrer ziehen ein Los für ihre Startaufstellung. Gestartet wird das Rennen mit einem fliegenden Start, die Fahrer starten hinter einem Pace-Motorrad, das die Strecke vor dem Winken der grünen Flagge an der Startlinie verlässt. Der erste Fahrer, der die Zielflagge sieht, gewinnt. Gefahren werden zwei 5-Meilen-Läufe je zehn Runden, jeder Lauf mit vier Fahrern auf der Strecke. Der jeweils Erst- und Zweitplatzierte der Vorläufe rückt vor in den Finallauf, der als 10-Meilen-Rennen über zwanzig Runden ausgetragen wird.“
Keine Bremsen und noch nicht einmal ein Gasgriff
Was neben Kupplung und Bremse an den frühen Rennmaschinen ebenfalls fehlte, ist ein Bauteil, das man heute an keinem Motorrad missen möchte: der Gasgriff. Die frühen Boardtrack-Rennmotoren arbeiteten mit fest eingestelltem Vergaser, die Leistung des Triebwerks wurde lediglich durch Verstellung des Zündzeitpunkts und „Dead-man Switch“ zur Unterbrechung der Zündung gesteuert. Nach dem Start gab es nur alles oder nichts. Dennoch waren die Fahrer nicht arbeitslos: Während sie kontinuierlich um die beste Position stritten, musste die Zündung reguliert und der Motor durch eine Handpumpe mit Öl versorgt werden.

Jede Nachlässigkeit könnte in reduzierter Leistung oder Motorausfall enden. Zumindest in diesem Punkt sind Billys antike Rennmotoren auf einem höheren Sicherheitslevel: Moderne Vergaser erlauben eine Steuerung per Gasgriff. Und auch die anfälligen Magneten sind durch Batteriezündung ersetzt. In den meisten Lane-Racern sind zudem nicht die flammenspeienden Alkohol-V-Twins der 10er und 20er Jahre montiert, sondern deren eher zahme Alltagsversionen wie die IOE-gesteuerten „J“-Modelle von Harley-Davidson.
Antike Rennmaschinen gehen auch in Deutschland an den Start
Was ihnen an Spitzenleistung fehlt, machen sie durch höhere Lebenserwartung wieder gut, selbst unter Rennbedingungen. Nur wenige und gut betuchte Enthusiasten würden ihre echten Boardtrack-Racer in so einem Rennen riskieren! Ziel von Billy ist ein 16-Starter-Feld für die große Klasse der V-Twins und eine zusätzliche Klasse für Einzylinder. Vielleicht findet sich in einer nicht so fernen Zukunft sogar ein Motorenhersteller, der die Serie mit Triebwerken versorgt?

Ob der Ruf auch von der europäischen Boardtrack-Gemeinde gehört wird? Vom Rest der Welt unbemerkt rollen nämlich bereits seit 2005 Freunde antiker Rennmaschinen in privaten Meetings durch die steilen Wände alter Rennstrecken. In Bielefeld, in Darmstadt und einmal sogar – in Hannover – auf Holz! Thomas Trapp von der Harley-Factory Frankfurt und sein Sohn Eric, aber auch Thomas Bund, der mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben hat, sind ausgewiesene Experten, selbst auf 49 Grad überhöhten Bahnen. Sie wissen, welche Gefahren in der steilen Wand lauern, und sie kennen die Probleme mit alten Motoren. Weshalb sie ihre Maschinen auf den alten Rennstrecken auch nur zu Demonstrationsfahrten nutzen. „Alles andere wäre viel zu gefährlich!“
Eine Zukunft für’s Boardtrack Racing …
In den USA sieht man das wohl anders. Billy Lane glaubt nicht nur fest an das Publikumsinteresse, sondern weitet seinen bereits beeindruckenden Rennstall weiter aus. In Zukunft sollen die Rennmaschinen vielleicht sogar an interessierte Renn-Enthusiasten vermietet werden. Für Billy Lane nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern eine Angelegenheit, in der viel Herzblut steckt. Und echter Enthusiasmus! Wird Boardtrack-Racing in den USA eine Zukunft haben?
Info | facebook.com/thesonsofspeed






Toller interessanter Bericht, viele hübsche Pics, Stefan Bund und Thomas Trapp in besten Zeiten ;-), Thomas Bund auf Excelsior X Super Sport Bj. 1925 war das Highlight im Velodrom in Darmstadt, die Fan-Gemeinde der BT-Racer würde es sehr freuen wieder mehr BT-Racer auf der Bahn erleben zu dürfen, egal ob in Darmstadt, Bielefeld, Forst … Racers you Are The Show. Wir freuen uns auf euch ihr tollkühnen Helden. Grüsse vom Vollgas-Rennspass Thomas