»24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, sogar in meinen Träumen«, alles in Haicos Leben dreht sich um Motorräder. Eine beachtliche Zahl an Umbauten hat der junge Niederländer vorzuweisen, mit seiner tiefen Harley-Davidson Sportster 883 zeigt er Geschmack und Können.

Vor drei Jahren treffen wir den Holländer Haico Heersink das erste Mal. 17 Jahre alt, eine zum Boradtracker umgebaute Puch Maxi im Gepäck, taucht er auf der niederländischen Big-Twin-Bikeshow auf. Das Mofa ist ungewöhnlich gut, er gewinnt den Nachwuchspreis der Show und wir beschließen, den Jungen im Auge zu behalten. Er baut weiter kleinere Bikes um, bevor sein erstes »erwachsenes« Projekt auf dem Plan steht: eine Harley Sportster. Als wir die ersten Bilder sehen, ist klar: Wir müssen berichten. Denn mit seinem Bike muss er sich hinter etablierten Profis nicht verstecken, ganz und gar nicht.

Vier Scheunen, vollgestopft mit Motoren, Bikes und Teilen

Wir besuchen den jungen Mann in seinem Elternhaus, was wir hier vorfinden, ist unglaublich. Vier Scheunen gibt es auf dem Gelände, alle vollgestopft mit Motoren, Teilen, Bikes – eine Familie im Zweiradfieber. In Haicos Schrauberbereich sehen wir einen alten Shovelhead, mehrere JAP-Motoren, eine Twin-Cam-Harley und sein aktuelles, noch im Bau befindliches Projekt. »Eine Yamaha XS, die zum Boardtracker werden soll. Mit selbstgebauter Blattfedergabel und 26-Zoll-Rädern«. Der Typ beeindruckt uns.

Mit siebzehn tauchte Haico mit einer zum Boardtracker umgebauten Puch Maxi auf der niederländischen Big-Twin-Show auf. Seitdem hat der Jungspund etliche Bikes umgebaut

Die Liebe zu den Motorrädern hat er vom Vater übernommen: »Ich bin zwischen JAPs und Laverdas aufgewachsen.« Im Hauptberuf arbeitet Haico als Motorradmechaniker in einer Normalo-Werkstatt, kümmert sich um Wartung moderner Bikes, nur selten kann er dort mal ein bisschen Customizing betreiben. Parallel besucht er eine Ingenieursschule, saugt alles in sich auf. Trotzdem bleibt er der, der die alten Karren liebt, während die Kollegen in der Schule es attraktiver finden, mit Computern an Bikes zu arbeiten.

»Manchmal schleicht er sich mitten in der Nacht in die Werkstatt«

Nach der Arbeit im Laden oder dem Büffeln in der Schule fährt Haico schnell nach Hause, isst etwas und verschwindet dann in der Scheune, oft bis spät abends, jeden Tag. Und manchmal auch nachts. »Ich träume oft von Motorrädern.« Haicos Mutter bestätigt das lachend: »Manchmal, da hat er im Traum eine Idee, steht dann mitten in der Nacht auf und schleicht sich in die Werkstatt. Er kann nie bis zum nächsten Morgen warten.«

Die Motorenwahl ist der Führerscheinregelung in den Niederlanden geschuldet. Haico darf mit seinem A2-Führerschein lediglich mit maximal 35 kW unterwegs sein. Dafür ist die Sportster 883 die beste Basis

Die Wahl einer Harley-Davidson Sportster 883 für das erste große Projekt mag verwundern, ist aber leicht erklärt. Als Zwanzigjähriger ist Haico in Holland noch mit einem A2-Führerschein unterwegs, der bedingt eine Leistung von maximal 35 kW, wie bei der Drosselung in Deutschland auch. Eine Sportster 883 scheint ihm die passende Basis, er findet eine gedrosselte, die für schmale 2.200 Euro zum Angebot steht. »Der Besitzer meinte, sie läuft schlecht, der Motor wäre kaputt«, Haico kauft das Bike. Letzten Endes stellt sich der »Fehler« als Kleinigkeit heraus, ein defektes Gummi am Vergaser, schnell erledigt. Allerdings war der V-Twin stark gerostet und brauchte ein Stück optische Arbeit und Pflege.

Harley-Davidson Sportster 883 – Cleaner Oldschool-Look

Nachdem diese notwendigen Dinge erledigt sind, konzentriert Haico sich auf die Optik. Zwei Dinge sind ihm dabei wichtig: Zum einen will der junge Niederländer einen cleanen Oldschool-Stil mit klassischer Gabel und großen schmalen Rädern, aber gepaart mit modernen Parts von Roland Sands und Co. Zum anderen strebt er eine extrem niedrige Sitzposition an. Drop Seat nennt man das im Englischen, wenn der Fahrer tief zwischen Motor und Hinterrad Platz nimmt.

Selbstredend, dass bei dem cleanen Look nur ein Pop-up-Tankdeckel in Frage kommt

Um die gewünschte Position zu erreichen, muss das Heck geändert werden. Der Rahmen wird etwa auf der Hälfte auseinandergesägt, das neue, anschweißbare und starre Rahmenheck kommt von Led Sled Customs. Die Sitzbankhalterung wird tief darauf verschweißt, die Sitzplatte baut Haico selbst. Und schaut auch genau auf den Öltank. Auch der ist komplett selbst gebaut und besteht eigentlich nur aus einem Rohr mit zwei Deckeln und einer Aussparung für den Rahmen und die Kette, »eine Menge Arbeit war das«, erinnert sich Haico.

Harley-Davidson Sportster 883 mit Springergabel

Um die erreichte Tiefe im Heck nicht zu gefährden, muss auch vorn auf Maß gearbeitet werden. Die Springergabel von Kruyswater ist ein Einzelstück, exakt auf Haicos Sporty angepasst. Ein Kollege von Haico passt die gewünschten 21-Zoll-Räder exakt auf die Harley-Naben an. Die Elektrik minimiert der Holländer, das Motorlager mit Zündschloss und Zündspulenhalter fertigt er selbst an. Nur bei der Lampe ist sich der junge Kerl nicht sicher. »Ich hatte erst einen Oldschool-Scheinwerfer geplant, aber der erschien mir irgendwie zu niedlich.«

Umgedrehte Spiegel sorgen für eine flache Linie

Als er die längere Frontlampe entdeckt und an das Bike hält, ist er sicher, die oder keine. Sein Finish hält Haico übrigens genauso dezent und zurückhaltend wie sein übriges Design – schwarzer Lack, minimales Striping, ein paar Jack-Daniels-Motive. Letztere hätte es für unseren Geschmack nicht gebraucht, das ist aber auch schon das Einzige, was wir zu mäkeln hätten. Jede andere Kritik wäre der Sache hier nicht angemessen. Wir sind überzeugt, Haico Heersink ist ein Ausnahmetalent. Weitermachen … unbedingt!

Info | Instagram: haicoheersink