Der geniale Vordenker Erik Buell kolportiert gerne, dass die Motorräder, die die nach ihm benannte Company bis Ende Oktober 2009 gebaut hat, bereits zwanzig Jahre zuvor in seinem Kopf existiert haben.

Das klingt gar nicht so abwegig, bedenkt man, dass es dieser Erik Buell ist, auf dessen Konto etliche bahnbrechende Ideen im Motorradsektor gehen. Hier stellen wir das letzte Patent vor, das er im April 2009 als Mitarbeiter der Harley-Davidson Motor Company beim Patentamt eingereicht hat. Es handelt sich – typisch Buell – um die revolutionäre Idee, die Schwinge als Auspuffendtopf zu nutzen.

Doppelrollen für Rahmen und Schwinge

Einem ohnehin benötigten Bauteil eine sinnvolle Doppelrolle zuzuweisen, gehört zum Denken dieses Motorrad-Maniacs. An den Buells der XB-Baureihe sind gleich mehrere Lösungen dieser Art verwirklicht worden. Die Hauptrahmenstränge beherbergen dort gleichzeitig auch das Benzin. Im linken Schwingenholm schwappt der Ölvorrat des Trockensumpf-Systems. Features, die bis heute kein anderer Motorradhersteller weltweit anbietet!

Auch waren und sind die XBs die ersten Serienmotorräder weltweit, an denen vorn eine riesige Felgenrandbremse mit innenumfassender Bremszange verbaut wurde. Den Under-Engine-Auspuff hatte Erik Buell schon bei seinen früheren Rohrrahmen-Modellen etabliert. Damals, als er noch Herr im eigenen Haus war und die ganze (Konstrukteurs-)Welt ihn noch mitleidig belächelte wegen dieses seltsamen Platzes des Auspuffs unterm Motor. Heutzutage lächelt keiner mehr – im Gegenteil, heute wird die geniaIe Idee munter eins zu eins kopiert. Auch von World Playern wie Yamaha, Kawasaki oder Honda.

Erik Buell war stets auf der Suche nach Gewichtsreduktion

Und da Erik Buell ein Getriebener ist, stets auf der Suche nach dem letzten Quäntchen Gewichtsreduktion vor allem der ungefederten Massen, lag es auf der Hand, dass früher oder später die Schwinge mal wieder in den Fokus seiner Überlegungen rücken musste. Was wir hier zeigen, sind die Patentzeichnungen der US-Patent-Publication „US 2010/0270098 A1“. Bereinigt lediglich von den vielen Ziffern und deren Zuweisungspfeilen, veröffentlicht am 28. Oktober 2010. Dieses Datum offenbart leider aber auch den todtraurigen Knackpunkt dieses Patents, denn zum Zeitpunkt der Einreichung am 24. April 2009 und auch zum Zeitpunkt der Publikation war Erik Buell noch Angestellter von Harley-Davidson.

In dieser Gesamtansicht (Patentzeichnung) einer 1125 R ist unter dem vorderen Zylinder, als Bugspoiler geformt, ein Vorschalldämpfer zu erkennen. Im Heck sitzt die „Auspuff-Schwinge“

Das Patent gehört also Harley, und die werden es wohl in der Schublade ablegen. Umso bedauerlicher, weil der geniale Tüftler und Visionär Buell hier technisch gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte. Klar zu erkennen ist die Doppelrolle, die diese Schwinge hätte: Zum einen die der gefederten Hinterradführung, zum anderen dient der Schwingen-Korpus als Endschalldämpfer.

Unterdruck am Hinterrad kostet Leistung

Eigentlich von der Idee her schon genial genug, denn Endschalldämpfer wuchern bei modernen Hochleistungsmaschinen gewöhnlich wie riesige Geschwüre irgendwo rechts oder beidseitig, manchmal auch unterm Sitz und versauen die Schwerpunktlage des Bikes. Warum also nicht ein Bauteil, was so oder so notwendig ist, zusätzlich mit dieser Funktion betrauen.

Aerodynamischer Zugewinn: Das direkt über dem Hinterrad ausströmende Abgas „knackt“ den störenden Unterdruck im Heckbereich

Der durch die Zeichnungen nicht sichtbare dritte Effekt dieser Schwingenauspuff-Konfiguration ist aerodynamischer Natur. Durch Windkanaluntersuchungen weiß man, dass sich bei schneller Fahrt im Heck um und über dem rotierenden Hinterrad ein starker Unterdruck aufbaut. Das ist ein echtes Problem, denn dessen Kräfte wirken in die falsche Richtung, ziehen das Motorrad gleichsam zurück, kosten also Leis­tung.

Erik Buell brauchte bei seinen Fuells gar keinen Auspuff

Eriks Idee ist nun, den Abgasstrom am oberen hinteren Ende der Schwinge ge­­zielt so zu lenken, dass diese Unterdruckzone mithilfe der schnellen Abgase aufgebrochen und eliminiert wird – neben dem ästhetischen Aspekt und der möglichen Gesamtgewichtsreduktion wäre also zusätzlich auch noch ein gewichtiger aerodynamischer Vorteil zu verzeichnen.

Reichlich Platz fürs Abgas: Eine solche Alu-Gussschwinge böte den Motorenentwicklern massig vom so dringend benötigten Auspuffvolumen

Ob jedoch je ein Motorrad mit dieser Technologie gebaut werden wird, steht in den Sternen. Bei Harley-Davidson, dem Inhaber dieses hochinteressan­ten Patents, sehen wir keinerlei Anzeichen auf eine Umsetzung. Und Erik Buell musste ja gerade mit seiner E-Bike-Firma „Fuell“ eine erneute Pleite verkraften. Aber für die vollelektrischen Fuells hätte es solch eine Auspufflösung ohnehin nicht gebraucht …