Wenn es um das Fahrverhalten von Motorrädern geht, sind die Reifen ein maßgeblicher Faktor. Eine Tatsache, die viel zu oft außer Acht gelassen wird, wenn ein 260er Schlappen im Heck des eigenen Choppers landet. So ein Breitreifen sieht zwar cool aus, bockt jedoch um Kurven wie ein störrischer Esel.
Es ist eine physikalische Gesetzmäßigkeit: Je breiter der Reifen, desto größer die erforderliche Schräglage bei gleicher Kurvengeschwindigkeit. „Was hat die Reifenbreite mit der Schräglage zu tun?“, werden sich jetzt einige fragen. Die Antwort: So ziemlich alles. Um das zu verstehen, muss man einen kleinen Exkurs in die Physik wagen. Was für Kräfte wirken auf uns, wenn wir mit einem Motorrad durch eine Kurve fahren?
Beim Kurvenfahren stützt sich das Motorrad über eine Linie (R) zwischen Schwerpunkt (S) des Motorrads und der Reifenaufstandsfläche (A) gegen die einwirkenden Gewichts- (G) und Fliehkräfte (F) ab. Die Aufstandsfläche verzahnt sich im Asphalt und sorgt für Grip, das Motorrad fährt in Schräglage durch die Kurve. Verbaut man nun einen Breitreifen am Heck, so wird die Reifenaufstandsfläche zwar größer, wandert jedoch gleichzeitig weiter weg von der Fahrzeugmitte (M) zur Außenseite des Reifens. Der Schwerpunkt bleibt an Ort und Stelle.
Mit Breitreifen kommt man langsamer um Kurven
Die Linie zwischen den beiden Punkten verschiebt sich somit und es entsteht ein größerer Neigungswinkel, den es auszugleichen gilt – und zwar mit einer größeren Schräglage. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn Chopper und Cruiser haben durch ihre niedrige Bauweise sowieso recht wenig Schräglagenfreiheit. Durch den niedrigen Schwerpunkt und die in der Regel tiefsitzenden Trittbretter, setzt das Motorrad sehr früh auf dem Asphalt auf. Was wiederum bedeutet, dass man mit Breitreifen langsamer um Kurven kommt, als mit schmaleren Reifen.
Natürlich wirken noch andere Parameter mit hinein, zum Beispiel die Lage des Schwerpunkts der Maschine. Liegt dieser hoch, so verringert sich die benötigte Schräglage. Liegt er tief, erhöht sich der benötigte Schräglagenwinkel. Und auch die Karkassen-Form der Reifen beeinflusst den Schräglagenwinkel. Ist der Reifen im Querschnitt eher flach und kantig, so erschwert er das Fahren durch eine Kurve, ist seine Karkasse rund konzipiert, begünstigt er es.
Das Verhältnis zwischen Grip und Schräglage …
Doch warum braucht man dann überhaupt breite Reifen? Breite Reifen wurden ursprünglich für Motorräder mit viel Leistung konzipiert. Die Mehrzahl der Supersportler fährt hinten auf 180 Millimeter breiten Gummis, um die Leistung von 150 PS und mehr auch auf die Straße zu bringen. Die vergrößerte Aufstandsfläche bringt mehr Grip beim Herausbeschleunigen aus Kurven. Durch „Hanging Off” und hoch montierte Bauteile wie Fußrasten und Auspuff ist es möglich, Schräglagen von 45 Grad und mehr zu realisieren. Doch auch im Supersport-Segment wägen die Hersteller penibel ab, ob ein 190er oder noch breiterer Hinterreifen Sinn macht, denn die dann erforderlichen Schräglagen erreichen schnell physikalisch kaum noch umsetzbare Werte. Das Verhältnis zwischen Grip und benötigter Schräglage muss einfach stimmen.
In der Cruiser- und Chopper-Szene gibt es dagegen keinerlei Vernunftsgründe für breite Reifen. Hier geht es rein um die Show, es geht nur um die Optik. Der Fakt, dass Kurven wegen der breiten Schluffen nur deutlich langsamer durchfahren werden können, spielt für die Fahrer von breitbesohlten Bikes offenbar keine Rolle.
Fazit
Je schneller die Geschwindigkeit in der Kurve, desto größer die Fliehkräfte und die benötigte Schräglage. Breitreifen brauchen einen noch größeren Schräglagenwinkel, da die Aufstandsfläche bei ihnen weiter außen liegt. Hinzu kommt, je niedriger der Schwerpunkt, umso höher die benötigte Schräglage. Fahrphysikalisch spricht also alles gegen niedrige, breit bereifte Bikes. Aber geil ausschauen tut’s halt schon …