Das Aus der Marke Victory war zwar eine herbe Enttäuschung für Ralph, doch das hielt ihn nicht davon ab, eine 2012er Highball zum cleanen Fun-Chopper umzubauen.

Ralphs Stimme wird leise und etwas wehmütig, als er berichtet: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Geld mich das gekostet hat!“ Die Rede ist vom Aus der Motorradmarke Victory. Sämtliche Bemühungen des Polaris-Konzerns, die 1997 neu erschaffene Motorradmarke in gewinnbringende Regionen zu führen, waren fehlgeschlagen.

Ist das Airride hochgefahren hat der knappe Heckfender Platz zum Mitschwingen

Ein Jammer, denn die von Grund auf neu konstruierten Bikes wussten durchaus zu überzeugen. Und auch wenn die Marke über die Jahre viele Liebhaber gefunden hatte … am Ende zählt, was unterm Strich steht, und dem Mutterkonzern Polaris war das nicht genug. Im Januar 2017 teilte der Konzern einer völlig überrumpelten Händlerschaft und einer überraschten Kundschaft mit, die Marke Knall auf Fall dichtzumachen.

Victory Highball Chopper

Da Polaris noch während des Victory-Feldzuges zudem die weltweit verstreuten Rechte an der Marke Indian erworben hatte, lag der Entschluss nahe, künftig sein Geld auf das traditionsreichere Pferd im Stall zu setzen. Die Losung lautete: Konzentration auf eine Motorradmarke. Schluss mit Victory, lange lebe Indian. Am Ende die richtige Entscheidung, doch viele Bikebuilder hatten da bereits jede Menge Zeit und Geld in Entwicklung und Konstruktion von Victory-Customteilen gesteckt.

Aus dem eigenen Haus stammt unter anderem das komplette Frontend nebst Gabelbeinen, Brücken und Riser

Ralph Lindenmayr ist kein Unbekannter in der Szene. Sein bayrischer Dialekt suggeriert förmlich handfestes Zupacken, seine teils brachialen V-Max- und Fighterumbauten sorgten bereits Anfang der 2000er für Aufsehen. Motorrad fährt der gelernte Feinmechanik-Werkzeugmacher seit 1990, bei seinen Umbauten „wackelt und klappert nichts“, denn das wäre mit seinem Berufsethos nicht zu vereinbaren, sagt er.

Ultracleaner Apehanger

2003 übernahm er die Customschmiede Big-Bike in München, wo er neben selbstentwickelten Kits und Teilen auch die komplette Planung und Realisierung von Custombikes anbietet. Das Erscheinungsbild des hier gezeigten Victory Highball Choppers stand dabei nicht von Anfang an fest, sondern entwickelte sich erst im Lauf des Umbauprojekts.

Die fünfspeichigen sichelförmigen Gussräder stammen ursprünglich aus dem Modell Vegas, zwecks satteren Auftritts ließ Big Bike aber beide Felgen verbreitern

Motor und Getriebe blieben dabei weitgehend unangetastet, lediglich der neue Remus-Endtopf bekam einen Big-Bike-typischen Krümmerschwung verpasst. Grundvoraussetzung für einen Big-Bike-Chopper war aber neben den typischen rotweißen Farbelementen vor allem der ultracleane Apehanger. Der ist eine 14-Zoll-Sonderanfertigung seines Kumpels German Kunkel aus der Offenbacher Schmiede Customhands.

Victory Highball mit radikal gekürztem Heck

Soweit realisierbar, wurden Kabel und Züge innen verlegt. Begeisterung pur spricht aus ihm, wenn Ralph erzählt, wie überraschend bequem und entspannt sich mit dem Lenker fahren lässt. Aus dem eigenen Haus stammt unter anderem das komplette Frontend nebst Gabelbeinen, Brücken und Riser. Auch der Bugspoiler, die Fender und die Luftfilterabdeckung sind Eigengewächse aus München. Auffällig springt das recht radikal gekürzte Heck ins Auge.

Den Lenker ließ sich Ralph von Customhands in Offenbach maßanfertigen. Das halbrunde Instrument von Motogadget ist perfekt integriert

Einen choppertypischen Fenderschwung sucht man zwar vergebens, ein wenig Show muss es dann aber doch noch sein: Ein Airride zum Absenken des Hecks sorgt beim Parken für einen zusätzlichen Wow-Effekt. Und damit der Tank optisch besser mit dem minimalistischen Heckbereich korrespondiert, wurde er um satte acht Zentimeter schmaler gemacht.