Straightleg-, Wishbone- oder Knickrahmen, wer hat den Durchblick? Wir erzählen die Geschichte der doppelschleifigen Harley Big Twin Rahmen.
Es war der Knucklehead-Motor, der die Outlines einer Harley entscheidend umkrempelte. Im Unterschied zu den frühen Flathead-Motoren mit ihrer Leistung von 25 bis 27 PS trabten im Knucklehead fast 50 Pferdchen. Deshalb wurde ein neues Fahrwerk fällig. Die frühen Flatheads liefen noch in einem Rahmen mit einem einzelnen vorderen Unterzug, dessen majestätischer Schwung eher den ästhetischen Gesetzen des Art Déco gehorchte als denen von Statik und Fahrphysik. Die Knucklehead, und mit ihr die zeitgleich ebenfalls gebauten großen Flatheads der Serie „U“ mit bis zu 34 PS, bekamen aber geradlinig verlaufende Unterzüge, und davon gleich zwei. Das war die Geburtsstunde des klassischen Harley-Rahmens, dessen optisches Layout seit dem Jahr 1984 sogar bis heute in immer neuen Softail-Baureihen zitiert wird.
Diese Geburtsstunde des klassischen Starrrahmens wird in der Fachliteratur auf das Jahr 1936 angesetzt. Diese Ära dauerte bis ins Jahr 1957 an. In den letzten Baujahren seines Bestehens gesellte sich zu diesem Rahmen, der wegen seiner geradlinigen Unterzüge „Straightleg“ genannt wurde, der „Wishbone“-Rahmen mit wiederum gekrümmten Unterzügen. Die sollten, hieß es, besser für den Gespannbetrieb geeignet sein, um die Scherkräfte eines Seitenwagens aufzunehmen.
Harley Big Twin Rahmen – Kultwert
Erst, als er längst nicht mehr produziert wurde, gewann der Wishbone-Rahmen an Kultwert. Das dürfte seinen Grund darin haben, dass der prominenteste Chopper-Umbau des Customzings, „Captain America“ aus dem Film „Easy Rider“, auf einer Panhead im Wishbone-Rahmen basierte.
Der originale Rahmen wurde zu diesem Zweck natürlich kräftig misshandelt. Üblich war es, den Lenkkopfbereich unten aufzuschneiden und nach vorne zu strecken, um einen flacheren Lenkkopfwinkel und damit Platz für eine längere Gabel zu schaffen. Peter Fonda klagte später darüber, dass Captain America mit seinen Modifikationen kaum fahrbar gewesen sei. Wie lange er gehalten hätte, müssen wir nicht fragen, da einer der Film-Chopper ja in Flammen aufging und somit einen grandiosen Filmtod starb, das Ersatzfahrzeug wurde der Film-Crew auf Nimmerwiedersehen geklaut.
In Deutschland ist das Verchromen tragender Teile verboten
Sei’s drum, wenig später wäre es vermutlich sowieso auseinandergebrochen, weil der Rahmen der Film-Bikes verchromt war. Oberflächenbehandlungen dieser Art, so deutsche Ingenieure, greifen das Material bis in die Tiefe der Metallstruktur an, weshalb in Deutschland das Verchromen tragender Teile verboten ist. Die Erbauer der Film-Bikes, die Afroamerikaner Cliff Vaughs und Ben Hardy, hatten jedenfalls ganze Arbeit geleistet und die Fahrwerke ihrer Filmstars im zulassungsrechtlichen und damit im wörtlichen Sinn aus dem Verkehr gezogen.
Ein derartiges Schicksal widerfuhr zahllosen Rahmen aus der Starrrahmen-Ära von Harley-Davidson. Sie wurden im ersten Chopper-Boom der 60er- und 70er-Jahre unwiederbringlich verbastelt. Dadurch gewannen original belassene Rahmen beträchtlich an Marktwert, weil sie mit jedem Jahr seltener wurden.
Harley Big Twin Rahmen – Gnade der frühen Geburt
Sie galten unter deutschen Zulassungsbestimmungen obendrein als Basis eines Motorrades. Ihr Alter ermöglichte unter Einhaltung der im Infokasten genannten weiteren Voraussetzungen eine gleichalte Erstzulassung, womit sie bei zunehmender Verschärfung der Zulassungsbestimmungen weiterhin ohne Blinker, mit kleineren Kennzeichen und mit lauten Auspuffen gefahren werden durften.
Viele kamen deshalb auf den Trichter, diese Rahmen nachzufertigen, was in den ersten Jahren des Chopper-Booms recht einfach war, weil Harley-Davidson-Motorräder bis in die späten 60er-Jahre ohne Seriennummern produziert wurden. Vor allem skandinavische Hersteller übten sich in der industriellen Nachfertigung dieser Rahmen. Sie versahen sie den Bedürfnissen der Kunden gemäß serienmäßig mit flacheren Lenkköpfen für längere Gabeln, breiteren Hecks für dickere Socken, und passten sie obendrein für die Aufnahme von Evolution-Motoren an, die in einen originalen Starrrahmen niemals hineingepasst hätten.
Harley Big Twin Rahmen – Originaler als das Original
Die sogenannten „Schwedenrahmen“ erlebten ihren Boom in den 80er-Jahren – bis in den 90ern auch Polizei und Prüfstellen klüger wurden und alles aufflog. Nachfertigungen dieser Rahmen sind trotzdem noch möglich. Zulässig sind sie als Ersatzteile oder für das Show-Customizing. VG Motorcycle fertigt solche Rahmen zum Beispiel in den Niederlanden.
Den VG-Rahmen eilt der Ruf voraus, äußerlich originaler als das Original zu sein. Und weil die Besitzer der wenigen letzten originalen Rahmen ihre Schätze ganz besonders hüten und sie nicht mal vor unsere Kameras lassen, danken wir VG für die Produktfotos ihrer nachgefertigten Rahmen, um unseren Artikel mit brauchbaren Ansichten zu illustrieren.
Endlich kommt die Schwinge
Bekanntlich hat alles irgendwann ein Ende, auch die einundzwanzigjährige Ära unserer Harley-Starrrahmen. In den 50er-Jahren rüsteten auch die letzten Hersteller auf vollgefederte Fahrwerke um, und so präsentierte Harley-Davidson für das Modelljahr 1958 die „Duo Glide“. Die fuhr noch mit Panhead-Triebwerk, aber dank zweifacher Federung wurde sie ihrem Namen „Duo Glide“ gerecht: vorne eine Telegabel und hinten eine klassische Zweiarm-Schwinge.
Charakteristisch für diesen Rahmen war die Aufnahme der Federbeine in Augen, die in einem leichten Aufwärtsknick hinter den Oberzügen saßen. Das brachte dem Fahrwerk in Deutschland den Namen „Knickrahmen“ ein. Die niedrigen Oberzüge machten zwar den Einbau eines Anlassers über dem Getriebe unmöglich – Knickrahmen-Bikes können nur mit Kickstarter gestartet werden – aber die Sitzposition war genau deshalb so schön niedrig. Customizer schlossen für ihre Chopper-Umbauten also auch den Knickrahmen in ihr Herz.
Harley Big Twin Rahmen – Platz für den E-Starter
Daran dachte man bei der Company noch nicht, als Harley-Davidson für das Jahr 1965 den Rahmen der Electra Glide vorstellte. Die Oberzüge dieses Fahrwerks ließen mehr Platz für einen elektrischen Anlasser, das brachte der E-Glide auch ihren Namen ein. Darüber hinaus war dieser Rahmen weniger verwinkelt, hatte weniger Ecken und Kanten, weshalb er stabiler und leichter zu vermessen war. Dieser Rahmen erfüllte seine Funktion bis zum Ende der Shovelhead-Ära in den frühen Achtzigern.
Er war in seiner Linienführung unscheinbar und blieb ohne einen prägnanten Namen. Unter Nachfertigern ist er einfach ein Schwingenrahmen mit vielen modellgepflegten Nachkommen, die wir in ihren Details, später sogar mit gummigelagerten Antriebseinheiten, nicht aufzählen müssen. Zur genaueren Kennzeichnung nennt man ihn bei VG zum Beispiel „Swingarm FX/FLH-Style“. Lediglich soll hier erwähnt werden, dass die Company zum Modelljahr 2007 anlässlich der Inthronisierung des Twin-Cam-96-Motors auch das Fahrwerk der Touring-Baureihe überarbeitet hat.
FXR und Dyna: Die sportlichen Big Twins
Natürlich wollen wir die wichtigsten Nachkommen der zweiten Schwingenrahmen-Generation nicht unterschlagen. Hervorgegangen ist aus ihr nämlich der Rahmen der FLT Tour Glide von 1980 bis 1983, zumindest in seinem grundsätzlichen Layout als Doppelschleifenrohrrahmen mit obenliegendem Zentralrohr. Wesentlich zu seiner Unterscheidung aber war die Lagerung der kompletten Antriebseinheit inklusive Schwinge in Gummiblöcken.
Die Tour Glide war ein Übertourer mit rahmenfester Verkleidung. Die Gummilagerung diente dem Komfort. Weil sich unter der Verkleidung darüber hinaus eine Menge verstecken ließ, brachte sein Entwickler Erik Buell einen besonders wuchtigen Lenkkopf an. Dessen extremer Lenkkopfwinkel von 65 Grad wurde durch eine Gabel mit einem Rake von drei Grad auf einen Gabelwinkel von 62 Grad ausgeglichen.
Harley Big Twin Rahmen mit Gummilagerung
Der Tour-Glide-Rahmen bewährte sich, die gummigelagerte Antriebseinheit machte Schule. In einer am Lenkkopf abgespeckten Version übernahm man sein Prinzip an der wenig später folgenden FXR von 1982 bis 1990. „FX“, das stand auch mal für „Factory Experimental“, die Harleys aus der FX-Baureihe visierten immer die etwas sportlichere und wagemutigere Kundschaft an. Das „R“ in dieser FX stand nun für „Rubber“, also für die Gummilagerung des Antriebsstranges.
Das Fahrwerk hatte einen guten Ruf und wurde in seinem Grundschema für die „Dyna Glide“-Reihe von 1991 bis 2017 fortgesetzt, aber immer wieder auch optimiert. So zum Beispiel bekam die Dyna-Baureihe für das Modelljahr 2006 nicht nur ein Upgrade, was das Fahrwerk betrifft, sondern wurde von Grund auf neu konstruiert. Rahmen, Schwinge, Gabel – alles neu.
Bei Gummilagerung braucht’s keine Ausgleichswelle
Die Gummilagerung des Motors wurde beibehalten, was gleichermaßen für die verkleideten Tourer galt. Ihre Vibrationsdämpfung war so effizient, dass der 1998 eingeführte Twin Cam-Motor in zwei Versionen ausgeliefert wurde, als Twin Cam A ohne Ausgleichswellen und als Twin Cam B, also „Balanced“ mit zwei Ausgleichswellen. In den gummigelagerten Fahrwerken der Tourer und der Dynas konnte nach wie vor ein Motor ohne Ausgleichswelle poltern und vibrieren, was dem Auge an der Ampel immer ein schönes Schauspiel bot.
Charakteristisch für die Dynas war darüber hinaus die Unterbringung des Öltanks unter dem Getriebe. Dort war genug Platz, weil der Dyna-Rahmen seine Federbeine außen an der klassischen Zweiarmschwinge behielt. Nur die Softail-Fahrwerke mussten stattdessen ihre Federbeine wegen der eigenwilligen Schwingenkonstruktion unter dem Getriebe verstecken.
Dyna-Fahrwerke brachten es zu einer eigenen Popularität
Aber zu den Softails kommen wir gleich, denn dringend muss noch erwähnt sein, dass auch die FXR- und Dyna-Fahrwerke es unter Customizern zu einer eigenen Popularität brachten. In den Achtzigern prägte man unter kalifornischen Rockern nämlich den „Clubstyle“.
Clubstyler waren im Unterschied zu Choppern schnell und wendig, man konnte damit auch die Polizei hinter sich lassen, und deshalb bevorzugten ihre Customizer das bessere Fahrwerk der FXR oder der Dyna. Deren Stil erlebte durch die TV-Serie „Sons of Anarchy“ im neuen Jahrtausend eine echte Renaissance.
Softail – Die klassische Linie
Nun aber endlich zu den Softails. Ihr Erscheinungsbild prägte ab 1984 den Stil der meisten Harley-Chopper bis heute. Die charakteristische dreieckige Schwinge sorgte für eine durchgehende Linie der Rahmenoberzüge vom Lenkkopf bis zur Hinterachse, denn die Federbeine lagen flach versteckt unter dem Getriebe. Die Optik glich also der eines klassischen Starrrahmens, obwohl der Rahmen gefedert, also „soft“ war.
Harley-Davidson führte dieses Prinzip zusammen mit dem Evolution-Motor im Jahr 1984 ein. Aber die Company hatte es nicht erfunden. Tatsächlich hatte ein US-Customizer namens Bill Davis dieses Prinzip in den Jahren 1974 und 1975 für seine Firma „Road Worx“ entwickelt. Er ließ sich das Fahrwerk patentieren und stellte es im Jahr 1976 Willie G. Davidson vor. Der sprang aber nicht unmittelbar darauf an. Erst im Jahr 1982 kaufte Harley dem Erfinder Bill Davis das Patent ab, um damit und mit dem Evolution-Motor nach der AMF-Ära zu Beginn der 80er-Jahre neu durchzustarten.
Harley Big Twin Rahmen – Start der Softail-Baureihe
Der Softail-Rahmen schlug ein wie eine Bombe. Jeder konnte sich damit endlich einen glaubwürdigen und auch zuverlässigen Chopper ab Werk zulegen. Das Fahrwerk hatte seine Schwächen, klassische FXR- und Dyna-Fahrwerke waren einfach besser. Viele Customizer übten sich darin, es zu optimieren, unter anderem der Customizer „Dr. Mechanic“ vor den Toren von Stuttgart, der dem Softail-Rahmen aus der Evo-Baureihe mit einer „Torque-Plate“ nachträglich Stabilität beibrachte.
Die Rahmen der Twin-Cam-Baureihe war schon besser. Darin steckte der „Twin Cam B“, also der Twin Cam mit zwei Ausgleichswellen. Der Motor konnte deshalb fest im Rahmen verschraubt werden, aber agierte darin fast schon ein wenig zu glattgebügelt. Ausgerechnet der optisch so urige Chopper ernüchterte seine Fahrer mit einer langweiligen Fahrkultur.
Harley Big Twin Rahmen – Ab 2018 mit Mono-Federbein
Erst mit der Einführung des neuen Milwaukee-Eight-Triebwerks wurde das Softail-Prinzip im Hause Harley-Davidson ein weiteres Mal überarbeitet. Mit den Milwaukee-Eight-Softails verabschiedete sich die Company für das Modelljahr 2018 nämlich endgültig von den beiden unter dem Getriebe versteckten Federbeinen. Stattdessen federt und dämpft seitdem ein Mono-Federbein, das in Cantilever-Manier unter dem Sattel angebracht ist und sich gegen die Ausläufer des Oberzugs abstützt. So platziert, ist das Federbein auch viel leichter zugänglich, sodass man – falls gewünscht – während eines Tankstopps auch mal schnell die Federvorspannung anpassen kann.
Sang- und klanglos verschwand mit der Milwaukee-Eight-Softail aber auch das Fahrwerk der Dynas. War es eine Sparmaßnahme? Von den Polaris-Töchtern Victory und Indian erhielt die Company jedenfalls mächtig Gegenwind. Über Nacht war die Dyna weg, nur noch die Tourer behielten das klassische Prinzip der Zweiarmschwinge mit den außenliegenden Federbeinen.
Harley Big Twin Rahmen – Das Ende naht sowieso
Das Ende der nur noch so genannten„luftgekühlten“ Big Twins naht in umweltbewussteren Zeiten sowieso. Die Fulldresser unter den Milwaukee-Eights sind sowieso nicht mehr wirklich rein luftgekühlt, sondern mit einer versteckten Wasserkühlung versehen. Sie fahren ja auch nicht mehr in der Liga von 50 PS, die der Company einst die Einführung eines doppelschleifigen Rahmens für ihre Big Twins aufnötigten.
Im Gespräch – Wir sprachen mit Herman Hulzebosch von VG Classic Frames & Parts aus den Niederlanden
DM: Herman, steht euer Name „VG“ wirklich für „Very Good“?
Herman: Ja genau, so stehen wir ja auch da!
Ihr seid schon ziemlich lange im Geschäft.
Angefangen hat VG Motorcycle im Jahr 1989. Ich bin im Jahr 2006 dazugekommen, eigentlich bin ich ausgebildeter Schiffsmechaniker. Seit dem Jahr 2022 haben wir uns in zwei Firmen aufgeteilt. Guus macht unter „VG Motorcycle Specials“ die Spezialanfertigungen, Raymond Kleeman und ich fertigen unter „VG Classic Frames & Parts“ die historischen Starrrahmen.
„Wir fertigen an die 250 Rahmen im Jahr“
Wie viele Rahmen stellt ihr so im Jahr her? Ist das ein Geheimnis?
Nein, das ist kein Geheimnis. Wir fertigen an die 250 Rahmen im Jahr: 50 Spezialanfertigungen von Guus und 200 Standardrahmen von uns.
Man sagt, eure Rahmen wären originaler als das Original. Werden sie denn auch nach originalen Methoden und mit originalen Materialien hergestellt? Die frühen Rahmen wurden doch gelötet und nicht geschweißt.
Auf unseren Ruf sind wir stolz! Für die Rahmen haben wir sogar Rohre in zölligen Maßen aufgetrieben. In der heutigen Fertigung mischen wir die Techniken, teilweise wird gelötet, teilweise geschweißt. Die originalen ersten Rahmen wurden komplett gelötet, das machen wir nicht. Das ist sehr arbeitsintensiv und auch nicht mehr Stand der Technik.
Kannst du einen originalen Rahmen auf Anhieb erkennen?
Ja sicher! Da gibt es verschiedene Stellen, aber da muss man sich schon auskennen.
Woran erkennst du das genau?
Unsere Schweißnähte sind schöner! Und unsere Rahmen sind natürlich an mehreren Stellen mit Seriennummern versehen.
„Früher gab es auch nur einfache Stahlrohre mit dünner Wandung“
Wo habt ihr die Maße her? Habt ihr von jeder Baureihe einen Originalrahmen versteckt?
Wir haben früher alle Maße von Originalrahmen abgenommen. Inzwischen ist alles in 3D-Computerprogrammen digitalisiert und gespeichert. Das ist der wertvollste Schatz unserer Firma.
Wurde die Qualität des Materials von Harley-Davidson im Lauf der Jahre besser, der Stahl zum Beispiel härter?
Der alte Stahl ist natürlich weicher. Früher gab es auch nur einfache Stahlrohre mit dünner Wandung, die hat man an kritischen Stellen durch darin steckendeweitere Rohre verstärkt. Inzwischen haben Harley-Rahmen gleich die richtige Wandstärke.
Ändern sich die Wünsche der Kunden? In den 80er-Jahren gab es mal einen Boom der alten Starrrahmen. Will man heute moderne Schwingenrahmen?
Die Leute steigen wieder um auf die alten Starrrahmen. Die wollen sie original. Andere lassen den Rahmen auf Extrawünsche anpassen. In die Oldstyle-Rahmen soll dann ein Evolution-Motor oder breitere Reifen. Guus fertigt auch einen Starrrahmen und einen Softail-Chopper-Rahmen für den Milwaukee-Eight-Motor. Und für das Biker-Build-Off auf der Custombike-Show 2022 hat Guus sogar einen Custom-Rahmen für eine moderne Indian gefertigt.
Welche Kunden bedient ihr: Customizer oder Private?
Am meisten bedienen wir den Großhandel und die Customizer. Aber Privatkunden sind auch willkommen.
„Wir restaurieren auch von Kunden mitgebrachte alte Rahmen“
Dann werden die Rahmen also eher zum Customizing als zur Restauration verwendet?
Beides, Restaurierung findet auch statt. Wir restaurieren auch von Kunden mitgebrachte alte Rahmen. Wir können also auch alte Knucklehead- und spätere Rahmen wieder instandsetzen.
Mit euren Rahmen kann man nach deutschem Zulassungsrecht keinen Oldtimer neu aufbauen. Sie lassen sich nur als Ersatzteil verwenden. Aber lassen sich eure Oldstyle-Starrrahmen für einen Neuaufbau nach modernem deutschem Zulassungsrecht verwenden?
Die Frage erübrigt sich. Nach neuem Zulassungsbestimmungen brauchst du einen modernen Motor mit Einspritzanlage, und der passt in die Oldstyle-Starrrahmen nicht rein.
Und wie viel kostet so ein Rahmen von euch nun überhaupt?
Die Rahmen kosten meistens so um die 2.900 Euro plus Mehrwertsteuer. Die Faustregel für Spezialanfertigungen sind 150 bis 500 Euro mehr.
Original und Fälschung
An Stammtischen ist noch immer die Meinung verbreitet, dass allein schon der Rahmen als Basis eines Motorrades maßgeblich für die Erteilung des Datums einer Erstzulassung ist. Doch das stimmt nicht. Ein Fahrzeug muss in der deutlichen Mehrheit seiner Teile aus dem Jahr der Erstzulassung stammen. Wer einen alten Rahmen nimmt und in dorthinein Bauteile jüngeren Datums einfügt, für den gilt als Datum der ersten Zulassung das Jahr des Zusammenbaus. Damit gelten für ihn auch alle Umwelt- und Zulassungsbestimmungen dieses Jahres.
Captain America aus dem Film „Easy Rider“ wäre nach dieser Regelung übrigens auch längst ein Oldtimer, der sogar unter H-Kennzeichen fahren dürfte. Das Datum seiner Erstzulassung wäre mithin nicht das Datum der Herstellung seines Rahmens, sondern das Datum seines Aufbaus als Chopper, also das Jahr 1968.
Ein neues Motorrad mit Starrrahmen aufzubauen ist durchaus möglich
Wer einen neuen Rahmen nimmt und ihn in einem nachträglichen Aufbau als originalen Rahmen vortäuscht, begibt sich in die Liga des Straftatbestandes der Urkundenfälschung. Einzige Ausnahme ist der Ersatzteiltausch. Alte Rahmen sind aus altem Stahl gefertigt, der irgendwann mal brechen kann. Wem dieses Schicksal nachweislich widerfährt, der darf den gebrochenen Rahmen tatsächlich gegen eine Neuanfertigung austauschen. Heutzutage wird dafür aber die Beibringung des gebrochenen Rahmens verlangt, der dann vollständig entwertet wird.
Der Aufbau eines neuen Motorrades mit Starrrahmen ist übrigens durchaus möglich und zulässig. Allerdings gelten dann auch die heutigen Zulassungsbestimmungen: Das Bike muss Blinker haben, es muss leise sein, und mit Vergasern wird es auch nicht mehr befüttert werden dürfen.
Info | vgclassicframes.com | vgmotorcycle.com