Mit dem Modelljahr 2021 hat Harley-Davidson die luftgekühlten Sportster aus der Programm gestrichen. Wer sich jetzt noch eine XL 883 oder 1200 zulegen will, muss auf ein Second-Hand-Bike zurückreifen. Iron 883 und Forty-Eight mit dem 1200er Evo bieten sich da als Objekte der Begierde an – aber welche nehmen?   

Die Evo-Sportster sind absolut robuste, ausgereifte Motorräder die kaum Ärger machen. Das Angebot auf dem Gebrauchtmarkt ist üppig. Wer sorglos unterwegs sein will, greift auf eine junge Gebrauchte zurück. Sowohl die Iron 883, als auch die Forty-Eight wurden zuletzt im Jahr 2016 nicht nur hinsichtlich des Fahrwerks kräftig überarbeitet. Welchem Bike hat das Upgrade mehr gebracht? Fangen wir mit der günstigeren Maschine an.

Harley-Davidson Sportster Iron 883

Die Iron 883 rollt auf in Schwarz getauchten und mit gefrästen Akzenten versehenen Neunspeichen-Leichtmetallgussrädern. Am Vorderrad kam eine neue, schwimmend gelagerte Bremsscheibe zum Einsatz. Viel wichtiger aber waren die neuen Innereien in der Gabel. Hier waren nun sogenannte Cartridges verbaut, Feder-/Dämpfereinheiten, die in einer Kartusche integriert sind. Überhaupt am wichtigsten waren die neuen, stufenlos in der Vorspannung einstellbare Federbeine mit progressiv gewickelten Federn am Heck.

Die Iron 883

Zudem bietet ein abgesteppter Sitz nicht nur mehr Bequemlichkeit, sondern auch mehr Halt für den Fahrer. Hinzu kamen gechoppte Fender, das schwarze Triebwerk samt schwarzer Auspuffanlage, der Drag Bar Lenker, ein in Schwarz gehaltener gerippter Luftfilter und das Bullet-Hole-Design an Zahnriemenabdeckung, Auspuffhitzeschilden und am Frontfenderhalter. Wer sich die Iron dann noch in der Farbe „Olive Gold“ holte, erntete auf der Coolness-Skala von 1 bis 10 locker 12 Zähler.

Harley-Davidson Sportster Forty-Eight

Die über die Maßen beliebte Forty-Eight erhielt für das Modelljahr 2016 einen noch kraftvolleren Look. Das bobberartige Vorderrad wurde von einer neuen Gabel mit 49 Millimeter dicken Standrohren geführt, die in nicht minder wuchtigen Leichmetall-Gabelbrücken stecken. Auch der Gabelstabilisator zwischen den beiden Tauchrohren ist deutlich kräftiger ausgeführt. Gechoppte Fender geben den Blick auf die dicken Ballon-Reifen frei, die auf neue, filigran wirkende Leichtmetall-Gussräder aufgezogen wurden.

Souveräner motorisiert: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen

Sehr augenfällig ist auch die neu gestaltete Auspuffanlage mit den geschlitzten Hitzeschutzschilden. Das Thema Streifen zieht sich über das gesamte Bike hin, der Tank wurde mit horizontalen Streifen versehen, eine Hommage an den Style der 70er Jahre. Den Look dieser Linien findet man auch auf den Sitz gestickt, an der Zahnriemenabdeckung und der Riemenscheibe. Natürlich profitierte auch der Bestseller Forty-Eight von der neuen Fahrwerksabstimmung. Auch in ihrer Gabel arbeiten Cartridges, und auch sie profitiert von den feinfühliger ansprechenden Emulsion-Federbeinen hinten.

Die Evo-Motoren der Harley-Davidson Sportster

883 gegen 1202 Kubikzentimeter, klingt nach einer klaren Sache. Fakt ist: Die beiden Motoren sind bis auf Bohrung und Verdichtung identisch. Zwar sind da diese ominösen 14 PS Leistungsunterschied zwischen den beiden, doch glauben Sie dem erfahrenen Harley-Tester: In dem Moment, ab dem man die Iron am Hals packt und alles abverlangt, verflüchtigt sich der nominelle Leistungsunterschied ins Nichts.

Die Iron (re) ist länger, breiter und höher

Auf einer ihm außerordentlich gut bekannten Berg- und Tal-Strecke auf Mallorca war es dem Autor dieser Zeilen, der auf der Forty-Eight saß, nicht möglich, seinen hinter ihm fahrenden Flügelmann Jack (der von Jack Daniel’s) auf der Iron 883 abzuschütteln. Zwar bringt der Autor gute 40 Kilo mehr auf die Waage als Slim Jacky, doch diese Begebenheit zeigt, wie wenig das Leistungsplus der 1200er im normalen Alltag wiegt. Indes, unbestritten und viel wichtiger als das Plus an Leistung ist das Plus der 1200er an Drehmoment.

Hubraum ist halt durch nichts zu ersetzen

Auf dem Papier liegen zwischen den beiden Motoren 25 Nm, und die spürt man ganz klar in so mancher Fahrsituation. Die 1200er pumpt sich spürbar souveräner aus niedrigen Drehzahlen hoch, die „Kleine“ braucht dafür mehr Drehzahl, mehr Zeit, oder mehr Gleichmut. Die 1200er ist eindeutig souveräner motorisiert, Hubraum ist halt durch nichts zu ersetzen. Die Motoren-Wertung geht deshalb – was Wunder – an die 1200er Forty-Eight, ein Vorteil, der einem 2.500 Euro wert sein muss.

Vor der Modellpflege hätte die Sache vielleicht noch anders ausgesehen, aber seit der umfassenden Fahrwerksoptimierung mit den höherwertigeren Feder- und Dämpferelementen ist die Iron fahrdynamisch einfach im Vorteil. Die Forty-Eight hat aufgrund ihres flachen geduckten Aufbaus und der 16-Zoll-Bobber-Bereifung eine erfahrbar geringere Bodenfreiheit als die Iron, sprich: die Schräglagenfreiheit der Forty-Eight ist begrenzter, unterstützt noch von den etwas tiefer angebrachten vorverlegten Fußrasten. Forty-Eights kratzen schon hässliche Striemen in den Asphalt, wenn Iron-Treiber noch über Reserven verfügen. Generell lässt sich die Iron dank ihres schmalen 19-Zoll-Vorderrads beherzter ins Eck werfen.

Die Fahrdynamikwertung geht eindeutig an die Iron 883

Überhaupt macht sie, obwohl sie den hubraumschwächeren Motor hat, den erwachseneren Eindruck. Fakt ist: Die Iron ist länger, breiter, höher und sogar ein paar Kilo schwerer als die Forty-Eight. Sie hat auch einen größeren Radstand, sie ist also tatsächlich das erwachsenere Motorrad. Und das spürt man auch beim Fahren. In winkligem Geläuf, wo die Forty-Eight mit ihren 16-Zöllern manches Mal etwas hibbelig wirkt, schnürt die Iron souverän und stoisch durch wie der Schnellzug durch den Dorfbahnhof. Die Fahrwerks- und Fahrdynamikwertung geht deshalb eindeutig an die Iron 883.

Mit der Iron lässt’s sich beherzt um die Ecken ballern

Fazit: Die Iron bietet richtig viel Harley-Davidson fürs Geld und kommt mit ihrem – vernünftigen – 12,5 Liter-Tank auch noch fast 100 Kilometer weiter als die Forty-Eight mit ihrem Peanut-Fässchen. Und 2.500 Ocken Differenz waren schließlich auch noch ein Argument. Somit wird die Fahrmaschine Iron 883 in diesem Vergleich – ungeachtet der unbestrittenen optischen Attraktivität der Forty-Eight – die eindeutige Siegerin unserer Herzen. Wenngleich die der Abstand bei den Gebrauchtpreisen nicht mehr ganz so hoch ist. Falsch macht man jedenfalls mit beiden Sportster-Modellen nichts.