Van-Hai Nguyen ist das Gegenteil eines Profi-Customizers. Umso erstaunlicher ist das stimmige Gesamterscheinungsbild seines mit wenigen Mitteln durchgeführten Umbaus einer Harley-Davidson Ironhead Sportster von 1976.

Van-Hai Nguyen, ein Allerweltsname für einen gebürtigen Vietnamesen, kam 1979 nach Deutschland. Er wuchs im saarländischen Gresaubach auf, wo er auch erste intensive Kontakte zur Motorradszene hatte, denn seine beiden deutschen Brüder gründeten dort den Motorradclub „Free Bikers“. „Jeden Nachmittag im Sommer standen die Motorräder der Kumpels vor unserer Haustür, sobald deren Schicht vorbei war. An den Wochenenden gab es Touren und ab und an war ich als Sozius mit dabei. Meine Füße erreichten gerade mal die Soziusrasten“, erinnert sich der Wahl-Berliner.

Hinten starr gelegt, vorn eine Springergabel verbaut: „Es ist die alte Technik, die so wohltuend entschleunigend wirkt. Das ist Motorradfahren pur.“

Trotzdem kam er jahrelang nicht dazu, sich ein eigenes Motorrad zu kaufen. 2009, nach einer seiner vielen Reisen nach Südostasien, wo er immer eifrig 125er fuhr, wollte er endlich ein eigenes Motorrad. Er erwarb eine nagelneue Triumph Scrambler. Ob das für den 1,66 Meter großen Mann die richtige Modellauswahl war, darf bezweifelt werden. Schon beim ersten Tankstopp misslang ihm nämlich die Nummer mit dem Seitenständer. Er kippte mitsamt der Scrambler um.

Verranzte 1976er Ironhead-Sportster als Basis

Gegen die zu hohe Sitzhöhe musste dringend etwas getan werden. So kam es, dass der viel zu hohe Heckrahmen abgeflext und durch einen niedrigeren ersetzt wurde. Der Grundstein für ein leidenschaftliches Hobby war gelegt. Der Umzug in die Bundeshauptstadt im Jahre 2010 läutete den Schritt in die Selbstständigkeit ein.

Die Ironhead-Sportster bekam ein starres Rahmenheck. „Die erste Fahrt war pures Vergnügen. Genau so habe ich mir Motorradfahren immer gewünscht”

Inzwischen mit einem ordentlichen Einkommen ausgestattet, erfüllte sich Van-Hai seinen lang gehegten Traum: ein schöner langhubiger Motor, Rahmen und zwei Räder. Seine Wahl fiel auf eine ziemlich verranzte 1976er Ironhead-Sportster. Deren dürftiger Zustand beim Kauf war ihm egal, Hauptsache, die Technik war okay.

Der Aufbau der Harley-Davidson Ironhead erfolgte im Keller

Zwei Tage nach dem Kauf war das Motorrad bereits im Hinterhof zerlegt und in den Mietshauskeller verbracht. Ein Bobber sollte daraus entstehen. Die Mehrzahl der originalen Anbauteile kam nicht mehr zum Einsatz. Der jetzige Tank stammt von einer MZ BK 350. Der hatte aber einen zu tiefen Tunnel, also musste der alte Tunnel rausgeflext und ein neuer eingeschweißt werden.

Mit der WL als Vorbild war eine Springergabel Pflicht

Van-Hais Bobber hat die WL als Vorlage, aber ausschließlich Teile von der zu verwenden, hielt er für keine gute Idee. Er wollte keine Kopie bauen. Stattdessen fertigte er entsprechende Teile selbst. Alles im Stil von damals und auch mit den alten Techniken. Viele Metallteile hat er selbst heiß brüniert, was in seinem 16-qm-Keller nicht ganz ungefährlich war. Auch die Behandlung von neuen Chromteilen war nicht ohne. Entweder ließ er neuen Chrom per Elektrolyse künstlich altern oder er benutzte Salzsäure.

Die Harley-Davidson Ironhead sollte keine WL-Kopie werden

Als der Bobber nach einem Jahr schrauben im Keller fertig war, trugen wir die Kiste zu fünft hoch in den Hof. Noch nie bin ich eine Harley gefahren, keinen Langhuber, und erst recht kein Motorrad mit starrem Heck. ‚Mach dir bloß kein starres Heck dran, das Ding ist dann unfahrbar. Du wirst es bereuen‘, waren die Töne aus meinem Umfeld.

Diese Art nach hinten gedrehte Ansaughutze stammt aus der Flathead- und Knuckle-Ära

Doch als der Motor dann tuckerte und ich drauf saß und den ersten Gang einlegte, war alles anders. Die erste Fahrt war pures Vergnügen. Genau so habe ich mir Motorradfahren immer gewünscht. Motorradfahren ist für mich einfach Benzingeruch, Vibrationen und das Reisen mit der Maschine. Es ist herrlich, die Ursprünglichkeit und vor allem Zeit und Entfernung wieder zu spüren. Wenn ich auf meinem Bobber sitze, ist das für mich stets eine Reise in die Vergangenheit, es ist die alte Technik, die so wohltuend entschleunigend wirkt. Das ist Motorradfahren pur!“