Auf die Idee, eine Harley-Davidson Cross Bones in eine WLA-Replika zu verwandeln, muss man erst mal kommen.

Sie war wendig, robust und diente während des Zweiten Weltkriegs als unverzichtbares Spähfahrzeug, um Minen, Fallen und Hinterhalte auszukundschaften. Die Rede ist von der Harley-Davidson WLA, die im Zweiten Weltkrieg unter dem Spitznamen „Liberator“ von den Alliierten zehntausendfach zur Befreiung Europas eingesetzt wurde. Grund genug, dieses außergewöhnliche Motorrad als Revival zurück auf die Straße zu bringen. Diesmal aber natürlich in friedli­cher Absicht und mit der Technik der Neuzeit.

Verdammt nah am historischen Original

Verantwortlich für die authentische Neuinterpretation des Kriegsgeräts von einst ist Oldschool-Fan Karl-Jörg von Herz. Der frühere Kölner Harley-Vertragshändler und Liebhaber klassischer Harleys hat auch diesmal wieder ein Bike auf die Räder gestellt, das mit seinem Look verdammt nah am historischen Original ist. Beim Erstkontakt mit der umgebauten Harley-Davidson Cross Bones fällt zunächst die eigentümliche Metallkonstruktion am Vorderrad ins Auge.

Die Cross Bones bietet durch ihre serienmäßige Springergabel die besten Voraussetzungen für den hier anvisierten Old Style

Was auf den ersten Blick wie eine viel zu groß geratene Tachowellenführung wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als originaler WLA-Gewehrhalter. Dieser bietet – mit Lederfutteral bestückt – auch heute noch der entsprechenden Waffe sicheren Halt. Nicht minder authentisch geht es an der Front weiter: Das ebenfalls originale WLA-Windshield führten Karl und sein Team frisch restauriert seiner alten Bestimmung zu.

Harley-Davidson Cross Bones mit original WLA-Packtaschen

Auch sonst ist das Bike alles andere als gewöhnlich. Die Scarab Luftfilter-Abdeckung zitiert mit ih­rer Linienführung die Formgebung der Werkzeugbox des Originals, und die sauber mit H-D Hitzeschutzband abgeschirmte Kess-Tech Auspuffanlage schießt so lautstark nach hinten wie einst die häufig mitgeführte 45er Thompson im Gefechtsmodus nach vorn. Für das Lackdesign vertraute Karl einmal mehr auf die Erfahrung von Wolfgang Pohlscheidt von „Wolpo Lack und Schrift“.

Die Tarnfarbe sorgt in Verbindung mit der weißen Schrift für den Army-Look am sonst serienmäßigen Tank

Noch beeindruckender als der präzise getroffene Farbton präsentiert sich die Oberflächenbeschaffenheit der Lackierung. Selten kommt der Spagat zwischen authentisch rustikalem Finish und edler Lackqualität so gut wie hier. Auch anderenorts passt die Verarbeitungsqualität: Die großzügigen Packtaschen – ebenfalls Original WLA-Bauteile – dürften nach ihrer aufwendigen Überarbeitung auch die nächsten 70 Jahre problemlos überstehen.

Harley-Davidson Cross Bones mit Liberator-Spirit

Gleiches gilt für den originalen WLA-Sitz, der in Sachen Komfort allerdings eher nichts für Kriegsdienstverweigerer ist. Ansonsten cruised es sich auf der Synthese aus Harley-Davidson Cross Bones und historischen Anbauteilen äußerst entspannt: Die Füße ruhen auf großzügigen Halfmoon-Trittbrettern, der T8-Lenker vom V-Team liegt satt in der Hand. Dazu entlastet das eingangs beschriebene Windshield spürbar den Oberkörper.

Die Prägung weist den Sitz als Original von 1942 aus

Wenig überraschend, dass Karls gelungenes Gesamtkunstwerk bei unserer Probefahrt alle Blicke auf sich zog und bei Kindern für leuchtende Augen sorgte. Soviel scheint sicher: Diese WLA-Interpretation transportiert den Spirit des „Liberator“ würdig in die Zukunft.