Eines der nicht so schönen Kapitel der jüngeren Geschichte von Harley-Davidson ist die Sportster XR 1200 – dabei hätte alles so gut werden können, wie dieser Umbau beweist.
2008 brachte Harley-Davidson die Sportster XR 1200 exklusiv auf den europäischen Markt. Damit erfüllte die Company endlich den Kundenwunsch nach einer wirklich sportlichen Sportster. Tatsächlich war sie seinerzeit mit über 90 PS die stärkste luftgekühlte Harley aller Zeiten. Aber es gab Kritik: am Fahrwerk, den Bremsen und an der Optik.
Harley-Davidson XR 1200 – Die X-Version kam zu spät
2012 legte die Company mit der überarbeiteten X-Version nach, aber da war es bereits zu spät. Noch im selben Jahr stellte Harley die Produktion der XR wieder ein – eine verpasste Chance, schon damals neue Kundenkreise zu erschließen. Solche zum Beispiel wie die Jungs von »Goodspeed« aus Eindhoven, die uns mal eben zeigen, was mit einer XR so gehen kann.
Goodspeed, das sind drei junge Typen: Die Brüder Rick und Chris sowie ihr Freund Danny. Jeder hat unterschiedliche Fähigkeiten, die in den gemeinsamen Bau von Cafe Racern, Flattrackern, aber durchaus auch mal einem Bobber münden. Noch ist ihre Firma im Aufbau und wird im Nebenerwerb betrieben.
Goodspeed – Kleinserienteile in Planung
Die Kohle für die Bikes kommt aus dem Hauptgeschäft mit Metallbauten für Architekten. Aber die Ziele sind ehrgeizig: »Wir wollen exklusive Custombikes bauen, aber auch Kleinserienteile wie Luftfilter oder Gabelbrücken«, erzählt Rick. Und was könnte besser als Vorzeigeobjekt für diese Teile dienen als ein fertig umgebautes Bike?
Der Kunde, für den die Harley entstand, kommt aus St. Tropez in Frankreich. Über soziale Netzwerke war er auf die drei Holländer aufmerksam geworden, sie bauten für ihn eine Honda CB 750 zum Cafe Racer um. Bei der Auslieferung des Bikes in Frankreich zerrt der Kunde eine XR aus einem Schuppen. 2009 gekauft, 7000 Kilometer gefahren, seither gestanden, von der Sonne ausgebleicht, in der Meeresbrise gerostet und vom Hund an den Seitenteilen angefressen.
Könnte man aus der XR nicht was Cooles machen?
»Der Franzose fragte, ob wir da nicht was Cooles draus machen könnten«, erinnert sich Chris. Und so kam die Harley mit nach Holland, »1200 Kilometer Lärm, weil die Alarmanlage immer wieder ansprang, es war der Horror.« Halb taub zu Hause angekommen, ging es fürs Bike auf die Hebebühne. Der Kunde hatte seine Vorstellungen vom Umbau mit rund zwanzig Fotos von diversen umgebauten Bikes untermauert, »keines davon auf Basis einer XR 1200«, erzählt Chris. Immerhin, es sollte in eine sportliche, schlanke Richtung gehen, so viel war klar.
Mit zwei Hauptmerkmalen konnten sie das Ziel erreichen. Die relativ breite Schwinge musste in ein engeres Konzept umgewandelt werden. Im CAD-Programm wird eine neue Schwinge entworfen und später mit dem Laser geschnitten. Sie findet Platz am neu konstruierten und handgeschweißten Hilfsrahmen und nimmt das 16-Zoll-Speichenrad auf. Speichenrad?
Harley-Davidson XR 1200 – Speichen- statt Gussräder
Richtig! Wo bei der originalen Harley Gussräder drehen, setzen die Holländer auf Speichen, »gerade auch, weil man sowas an einer XR eher selten sieht, das war also eine schöne Herausforderung.« Vorn nutzen sie eine FXR-Nabe, der Abstand des originalen Bremssattels muss dadurch korrigiert werden. Der schmale Reifen sichert ein gutes Lenkverhalten.
Für hinten aber durfte ein fett-oldschooliger Firestone aufs Rad, »das ist so schön Vintage«, finden die Männer. Und weil sie schon mal dran sind, wird der Zahnriemenantrieb durch einen mit Kette ersetzt, »weswegen wiederum das komplette Bremsen-Setting umgefrickelt werden musste«, wie sich Chris erinnert.
Harley-Davidson XR 1200 – Schlanke Linie dank XL-Sportster-Tank
Zu breit für einen schlanken Umbau ist am Originalbike der Tank, er soll durch einen schmaleren Tank einer XL-Sportster ersetzt werden. »Nach dem Entfernen war uns aber zumindest klar, warum das Ding so wuchtig ist«, denkt Rick zurück. »Darunter befindet sich ein leerer Raum für das Einspritzsystem und den Luftfilter.
Das Einspritzgehäuse haben wir also modifiziert und mit einem CNC-gefrästen Adapter um eine Vierteldrehung gedreht. Den Aftermarket-Sportster-Tank konnten wir mit einem tiefen Tunnel versehen, dann hat es gepasst.«
Das originale Heck ist schon arg pummelig
Wer den XR-Tank schon breit findet, könnte am Heck fast verzweifeln. Richtig pummelig ist das nämlich und war einer der großen Kritikpunkte an der Original-XR. Das neue schlanke Heck samt Sitzbank entsteht aus Aluminium und basiert auf einer Styroporform, die Chris gestaltet hat. Der Sitz liegt nun etwas höher als beim Original, gut für größere Fahrer und eine sportliche Sitzhaltung. Der Öltank wurde nach dem Heckumbau neu positioniert.
Blieb noch der Motor, der einmal komplett überholt wurde. Besonders hier der Luftfilter, der eine komplette Eigenentwicklung ist. Die Auspuffanlage schweißte Rick von Hand. Den Kabelbaum stellten die Jungs komplett neu zusammen, »samt einer Anleitung für die Mechaniker in St. Tropez, sollte das Bike mal dort gewartet werden.«
Der Fokus liegt auf technischen Details
Als letzter Job stand die Lackierung an, die in einem nüchternen Grau aufgetragen wird. »Unser Fokus liegt eindeutig auf den technischen Details des Motorrades und nicht auf einer ablenkenden Lackierung.« Und tatsächlich ist die XR nicht wiederzuerkennen – und zeigt, wie sportlich so eine XR-Sportster tatsächlich sein kann.
Info | goodspeedcustoms.com