Sie haben die gleichen Gene, und doch fahren sie die beiden Harley-Davidson Sportster unterschiedlich. Ist der einstige Bestseller Forty-Eight im Vergleich zur 1200er Custom die bessere Wahl?

Wer sich eine gebrauchte 1200er Sportster zulegen möchte, findet ein üppiges Angebot vor. Wir haben die populäre Forty-Eight mit der XL 1200CA Custom Limited Edition verglichen. Das ist gar nicht so einfach, denn die beiden Maschinen sind sich überaus ähnlich. Beide tragen das exakt gleiche Herz, einen 1202 ccm großen V-Zweizylinder, beide haben die gleichen Leistungsdaten (67 PS bei 5.700 U/min), beide geben gemäß der Papierdaten das exakt gleiche Drehmoment von 98 Newtonmeter bei 3.200 U/min ab. Beide haben das gleiche Fünfganggetriebe und die gleichen Übersetzungsverhältnisse im Primär- und Sekundärtrieb.

Harley-Davidson Sportster – Same, same, but different!

Auch haben beide Maschinen den gleichen Radstand (1.520 Millimeter), das gleiche Leergewicht (260 Kilogramm), die gleiche Radlastverteilung (vorne 120, hinten 140 Kilogramm) und mit 454 Kilogramm das gleiche zulässi­ge Gesamtgewicht. Sie sind mit exakt den gleichen Bremsen ausgestattet und tragen sogar nicht nur den gleichen Reifentyp, sondern rollen von Haus aus auf der gleichen Reifengröße (vorne 130/90 B 16, hinten 150/80 B 16 vom Typ Michelin Scorcher „31“).

Ungleiche Schwestern: Die Forty-Eight ist schlank und puristisch, die „CA Limited“ trumpft mit Chrom, einem geraden Lenker, schicken Gussfelgen und größerem Tank auf

„Warum dann dieser Vergleich?“ werden sich einige von Ihnen an dieser Stelle mit Recht fragen. Die Antwort: Es gibt nicht viele Unterschiede bei den beiden Bikes, jedoch diejenigen, die es gibt, wirken sich unmittelbar und deutlich spürbar im praktischen Fahrbetrieb aus. Apropos Praxis: Da wären wir schon beim ersten der Unterschiede. Der hat zwar nichts mit den Fahreigenschaften an sich zu tun, sehr wohl aber mit dem praktischen Fahrbetrieb.

Harley-Davidson Sportster – Forty-Eight mit längerem Nachlauf

Forty-Eight-Fahrer müssen umsichtige Menschen sein. Warum? Nun, wer nur 7,95 Liter Gesamttankvolumen spazieren fährt, sollte nicht zu Unbekümmertheit neigen. Flott gefahren, sollte der coole Bobber spätes­tens alle hundert Kilometer einen Tankrüssel sehen, ansonsten ist schnell Schicht im Schacht. Die Custom Limited Edition (CA) protzt dagegen mit 17 Litern Fassungsvermögen, eine Menge, mit der ein gediegen agierender Fahrer fast drei Mal so weit kommt wie mit dem Spritvorrat der Forty-Eight. Allerdings hat der größere, schwerere Tank und das deutlich größere Tankvolumen auch Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Doch davon später mehr.

Lässig cool ist die Sitzposition auf der Forty-Eight. Die klassischen Speichenräder sorgen dazu für handlicheres Einlenken

Sehr wesentlich für das unterschiedli­che Fahrverhalten ist die Tatsache, dass diese beiden in vielen Punkten so gleichen Sportster unterschiedliche Nachlaufwerte besitzen. Erstaunlicherweise besitzt die Forty-Eight, obwohl beide den gleichen Lenkkopfwinkel von 30 Grad und wie schon erwähnt den exakt gleichen Radstand haben, mit 107 Millimetern einen um zwei Millimeter längeren Nachlauf als die CA. Das resultiert aus anderen Gabelbrücken.

Die 1200er Custom ist spürbar unhandlicher

Untypischerweise erwies sich die Forty-Eight im Fahrtest aber als das spürbar agilere Bike. Diese Tatsache steht im Widerspruch zu den Regeln der Fahrwerksphysik. Danach gilt: Ein langer Nachlauf ist gut für stabilen Geradeauslauf, was allerdings zu Lasten der Handlichkeit geht. Bikes mit kurzen Nachläufen sind sehr handlich, bei ihnen leidet aber der stabile Geradeauslauf. Und genau hier liegt die Crux bei diesem Vergleichstest: Das Motorrad mit dem (wenn auch nur zwei Millimeter) längeren Nachlauf müsste theoretisch einen Hauch unhandlicher sein als sein Kontrahent. Ist es aber nicht!

Deutlich zu sehen: Die mittig angebrachten Fußrasten verschieben die Position der Oberschenkel sichtbar weiter nach oben

Es verhält sich genau anders herum. Die CA mit dem (zumindest nominell) leicht kürzeren Nachlauf benimmt sich erfahrbar unhandlicher, sie möchte mit mehr Einsatz des Fahrers in Schräglage gebracht werden. Gleich mehrere Parameter werden wohl dafür verantwortlich sein: Zum einen ist der Gesamtschwerpunkt der CA etwas höher als der Forty-Eight (man denke an den viel größeren Tank), was kontraproduktiv für quickes Handling ist.

Die Harley-Davidson Sportster ist extrem wertstabil

Da die Lenkerbreite bei beiden Fahrzeuge identisch ist (wir haben nachgemessen), die Montagehöhe der Lenker aber um immerhin 50 Millimeter differiert (Forty-Eight: 1000 mm, CA: 1050 mm), sind die Arme des Fahrers ebenfalls 50 Millimeter höher positioniert. Auch das trägt sicherlich dazu bei, dass die CA etwas mehr gebeten werden will.

Der größere Tank und eine andere Sitzposition verändern den Schwerpunkt bei der CA, auch die schweren Gussräder wirken sich nachteilig auf die Handlichkeit aus

Zudem hat die CA mittig montierte Rasten, die die Oberschenkel in Fahrerposition waagerecht zur Fahrbahn ausrichten, sprich weiter oben als die des Forty-Eight-Fahrers, dessen Beine im Fahrbetrieb relaxt nach schräg unten vorne gerichtet sind. Hinzu kommt, dass die Forty-Eight auf Drahtspeichenrädern, die CA auf durchaus stylischen, aber schwereren Gussfelgen rollt. Das erhöht die Kreiselkräfte, was zusätzlich das unterschiedliche Einlenkverhalten erklärt.   

Fazit

Die CA besticht mit dem gelungenen Dreifarben-Lack und ihrem klassischen Sportster-Outfit. Auch im Praxiskapitel kann sie mit ihrem großen Tank und einer etwas bequemeren Sitzbank punkten. Zudem glänzt sie mit mehr Chrom und polierten Teilen als die Schwester. Indes, viele Interessenten wird das nicht jucken. Nicht nur, dass sie etwas unhandlicher ist als die Forty-Eight. Um Welten wichtiger ist der Umstand, dass sie einfach nicht so ccol ist.

Wie hier auf dem Bild, hat die Forty-Eight in diesem Vergleich die Nase vorn

Denn es ist wohl gerade der winzige Peanut-Tank, es sind gerade die vielen geschwärzten Teile und der knuffige Solositz, der Heerscharen von Käufern zur Forty-Eight greifen ließ und sie auch auf dem Gebrauchtmarkt so begehrt macht. Dass man mit dem deutlich lässigeren Bike auch noch besser um die Ecken kommt, ist dann das i-Tüpfelchen bei der Entscheidungsfindung. Der Preis kann es schließlich nicht sein, denn die Maschinen kosteten einst beide um die 11.000 Euro – und sind auch als zehnjährige Gebrauchte mit 20000 Kilometern auf der Uhr kaum günstiger zu haben. Mehr Wertstabilität geht kaum …