Ricos Harley-Davidson FL 1200 ist ein echter Hingucker. Der Privatmann hat Technik und Design virtuos zum Gesamtkunstwerk komponiert.

Kennt ihr das noch von früher? Ihr habt einen Film auf VHS-Kassette geguckt, so oft, dass die Qualität immer schlechter wurde. Gerade an den Stellen, die tausendmal zurückgespult und von neuem geschaut wurde, ging am Ende gar nichts mehr. DVDs gab es damals nicht und Customizing war einer kleinen Gruppe von Hinterhöflern vorbehalten, die die besten Chopper schraubten, aber doch nur eine Randnotiz der Motorradszene waren.

Harley-Davidson FL 1200 – Rico und der »Easy Rider«

Bei Rico hieß der Film auf der Kassette »Easy Rider« und wie oft er ihn gesehen hat, kann er nicht mehr genau sagen. Aber der Virus, den er züchtete, der begleitet den selbständigen Maurer bis heute. Und den kann er klar benennen: Harley-Davidson. Nie hat Rico an etwas anderem geschraubt, das erste Umbauobjekt nach der Zeit des Mofaschraubens war mit 18 Jahren eine Ironhead-Sportster, danach folgten Shovel und Co.

Bequem ist anders, aber leider geil

Fünf Harleys hat der Mann aus dem bayrischen Zapfendorf momentan, dazu ein Sammelsurium an zerlegten Karren und Teilen. »Viele Schrottkisten habe ich schon gekauft oder auch nur Rahmen, diverse Teile sowieso«, erzählt Rico, Leidenschaft ist schwer erklärbar. Das Schrauben hat er sich Schritt für Schritt selbst beigebracht, ein großes Wissen um die Milwaukee-Twins angehäuft, alle Bikes werden mit den eigenen Händen gebaut. So auch die aktuelle Shovel.

»Danny and the Wonderbras«

Auf einem Festival lernt Rico Mattes kennen, der ist Bassist der Band »Danny and the Wonderbras« und er ist Motorradfan durch und durch. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden. Und am Ende entscheiden sie, mal was zusammen zu schrauben. Wobei klar Rico der Kopf des Projekts ist. Wie bei seinen Bikes üblich, fängt Rico von der Pieke auf an, schießt einen günstigen Paughco-Rahmen bei eBay, passend für den Schaufelkopf, der noch in der Werkstatt schlummert.

Paughco-Starrahmen und Shovelhead-Motor – zwei wie Pech und Schwefel

Doch bevor Motor und Rahmen zusammen finden, steht die Revision des Twins auf dem Programm. Komplett zerlegt wird der und neu aufgebaut. Neue Kurbelwelle, geschliffene Zylinder, SU-Vergaser, Luftfilter-Trichter und – als besonderen Gimmick – die Trennung der Rockerboxen. Dass die so aussehen, wie mit schwarzem Teer überzogen, ist eigentlich ein Unfall: »Ich wollte die Boxen lackieren, aber mir ist der Lack darauf zerlaufen. Beim Versuch, ihn wieder runterzustrahlen, entstand das Relief. Ich fands so cool, dass ich einfach drüberlackiert habe.«

Dragpipes und ein verranzter Sattel

Als Gegenstück harmoniert der weiß gepulverte Rahmen – den Job erledigte die Firma Münch in Rattelsdorf – später perfekt. Die Dragpipes baut der Schrauber selbst, zieht sie lässig an der Sitzplatte vorbei in die Höhe. Der Sitz war eigentlich ein alter, verranzter Sattel, den Rico neu polstern wollte. Als das alte Leder unten ist, gefällt ihm die Pfanne aber so gut, dass er sie lediglich mit Klarlack überzieht und so montiert. Ganz bobberlike auch die Räder, vorne wie hinten gleich groß. Die 16-Zoll-Harley-Felgen werden lediglich schwarz beschichtet.

Hier tritt der Chef noch selber

Eigentlich wollte Rico einen Hollywood-Lenker montieren, entscheidet sich aber dagegen, »weil das momentan irgendwie jeder macht«, wie er erklärt. Und so baut er einen Boardtrack-Lenker, dessen Steckbuchsen über dem Gabelrohr sitzen. Die finale Lackierung übernimmt Steffen Langhammer, wobei ja nur der knappe Fender sowie der Tank einer SR2-Simson die rote Farbe abbekommen. Das Bandlogo und der Bass auf dem Tank sind das passende Finish. Die Pinstripes am Eigenbau-Öltank werden von »Country Earl« aufgebracht. Den ersten Roll-out meistert die Shovel mit Bravour, der Harleyklang ist Musik in Ricos Ohren, wie schon immer.