Ein England-Urlaub brachte Rene Steittmann auf die Idee, ein „total anderes“ Motorrad zu bauen. Heraus kam ein Cafe Racer mit britischem Rahmen und Milwaukee-V2. Und diese Harley-Davidson XR 1000 Rickman ist in der Tat ein Hammerteil geworden.
In Brighton beim Ace-Run war Rene Steittmann – seine Freunde nennen ihn kurz „Steitti“ – so fasziniert von den vielen schönen Cafe Racern, dass sein Entschluss in seinem Kopf schnell Gestalt annahm. Nach einigen selbst gebauten Motorrädern in anderen Stilrichtungen sollte es jetzt ein Cafe Racer im Stil der 50er – 60er Jahre sein, allerdings mit modernen Komponenten. Und anders als in den meisten Cafe-Racern sollte in Steittis Bike ein V2-Motor Dienst tun. Durch reinen Zufall konnte er einen Rickman-Rahmen ergattern, was so eigentlich gar nicht geplant war. Durch einen anderen glücklichen Zufall kam er einem seltenen Harley-Davidson XR 1000-Motor aus dem Baujahr 1984 auf die Spur.

Ohne weiteres Überlegen kaufte er den Motor, denn er wusste, wie rar diese Rennsportabkömmlinge auf dem Gebrauchtmarkt sind. „Für mich ein halber Lottogewinn“, freut sich Steittmann. Diese XR-1000-Motoren sind straßenzugelassene Ableger des erfolgreichsten Dirt-Track-Motors der Welt, jener Motor der legendären XR 750, der jahrzehntelang US-amerikanische Motorsport-Historie schrieb. Mit einer Leistung von 70 PS war das XR-1000-Aggregat für einen Harley-Serienmotor zu seiner Zeit das Maß aller Dinge. Von den zirka 1500 gebauten Exemplaren kamen in Deutschland nur ganz wenige in den Handel. Einen dieser Motoren besitzt nun Steitti.
Harley-Davidson XR 1000 im Rickman-Rahmen
Und weil der Mann penibel ist, zerlegte er das motorische Kleinod komplett, ersetzte, was kaputt war und setzte es anschließend wieder ordentlich und sauber restauriert zusammen. Köpfe, Steuerdeckel und der Mikuni T36 wurden modifiziert. Eine Strahlbehandlung mit Glasperlen brachte den gewünschten Effekt für das Motoräußere. Insgesamt vier Wochen Nachtarbeit waren nötig, um den V2 wieder tadellos laufen zu lassen. Jetzt endlich konnte das Herz in den Rahmen gepflanzt werden, aber auch das brauchte seine Zeit. Die Räder wurden von Steitti persönlich mit VA-Speichen eingespeicht, auch die Radachsen fertigte er selbst.

Das Hinterrad besteht aus einer Akront-Felge, die mit einer originalen Sportster-Aluminium-Nabe kombiniert ist, was für ein sehr leichtes Gewicht bürgt. Und da ihm die Duplexbremsen aus den 50er – 60er Jahren zu schwach waren, spendierte er seiner Errungenschaft zwei Bremsscheiben mit zwei Vierkolbenzangen von Brembo. Die Auspuffanlage aus Edelstahl entstand Segment für Segment. Sie verschlang viel Zeit und Geduld. Immer wieder anpassen, ausrichten, ändern …
Die Alu-Teile in Naturoptik verlangten absolute Akkuratesse
Bei den Schweißarbeiten wurde die Rohranlage mit Formiergas gefüllt, damit die Schweißnaht im Rohr gleichmäßig glatt wird. Das bringt den Effekt, dass die Anlassfarben später gleichmäßig werden und bleiben. Die gut sichtbaren Schweißnähte sind genau so gewollt. Eine sehr große Herausforderung war für Steitti das Arbeiten mit Aluminium. Hier war höchste Vorsicht und absolute Akkuratesse geboten, denn die Alu-Teile sollten in Natur erstrahlen; jede Delle oder jeder Kratzer wäre eine Katastrophe, denn spachteln oder überlackieren war nicht Bestandteil des Plans.

Geometriekenntnisse aus der Schule halfen Steitti gut beim Zusammenbasteln der Papierschablone für den Tank. Zuvor war tagelanges Grübeln angesagt, doch nach etlichen Bierchen stand die Form des Tanks fest. Beim Aufbringen auf Pappe war dreidimensionales Denken erforderlich. Die ersten Experimente am Metall entpuppten sich als schwierig. Das Alu war gar nicht so ideal für die geplante Verformung und Bearbeitung. Fachgespräche mit der Firma Dino-Saurier Werkzeuge klärten ihn auf. Bei den Arbeiten an den Aluminiumteilen wurde ausnahmslos ein Holzhammer und ein Sandsack genutzt. Mit einem englischen Rad wurde dann geglättet.
Handlicher Cafe-Racer – Harley-Davidson XR 1000 Rickman
Stück für Stück setzte Steitti den Tank per WIG-Schweißen zusammen, es wurden Haftnähte gesetzt, um alles immer wieder in passende Form zu bringen. Zum Schluss galt es, zu schleifen, zu schleifen und nochmals schleifen, von grob bis hin zu Körnung 800, am Ende wurde hochglanzpoliert. Endlos monotone Arbeit … Und als er dann bei der Druckprobe eine durchgeschliffene Stelle fand, hieß es: „Nochmal das Ganze!“. Doch irgendwann war alle Mühsal vorbei, der Technische Überwachungsverein gab seinen Segen für den Straßenverkehr und Steitti klopfte sich selbst auf die Schultern.

„Eine Arbeit, die sich gelohnt hat. Die Maschine ist nach meinen Vorstellungen gelungen.“ Das Fahrwerk erwies sich, dem geringen Gesamtgewicht sei Dank, als sehr handlich. So entstand Steittis Vorstellung von einem kraftvollen Cafe Racer. Wir sind schon gespannt, was der Mann aus Dessau sich als Nächstes einfallen lässt.