Um „Best of Show“ in Verona zu ergattern, muss man schon einiges aufbieten. Die Jungs von Ironborne fuhren mit einem Harley-Davidson Pan-Shovel-Boardtracker ganz oben aufs Treppchen.

Oldschool ist seit Jahren in Italien die Stilrichtung ‚Numero Uno‘: Auf den Bikeshows stehen gleich dutzendweise die schönsten und manchmal auch kuriosesten Retro-Bikes. Völlig egal, aus welchem Jahrzehnt oder Jahrhundert der Motor kommt: Starrrahmen, Einzelsitz, Handschaltung und ein Hauch Fifties oder Sixties sind quasi ein „Muss“. Die Motor Bike Expo in Verona bildet den Saisonauftakt für die italienische Szene – und dort werden jedes Jahr wieder aufs Neue radikale und exzellente Custombikes vorgestellt.

„Boardtrack Style“ ist längst eine eigene Stilrichtung im Customizing

Wir dürfen vorstellen: Ironborne aus der Ferrari-Stadt Modena. Schon der Firmenname versprüht den Geist der Frühzeit des Motorradsports – jener Zeit, als der Kampf Mann gegen Mann und Maschine gegen Maschine noch auf den Planken von riesigen Holzarenen ausgefochten wurde – ohne Getriebe, ohne Bremsen, ohne Schalldämpfer. Und ein bisschen wie bei den Wagenrennen im Circus Maximus in Rom: Ohne Netz und doppelten Boden. Heutzutage ist „Boardtrack Style“ eine eigene Stilrichtung im Customizing.

Das Team von Ironborne

Claudio Cesare Secchi und das Team von Ironborne beherrscht diese Stilrichtung offensichtlich ziemlich gut. Für einen echten Klassiker kommt natürlich auch nur ein „klassischer“ Motor in Frage. Bevorzugt werden retrogestylte Panheads oder Knuckleheads. Aber auch modifizierte Shovelheads mit umgearbeiteten Köpfen haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen.

Harley-Davidson Pan-Shovel von 1966

In dem Jahr, in dem die Beatles ihre letzten Live-Auftritte in Deutschland und den USA absolvierten, werkelte man in Milwaukee an einer neuen Motorengeneration: Es sollte der letzte Generationswechsel in der alten Fabrik in der Juneau Avenue sein und er ging nicht ohne Probleme über die Bühne. 1966 war das Geburtsjahr des „Shovelhead“-Motors. Aber wie bei Harley-Davidson schon zuvor praktiziert, entwickelte man Motorentechnik nur Schritt für Schritt: Auf die alten, vorhandenen Panhead-Gehäuse wurden Shovelhead-Zylinder- und Köpfe gesetzt.

Offen hängt unter dem kultigen Sattel das Bordwerkzeug

Genau einen solchen 1966er „Pan-Shovel“-Motor ergatterte, zerlegte und überholte man bei Ironborne. S&S-Pleuel, seitenwandverstärkte STD-Kurbelwellengehäuse und KB-Kolben lassen jetzt die Muskeln spielen. Die Auspuff-Anlage kommt nicht nur im Stil den kurzen Stutzen – oft waren es damals nur angegossene Flammenführungen an den Zylindern – der frühen Boardtrack Racer nahe.

Der Harley-Davidson Pan-Shovel wurde überholt und modifiziert

Stilecht liefert an der „Borderline“ ein Magnet von Morris den Zündfunken. Die Zylinderköpfe wurden leicht rundlich geschliffen, was bei Shovelheads immer eine coole Optik in Richtung Oldschool liefert. Kupferleitungen versorgen die Ventilsteuerung von außen mit Öl. Ein offener BDL-Primärantrieb, ein altes Vierganggetriebe und eine Rollenkette geben die Kraft zum Hinterrad weiter. Zum Leben gekickt wird der Treibsatz über einen Kickstarter von Thunderbike.

Im Rahmenoberrohr ist der Öltank versteckt, die beiden Tankhälften sitzen an Lederlaschen

Während die gesamte Metallarbeit von Ironborne in Szene gesetzt wurde, stammt der stabile und stilistisch wie technisch perfekte Einrohrrahmen von einem der besten Customizer Europas, dessen Namen weit über die Grenzen seines Heimatlandes Belgien bekannt ist: Frédéric Bertrand, besser bekannt unter dem Namen seiner Firma „Krugger“. Das kunstvoll gebogene Rohrwerk schlängelt sich um den Motor und integriert zudem den Öltank.

Fahrkomfort? Reden wir nicht drüber!

Gesteuert wird der Starrrahmen durch eine Blattfeder-Gabel und den breit nach außen strebenden Lenker. Fahrkomfort? Reden wir nicht drüber! Die „Borderline“ ist ein Themenbike, ein Kunstwerk, eine Hommage an die Boardtrack-Ära. Und nicht anders rollt es sich auf Firestone-Gummis: Hart, aber ehrlich …

Der Motogadget-Tacho passt perfekt zum Used Look-Lack

Die Lackierung im „Used-Look“ sieht aus, als wäre das Bike gerade öl- und benzinverschmiert nach einem harten Renntag von den hölzernen Planken des Racetracks gerollt. Doch das ist alles „Fake“, oder besser gesagt, eine Frage des Künstlers: Arik „Old Paint“ ist auf sogenanntes „Weathering“, sprich das künstliche Altern von Lackierungen spezialisiert. Nach sechsmonatiger Arbeit präsentierte sich die Maschine in Verona brandneu und doch so alt, als wäre das Bike nach 90-jährigem Dornröschenschlaf gerade erst in einem Schuppen wachgeküsst worden.

Aus Modena kommen nicht nur Sportwagen

Zahlreiche Details sieht man erst auf den zweiten Blick: Wie zum Beispiel den putzigen Werkzeugsatz in einer eigens gefertigten kleinen Ledertasche unter dem Sattel. Den Pokal „Best of Show“ gab es dafür in Verona. Was lernen wir daraus? Antwort: Aus Modena kommen nicht nur die kultig rassigroten Sportautos!

Info | ironborne.com