Knackige Starrrahmen-Chopper werden hierzulande eher von gereifteren Bikern gebaut. In den Staaten ist das anders. Dieses Gerät auf Basis einer Harley-Davidson XL 1200 hat sich ein gerade mal 28 Jahre junger Mann auf den Leib geschneidert. Hier erzählt er die Entstehungsgeschichte des Bikes.

Ich habe die 1975er Basis-Sportster über Craigslist (Anzeigenwebsite ähnlich eBay, Anm. d. Red.) gekauft. Eigentlich wollte ich bloß mit wenig Aufwand ein Starrrahmen-Bike daraus basteln und es dann verhökern, doch es kam alles anders. Das ist so, wie wenn du einem bildenden Künstler ein weißes Blatt Papier hinlegst und sagt: ‚Mal ein Strichmännchen und verkauf es dann.‘ Da war so viel, was ich ausprobieren wollte, Sachen, die ich so noch nie gesehen hatte.

„Damals, vor dem Internet-Zeitalter, war cool, was der Erbauer cool fand“

Ich besitze einen riesen Stapel von Chopper-Magazinen aus den 70er Jahren, der Stil dieser alten Bikes hat mich irgendwann total angefressen. Damals, vor dem Internet-Zeitalter, war dasjenige cool, was der Erbauer cool fand. Elektronische Massenmedien, die dir rund um die Uhr suggerieren, was cool ist, gab’s ja noch nicht. Einen Monat, nachdem ich mein Basis-Bike hatte, verunglückte mein bester Freund John ‚Pegleg Mike‘ Robinson mit seinem Motorrad tödlich.

Kaum zu glauben: Der asymmetrische Tank basiert auf einem Sportster-Spritfass

Ich hatte im Vorfeld mit ihm über mein Umbauvorhaben gesprochen und er war es, der mir dringlich geraten hatte, keinen Langgabler zu bauen, sondern den Radstand kurz zu halten. Dann fing ich an umzubauen wie ein Verrückter. Alles musste nach Feierabend passieren, weil ich einen normalen 9-to-5-Job habe. So manches Mal hatte ich keine saubere Unterwäsche mehr und in der Küche stapelte sich das schmutzige Geschirr nicht selten turmhoch.

Harley-Davidson XL 1200 mit starrem Rahmenheck

Dem originalen Rahmen ging es zuerst an den Kragen. Der vordere Teil wurde komplett gecleant, das Schwingenheck abgeflext und ein Starrrahmen-Endteil von Santee angeschweißt. Das originale Invader-Hinterrad konnte ich auf einem Flohmarkt ergattern, das passende 21-Zoll-Vorderrad im Invader-Stil ist neu und stammt von Scotty. Die superschmale Gabel mit ihren extra eng stehenden Gabelbeinen ist ein Teil von Wargasser.

Geteilte Rockerboxen verschaffen dem Sportster-Aggregat eine spezielle Optik. Mit Übermaß-Kolben, einem neuen Vergaser und besserer Zündung ist der Eisenkopf trotz seines Alters fit für die nächsten Jahre

Das lange Rücklicht fand ich auf einem Schrottplatz, es war das eines 1973er Chryslers 300. Allerdings habe ich davon nur das rote Deckglas verwendet, als Lichtquelle habe ich darunter moderne LED-Technik installiert. Das Gehäuse, das die Sissybar bildet und auch das Rücklicht aufnimmt, ist aus Stahlblech entstanden. Davor habe ich tagelang wie ein Blöder im Wohnzimmer mit Pappe und Tesa rumgeschnippelt und geklebt, bis ich einen Dummy hatte, mit dessen Form ich zufrieden war.

Schmaler und höher – Der Tank entstand aus einem Sportster-Fass

Den fertigen Sissybar-Körper verschweißte ich mit einem zurechtgeschnittenen Heckfender, der ehemals an einem Bootsanhänger montiert war. Der Tank entstand zwar aus einem Ex-Sportster-Fass, vom Original ist aber fast nichts mehr übrig. Schmaler und höher gemacht, anderer Tunnel, eine asymmetrische Außenhaut, so passt das jetzt. Den selbst gefertigten Öltank habe ich mit dem Heckfender verschweißt.

So sinnvoll kann man seine Freizeit nutzen. Die Glotze bleibt weiterhin aus. Nach dem Aufbau steht nun das genussvolle Cruisen auf dem Plan

Der Motor selbst war technisch in Ordnung. Es sind jetzt Übermaß-Kolben von Wiseco, ansonsten habe ich nur den Vergaser getauscht und eine gute Zündung verbaut. Der Optik wegen habe ich die Rockerboxengeteilt, mein Kumpel Raz hat mir die vier Einzelcover dann kunstvoll zugeschweißt. Der stark verrippte Ölkühler vor dem Öltank ist übrigens ein altes Customteil von Drag Specialties. Ich fand es auf einem Flohmarkt. Die 70er Jahre Psychedelic-Flower-Power-Oldschool-Lackierung brachte mein Kumpel Joey Tee auf.

Harley-Davidson XL 1200 – Prime Time

Ach ja, sie wollen sicher wissen, wieso ich das Bike „Prime Time“ getauft habe. Nun, ich konnte immer nur abends daran arbeiten, eben zu der Zeit, zu der das übrige Amerika vor der Glotzen sitzt und sich mit dumpfbackigen Shows das Hirn vernebeln lässt – zur Prime-Time-Sendezeit. Ich denke, ich habe die Prime Time besser genutzt!