Nur zehn Harley-Davidson XR 750TT verließen Milwaukees Rennabteilung – dem Straßenrenner war ein kurzes Leben beschieden.

Obwohl die XL mit ihren obenliegenden Ventilen schon 1957 debütierte, benutzte das Werksrennteam noch bis 1969 die mit Seitenventilen gesteuerten KR-Motoren. Erst 1970 stellte die Rennabteilung auf einen ohv-Motor um, der allerdings mit seinen Grauguss-Zylindern und eisernen Zylinderköpfen zu derbem Überhitzen neigte und in der Leistung den durch und durch ausgereiften KR-Triebwerken sogar hinterherhinkte.

Trotz des miesen Motors konnte Cal Rayborn gewinnen

„Der XR-Motor ist die reine Qual. Das Ding kostet mich zehn Jahre meines Lebens“, wird der damalige Werkspilot Mert Lawill zitiert. Es spricht für das Genie des Top-Werksfahrers Cal Rayborn, der trotz des schlechten Materials in der Lage war, drei von sechs Läufen der „Anglo-American Match Races“ zu gewinnen.   

Die Scheibenbremsen vorn indizieren, dass dieser Werksrenner für die Rennsaison 1973 von der Fontana-Trommel auf Scheiben umgerüstet wurde

Doch die Rennabteilung reagierte einigermaßen schnell auf die Mängel. In den Wintermonaten 1970/71 wurde ein vom niederländischen Motorenkonstrukteur Pieter Zylstra gezeichneter Motor in die Tat umgesetzt. Mit neuen Zylindern und Zylinderköpfen aus Aluminium ausgerüstet, sollte sich erweisen, dass dieser Motor speziell in den Flat Trackern zu ungeahnter Berühmtheit gelangte.

Die Harley-Davidson XR 750TT bekam 1972 den Alu-V2

Mehr als drei Jahrzehnte beherrschten Maschinen mit diesem 750-ccm-Aggregat die Dirt Track-Szene. Mit Fug und Recht wird die charismatische XR 750 „Königin der Oval Tracks“ genannt. Für die Rennsaison 1972 wurden auch die „XRTT“ genannten Straßenrenner mit diesem neuen Alu-Motor ausgestattet. Um die 80 bis 90 PS bei Höchstdrehzahlen zwischen 8000 und 9000 U/min waren Daten, mit denen man beim Siegen mitreden konnte.

Trotz der voluminösen, gewichtigen Verkleidung bringt die Werksmaschine nur 155 Kilogramm auf die Waage

Die XRTT blieben absolute Raritäten. Lediglich zehn Maschinen der originalen Werks-XRTT sind offiziell für die Rennsaisons 1972 und 1973 jemals gebaut worden. Einige davon blieben als Wracks auf dem Feld der Rennehre. Die wenigen anderen sind heutzutage bestenfalls in Museen zu bestaunen.

Harley-Davidson XR 750TT mit simplen Tokico-Bremsen

Umso glücklicher war die Fügung, dass eine dieser sündteuren, kostbaren Pretiosen vor einigen Jahren in der Vorderpfalz stand. Günther Sohn, ehemals Chef von G&R, einem auf Harley-Motoren spezialisierten Tuning-Betrieb, war eine Weile der Eigner des hier abgebildeten Renners. Die Chance zum Ablichten der TT ließen wir uns natürlich nicht entgehen …

Übrigens: Auf das neckische Lederpolster auf dem Tank legten die Fahrer in den Highspeed-Ovalen ihr behelmtes Kinn ab

Im Winter 1972 auf ’73 wurden einige der „überlebenden“ Renner von den Fontana-Trommelbremsen auf damalige Verhältnisse hochmoderne Scheibenbremsen umgerüstet, so auch Sohns Exemplar. Wie wenig Geld seinerzeit auch dem Werksteam zur Verfügung stand, zeigt die Tatsache, dass die verwendeten Scheibenbremsen an den Harley-Werksrennern simple Tokico-Serienteile von der Honda CB 750 Four waren.