Ab jetzt wissen wir es: Harley kann nicht nur Cruiser, Bobber oder Tourer. Nein, seit neuestem kann der Hersteller aus Milwaukee auch fahrdynamisch. Bereits Mitte April konnten wir der brandneuen Harley-Davidson Pan America auf der Straße und im Gelände auf den Zahn fühlen.

Viele Zweifler haben es der Company nicht zugetraut. Zu viele große Fische schwimmen schon in dem Teich, in dem Harley-Davidson ab jetzt einen Platz für sich beansprucht. Jedem war deshalb klar: Wenn Harley den Schritt in Richtung Groß-Enduro wagt, muss das Motorrad auf Anhieb gut funktionieren.

Wir haben uns bei dem kalten Dreckswetter erstaunlich sicher auf den Serienreifen gefühlt … ein Novum bei Harley

Mitte April fand die Weltpremiere des Motorrads statt mit der Gelegenheit, die Neukonstruktion im Rheinischen Schiefergebirge zu fahren. Das Wetter im Westerwald war an den Testtagen maximal garstig, die herrschenden Temperaturen absolut unterirdisch, Schnee- und Graupelschauer waren während der Fahrtage die Regel, nicht die Ausnahme. Das elendige Tief namens Xander bescherte der Mitte Deutschlands tagelang niederschlagreiches bitterkaltes Aprilwetter.

Harley-Davidson Pan America: Launig und gut beherrschbar

Und doch hat es Spaß gemacht, denn das Bike machte trotz nasser Fahrbahn Laune, sicherlich auch dank der vielen elektronischen Fahrassistenzprogramme, die aufzuzählen wir uns an dieser Stelle sparen. Nur soviel: Im Fahrmodus „Rain“ war der ansonsten überaus kräftige 152-PS-Schlegel stets gut zu beherrschen und auch die serienmäßigen Straßenreifen vom Typ ‚Michelin Scorcher Adventure‘ spielten das feuchte Spiel anstandslos mit.

Richtig gute Fahrmaschine: Auf Asphalt gibt sich die Pan America als Allroundtalent

Auf den wenigen Metern, auf denen es trocken war, luden wir natürlich durch und wechselten zunächst auf den Landstraßen-Modus. Wenn’s länger übersichtlich wurde, auch mal in den Sport-Modus. Diese Fahrmodi sind von ihrer Charakteristik her stark gespreizt, ein jeder Modus macht aber genau das, was er soll. Bei „Rain“ herrscht sanfte Gasannahme und sinnvoll gekappte Leistung, der Landstraßen-Modus ist irgendwie für alles gut und bei Sport geht dann die Luzie ab.

Glaubhafte 128 Newtonmeter Drehmoment

Zwar hat der V-Twin einen Zylinderwinkel von 60 Grad, durch den Hubzapfenversatz von 30 Grad besitzt er aber die Zündfolge eines 90-Grad-V2. In Tateinheit mit der kurzhubigen Auslegung (Bohrung 105 mm, Hub 72,3 mm) erweist sich der Vierventiler mit Doppelzündung als sehr drehfreudiges Aggregat, ohne jedoch in unteren Drehzahlregionen blutarm zu wirken.

Der neue Revolution Max 1250

Im Gegenteil, dank der eingebauten variablen Nockenwellenverstellung, die vom ersten Meter an wirkt, gibt sich der Motor erstaunlich elastisch, die vom Hersteller angegebenen 128 Newtonmeter Drehmoment sind nicht nur fett, sondern auch absolut glaubhaft. Alles in allem ein toller Allround-Motor, der der Konkurrenz durchaus Stirnrunzeln verursachen wird.

Harley-Davidson Pan America

Auch das Fahrwerk funktioniert einwandfrei. Besonders gut hat uns das kinderleichte Handling und die perfekt gelungene Gewichtsverteilung des Bikes gefallen. Es wirkt weder front- noch hecklastig, ist wirklich gut ausbalanciert. Die Federelemente von Showa bieten hohen Komfort, ohne jemals schwammig rüberzukommen. Im Gegenteil: Die Maschine spurte stets wie auf Schienen, schnell stellte sich großes Vertrauen in die Qualitäten des Fahrwerks und der verbauten elektronischen Helferlein ein.

Die Bedingungen an unserem Fahrtag waren Westerwald-typisch ultra bescheiden

Auch die Vorderradbremse agiert auf hohem Niveau, was man von dem unterdimensionierten Stopper im Hinterrad nicht behaupten kann. Auf der Straße ein wenig negativ aufgefallen ist uns lediglich der bei der Pan America Special serienmäßig montierte Lenkungsdämpfer, der nach Auskunft eines der Chefentwickler extra für extreme Perfomance-Geländeritte angebracht wurde, um Lenkerschlagen zu vermeiden.

Der Lenkungsdämpfer muss weg

Auf Asphalt macht dieser nicht einstellbare Dämpfer – zumindest bei Temperaturen um den Gefrierpunkt – die Lenkung etwas steif, was zur Folge hat, dass das Bike bei langsamer Geradeausfahrt gerne ein bisschen um die Hochachse rührt. Eine Vergleichsfahrt mit dem Basismodell, an der dieser Dämpfer nicht verbaut ist, bewies unsere Vermutung eindeutig: Kein Dämpfer, keine Einflüsse auf die Lenkung.

Erst wenn man bestimmte Helferlein ausschaltet, fängt der Drift-Spaß im Gelände an

Auch in leichtem Gelände macht die Pan America eine gute Figur. Durch den speziellen Fahrmodus „Offroad“ wird dem Fahrer durch allerlei Eingriffe in die Motorsteuerungselektronik viel Sicherheit vermittelt, Heißsporne werden dadurch allerdings auch etwas eingebremst. Wer es heftig will, kann das ABS und die Traktionskontrolle für das Hinterrad aktiv abschalten, dann gehen auch Vollbremsungen mit blockiertem Hinterrad und spaßige Fahrmanöver wie etwa coole Drifts.

Das Ding ist heiß

Auch bei höheren Geschwindigkeiten bleibt das Motorrad im Schotter gut beherrschbar. Selbst auf engen und langsam zu durchfahrenden Single-Trails ist das Handling so angenehm, das man das Eigengewicht nicht wahrnimmt.

Die drei Fahrmodi für die Straße sind gut gespreizt und erfüllen jeweils ihren Zweck

Unser Fazit: Die Pan America ist auf Anhieb gut gelungen und wird garantiert ihre Liebhaber finden. Der neue Motor erweist sich als ein feiner Vau-Zwo, der Lust auf zukünftige Harley-Modelle macht, die ebenfalls mit diesem Triebwerk ausgestattet sind. Bleibt zu hoffen, dass Harley bald liefern kann. Denn der Preis für die Pan America (ab 15.995 Euro) ist für das Gebotene wirklich heiß.

Kontakt | www.harley-davidson.com