Der Name Henderson hat auch über 90 Jahre nach Einstellung der Produktion noch einen guten Ruf. Hier ein ganz seltenes Exemplar aus dem allerersten Produktionsjahr.

Die Firma wurde 1911 von den Brüdern William und Thomas Henderson in Detroit gegründet. Ihr Ziel war es, Motorräder mit Vierzylindermotoren zu bauen. Zwar produzierten zu dieser Zeit schon diverse amerikanische Hersteller Motorräder, diese hatten aber höchstens zwei Zylinder. Vierzylindermotoren wurden erstmals von der belgischen Firma FN in Motorrädern verbaut.

Henderson setzte von Beginn an auf Magnetzündung

Ab 1905 wurden ständig verbesserte Versionen von FN angeboten, ab 1908 waren diese auch in den Staaten erhältlich. Zwar war die FN „Four“ eine qualitativ gute Maschine, es fehlte dem nur 493 ccm großen Aggregat aber an Leistung. Auch der mit einem 696 ccm Motor ausgestattete Vierzylinder von Pierce, dies war das erste amerikanische Motorrad mit Reihenvierer, stand unter keinem guten Stern. Deren Benzintank war für längere Distanzen einfach zu klein; damals gab es eben noch nicht an jeder Ecke eine Tankstelle. Die Motorradsparte von Pierce ging deshalb im Jahr 1913 Pleite.

Diese Zahl steht für die Produktionsnummer. Hier sehen wir die 440ste Henderson

Diese Beispiele brachten die Gebrüder Henderson dazu, sich für einen kräftigen Motor mit 57 Kubikinches (= 934 ccm) Hubraum zu entscheiden. Die Ventile ihres Motors wurden schon mechanisch betätigt. Das war nicht selbstverständlich, denn bei der Konkurrenz waren teilweise noch sogenannte Schnüffelventile, die durch Unterdruck gesteuert wurden, im Einsatz. Und statt auf die damals gebräuchlichen Trockenbatterien setzten die Hendersons von Beginn an auf Magnetzündung.

Die ersten Henderson-Modelle kosteten 325 US-Dollar

Auch eine Kupplung war damals nicht selbstverständlich. Die Hendersons verbauten sie dennoch serienmäßig, obwohl die allerersten Modelle nur einen Gang hatten. Harley-Davidson führte ebenfalls 1912 die Kupplung ein; die kostete aber 10 Dollar Aufpreis, für die damalige Zeit eine Menge Geld.

Das von links kommende Gestänge legt den einzigen Gang ein

Die ersten Henderson-Modelle kosteten 325 US-Dollar. Ein Ford T war damals, je nach Aufbau, für rund 600 Dollar zu haben. Die Autos wurden durch verbesserte Fertigungsprozesse über die Jahre immer günstiger, Motorräder mit vier Zylindern blieben dagegen immer etwas Besonderes.

Ungewöhnlich – Der Sozius sitzt vor dem Fahrer

Der starre Rahmen der Henderson beeindruckt durch seinen langen Radstand. Zwei gefederte Einzelsitze für die Passagiere boten etwas Komfort. Der Sozius sitzt übrigens, anders als heutzutage, vor dem Fahrer. Der weit nach hinten gezogene Lenker führt um ihn herum.

Das Bild verdeutlicht, wie sagenhaft schmal dieses lange Vierzylinder-Motorrad ist

Vor dem weit hinten liegenden Motor sorgen breite Fußbretter für gute Abstützung. Beide davor herausstehenden Pedale bedienen die hintere Bremse. Zwischen den doppelt ausgeführten Oberrohren hat der lang gestreckte Tank sein Zuhause gefunden. Geschalten wird mit einem seitlich hochstehenden Hebel, an dem auch die Kupplungsbetätigung sitzt.

Es wurden zahlreiche Rekorde mit Henderson-Motorrädern aufgestellt

Die kraftvollen Motorräder verkauften sich sehr gut. Angefacht wurde der Run auf die Bikes durch die Berichte von Carl Stears Clancy, dem ersten Motorradfahrer, der eine Weltumrundung schaffte und mit einem der ersten ausgelieferten Henderson-Fahrzeuge über 18000 Kilometer zurückgelegt hat. In den Folgejahren wurden zahlreiche Rekorde mit Henderson-Motorrädern aufgestellt. Das belegte die Zuverlässigkeit der Konstruktion, die noch dazu über die Jahre ständig verbessert wurde.

Wie versteckt duckt sich der Einzelvergaser hinter den Zylinderköpfen

Doch alle Zuverlässigkeit verhinderte das Sterben der Marke nicht. Bereits 1917 verkauften die Gründer ihre Firma samt Namensrechten an den Fahrrad- und Motorradhersteller Ignaz Schwinn. Der erweiterte dadurch sein Programm und stellte die Vierzylinder-Bikes ab 1920 in Chicago unter dem Namen „Excelsior Henderson“ her. Im September 1931 war dann Schluss. Die Weltwirtschaftskrise hatte ein weiteres Opfer gefordert. Die Produktion wurde eingestellt, eine weitere Marke verschwand vom Markt.

Es gibt wohl weltweit nur noch sechs Exemplare dieser Henderson

Das hier gezeigte Modell mit der Seriennummer 440 gehört zur Sammlung von Frank Westfall, treuen DREAM-MACHINES-Lesern kein Unbekannter. Er hat mit Fahrzeugen aus seinem Bestand bereits erfolgreich an zahlreichen Rallyes teilgenommen. Um in den Besitz der 1912er Henderson zu kommen, musste er fünf andere seiner alten Motorräder verkaufen.

Hat viel für diese 1912er Henderson geopfert: der stolze Besitzer Frank Westfall

Über den Preis schweigt er zwar, er dürfte aber im sechsstelligen Bereich liegen. Dafür erhielt er ein Bike, von dem es seines Wissens nach nur noch sechs Exemplare gibt. Der Kauf des Fahrzeugs war nicht ganz einfach. Mit dem Vorbesitzer Mike Smith hatte Westfall einen mündlichen Vertrag geschlossen. Nachdem er seine anderen Bikes verkauft hatte, wollte er den Betrag überweisen, Mike war aber inzwischen an einem Herzinfarkt gestorben und die Henderson in einer Wanderausstellung des Guggenheim Museum unterwegs.

„Wenn ein Bike nicht fährt, dann muss ich es auch nicht besitzen“

Zum Glück wusste Mikes Sohn Matthew aber von dem Geschäft per Handschlag und hielt das Versprechen seines Vaters ein. Nach Beendigung der Museumstour lieferte er das Bike bei Frank ab. Der wird auch damit sicher noch einige Meilen reiten. Sein Credo ist: „Wenn ein Bike nicht fährt, dann muss ich es auch nicht besitzen. Schließlich wurde es für die Straße gebaut.“