Schauen Sie genau hin und trauen Sie Ihren Augen: Da hat es doch tatsächlich einer geschafft, den reinrassigen Werksrenner Harley-Davidson XR 750 in den Straßenverkehr zu bringen.
Ob die Vereinigten Staaten von Amerika ein vom Schicksal begünstigtes Land sind, darf man wohl bezweifeln. Jedoch, die Freizügigkeit der dortigen Zulassungsbehörden scheint grenzenlos zu sein. Wie sonst wäre es zu erklären, dass Gary Gifford dieses reinrassige Rennmotorrad legal auf der Straße bewegen darf? Wahrlich paradiesische Zustände!
Und nein, das Bike ist nicht etwa eine Replika, ein Nachbau oder sonst irgendwie gefaked, es handelt sich bei allen Teilen tatsächlich um originale XR-Komponenten aus dem Jahr 1974. Gewidmet hat Erbauer und Besitzer Gary das Bike seinem Freund Duane Veeder, der in den 80er und 90er Jahren auf einer XR 750 mit der Nummer 99 Rennen fuhr. Der damals 16-jährige Gary gehörte zu Duanes Boxencrew.
Harley-Davidson XR 750 – 103 PS bei 136 Kilo Trockengewicht
Der kurzhubige Motor in Garys Straßen-XR ist etwas ganz Besonderes, denn es wurden damals nur drei dieser Rennaggregate von Tuninglegende John Ward auf Elektrostarter umgebaut. Für den Dampf im Kessel sorgte die Firma Robison, der älteste Harley-Dealer in Daytona. Sagenhafte 15:1 ist das Verdichtungsverhältnis des Motors, Gary spricht von gemessenen 103 PS bei einem Fahrzeuggewicht von traumhaften 136 Kilo.
Der Rahmen ist ein originaler Harley-Davidson-Rennrahmen. Er ist einer von nur 200 Exemplaren, von denen die Company später – welch eine Schande – 100 wieder vernichtete. Gary hat den Rahmen 1983 von einem gewissen Jim Campbell gekauft, der gute Kontakte zur sogenannten „Michigan Mafia“ rund um die Renn-Superstars Bart Markel, Jay Springsteen und Scott Parker hatte.
Viele Teile haben eine lange Einsatzgeschichte
Auch die Speichenräder von Garys XR haben bereits eine lange Einsatzgeschichte. Sie sahen in der Vergangenheit schon eine Menge heißer Flat-Track-Runden unter Fahrern wie Chris Carr, Kevin Atherton und Scott Parker. Ebenfalls historisch und zeitgenössisch völlig korrekt sind die Ceriani-Gabel, die hinteren Stoßdämpfer von Girling, der Flanders-Lenker und die beiden Mikuni-Vergaser mit 38 Millimetern Durchlass.
Nichts an einer Renn-XR zu suchen haben natürlich Teile wie der Ständer, die Lampen (unterm Windschild), der Kennzeichenhalter und die PM-Scheibenbremse im Hinterrad. Diese Bauteile sind schlichtweg der Straßenzulassungstauglichkeit geschuldet. Und den Tank und das Heck aus Aluminium gab es so auch nie. Im Original bestanden diese beiden Teile aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Gary hat sie der schöneren Optik wegen aus Leichtmetall nachgebaut.
Harley-Davidson XR 750 – mit 200 auf der Autobahn
„Das Baby geht 200 Sachen“, strahlt der Erbauer glücklich, „das wäre doch eigentlich was für eure Autobahnen, nicht wahr“, meint er grinsend. Wobei, solch eine Granate würden wir lieber im Odenwald einsetzen, oder im Schwarzwald, im Spessart oder in den Vogesen. Allerdings würde solch ein ehemaliger Werksrenner hierzulande niemals eine Zulassung bekommen. Allein schon wegen des abartig geilen Sounds …