Natürlich kann man einen Motorradsitz aus dem Katalog bestellen. Sowas gibt’s heutzutage in allen möglichen Designs, Formen und Farben zu kaufen. Aber weil uns selber machen mehr kickt, zeigen wir hier einmal, wie ein Solositz samt Polsterung eigentlich hergestellt wird.

Die Aufgabenstellung war einfach: Für einen 1000-Kilometer-Trip mit einer Starrrahmen-Harley musste eine neuer Sitz her. Der alte war nicht nur sehr schmal, sondern auch recht flach ausgelegt, weswegen der Fahrer des besagten Starrrahmen-Hobels immer wieder nach hinten wegrutschte. Keine gute Aussicht also für eine Tour, die quer durch Europa führen sollte. Ein neues Sitzmöbel musste her, idealerweise im hinteren Teil leicht nach oben gebogen, um bei Beschleunigungsvorgängen ordentlichen Halt zu bieten. Zudem sollte die neue Platte etwas breiter sein als ihr Vorgänger, eine vernünftige Polsterung stand ebenfalls im Lastenheft.

Für die Blecharbeiten braucht es keinen teueren Maschinenpark, eine anständige Werkstattausrüstung reicht. Englisches Rad, Pullmax-oder Sicken-Maschine erleichtern aber natürlich die Arbeit

Klar, es gibt Jungs, die fahren auf dem puren Blech oder gönnen sich als Komfort gerade mal eine Schicht Moosgummi, aber auf langen Touren muss man ja nicht jeden Mist mitmachen, das Steißbein und die Lendenwirbel werden es danken. Ein bisschen Minimalkomfort sollte schon sein. Bei der Anfertigung der handgemachten Sitzschale entscheiden wir uns für eine klassische Form aus Metall, die bei den Experten der „Garage Deluxe“ angefertigt wird. Für die Polsterung war die Manufaktur „True Blue“ im hessischen Groß-Gerau zuständig. Nachfolgend wird Schritt für Schritt erklärt, durch welche Arbeitsschritte solch ein neuer Sitz entsteht.

1. Grundform festlegen

Zunächst muss die Grundform des anzufertigenden Sitzes festgelegt werden. Die ist nicht nur abhängig von der Ergonomie des Fahrers, sondern sollte auch zu den Proportionen des Bikes passen. Auf einem schmalen Chopper sieht eine breite Sitzfläche einfach nicht gut aus, ein knuddeliger Bobber dagegen kann eine ausladendere Form eher vertragen. Um zu ermitteln, was am besten taugt, werden als Erstes mehrere Schablonen aus Pappe angefertigt, die die Form des zukünftigen Sitzes zeigen.

Mittels Blechschere wird die Grundplatte zurechtgeschnitten

Wenn die endgültige Form gefunden ist, werden deren Umrisse auf ein Alublech übertragen. In unserem Fall kam ein zwei Millimeter starkes Blech zum Einsatz. Das ist zwar etwas schwieriger zu bearbeiten, bietet dafür aber eine ordentliche Stabilität. Auch die Haltepunkten für die Befestigung der Schrauben müssen in diesem Stadium bereits aufs Metall übertragen werden, da nur jetzt von einem geraden, ebenen Rand aus gemessen werden kann. Da der Sitz später mit Sicken verziert werden soll, werden auch diese gleich mit angezeichnet.

2. Form ausschneiden

Nun wird die Grundplatte aus dem Metall herausgeschnitten. Hierfür genügt eine normale, auf der Werkbank montierte Blechschere. Eine solche Schere funktioniert über reine physikalische Kraft und ist schon für 50 Euro erhältlich, elektrische Geräte kosten entsprechend mehr. Zur Not tut es auch eine Stichsäge. Ist unsere Form sauber ausgeschnitten, werden deren Kanten verschliffen. Das geschieht zunächst mit einer Schleifmaschine, zum Schluss wird per Hand nachgeschliffen.

Ist die Form sauber ausgeschnitten, werden die Kanten verschliffen

Im nächsten Schritt soll der hintere Teil des Sitzes nach oben gebogen werden, dabei ist Maschinenkraft von Vorteil. In unserem Fall kam eine Rollenstreckmaschine zum Einsatz, in Insider-Kreisen heißt das Gerät „englisches Rad“. Von Traditionalisten ließe sich diese Arbeit aber auch mit einem Blechnerhammer und einem Sandsack bewerkstelligen.

3. Detailarbeit

Das englische Rad ist ein ziemlich nützliches Ding, wenn man viele Teile aus Metall selbst herstellen will. Das zu bearbeitende Metallstück wird zwischen den Rollen platziert, dadurch wird das Material gestreckt und gedehnt. Die Form der unteren Rolle bestimmt dabei die Form der Wölbung im Blech. Durch Bewegen und Stoppen steht am Ende ein gebogenes Stück Metall. Allerdings erfordert das Arbeiten mit einem englischen Rad etwas Geschick, für Grobmotoriker empfehlen wir daher alternativ das Dengeln mit einem Hammer.

Ein englisches Rad gibt dem Werkstück seine Wölbung. Das englische Rad erfordert geschick – Für Grobmotoriker empfehlen wir das Dengeln mit einem Hammer

Um nun den Rand unserer Sitzbank zu definieren, wird gehämmert. Erst die Ränder– wie in unserem Fall – rundherum mittels einer Pullmax-Maschine oder traditionell mit dem Hammer nach unten treiben, danach das Material mittels eines Gummihammers auf dem Amboss glätten. Da der Sitz wie eingangs erwähnt mit Sicken verziert sein soll, müssen diese nochmals exakt angezeichnet werden.

Die Pullmax-Maschine definiert die Ränder

Sicken sehen nicht nur schick aus, sie dienen obendrein auch der Stabilität des Materials. Unbedingt notwendig sind sie aber nicht, zumal dafür tatsächlich ausnahmsweise spezielles Gerät vonnöten ist. Mittels einer Sickenmaschine werden die Falze ins Metal gezogen. Fehlen noch die Schrauben, die die Sitzbank später auf dem Bike festhalten.

Die spezielle Sickenmaschine drückt Falze in die Sitzbank – das sieht gut aus und stabilisiert

Hier gibt es nur eine Lösung: Anschweißen! Falls man selbst kein Aluminium schweißen kann, muss ein Fachmann ran. Die Schrauben werden mit einer Grimpzange an den vorher angezeichneten Punkten fixiert und angeschweißt. Abkühlen lassen, Schweißrückstände entfernen, fertig ist Basis-Sitzplatte. Die Polsterarbeiten stehen an …

4. Vorarbeit am Motorradsitz

Auch das Polstern beginnt mit Zeichnungen. Grob wird die Form der Sitzbank auf Pappe übertragen. Als Hauptpolster des Sitzes dient handelsüblicher Verbundschaumstoff, der recht fest und haltbar ist. Von der Papierform werden die Umrisse der Platte auf den Schaumstoff übertragen, der schon vorher in die ungefähre Form des Sitzes geschnitten worden war.

Die Platte wird fest auf den Verbundschaumstoff gepresst und verklebt

Rundherum bleibt zunächst ein Rand stehen, in Form geschnitten wird später. Die Trägerplatte aus Aluminium wird nochmals akribisch gereinigt, danach wird zum ersten Mal geklebt. Alleskleber aus der Sprühflasche wird auf die Oberfläche der Sitzplatte gesprayt, die Platte dann fest mit den Händen auf den Schaumstoff gepresst.

Zuerst wird die Grundform auf Pappe, dann auf den Schaumstoff übertragen

Wenn alles gut durchgetrocknet ist, werden mittels der noch vorhandenen Pappschablone die Umrandungen des Sitzes auf den Schaumstoff übertragen. Dann kann der überstehende Schaumstoff abgeschnitten und in Form gebracht werden. Kleiner Tipp: Ein elektrisches Küchenmesser ist dabei äußerst hilfreich.

5. Das Nähen

Was den Bezug angeht, sollte es in unserem Fall ein klassischer schwarzer Kunstlederbezug sein. Natürlich sind alle anderen Materialien, Stickereien, Intarsien und sonstige Spielereien ebenfalls möglich, aber angesichts des Stils des Bikes passt das in diesem Fall am besten. Für den Kunstlederbezug schneidet Polsterin Clare zunächst die grobe Sitzfläche vor, dazu kommt ein weiterer Streifen, der den Sitz später an den Seiten ummantelt.

Das Kunstleder wird zusätzlich auf einen Trägerschaum stoff geklebt

Das Kunstleder verklebt Clare mit einem dünnen Stück Schaumstoff, der als Träger zwischen Bezug und Polsterschaumstoff dient und nochmal zusätzlich polstert. Da der Sitz ein Rautenmuster erhalten soll, bedarf es noch einiger Vorarbeiten. Die Rauten werden genau bemessen und auf den Schaumstoff-Kunstleder-Verbund übertragen. Nun geht es an die Spezialnähmaschine. Wer sowas nicht hat, sollte diesen Part vom Sattler erledigen lassen.

Das gewünschte Rautenmuster wird eingenäht

Schaumstoff und Bezug werden durch das Zusammennähen endgültig miteinander verbunden, das gewünschte Rautenmuster ebenfalls eingenäht. Überstehende Fäden werden abgeschnitten, der Bezug ist damit halb fertig. Nun kommt der knifflige Teil. Der zuvor geschnittene Rand muss mit der Oberseite der fertigen Sitzfläche vernäht werden. Damit dieser Rand später besser über die Platte gestülpt werden kann, werden mit einer Schere kleine Einschnitte rund um die Sitzfläche gemacht. Um zu verhindern, dass der Sitz sich bei Regen vollsaugen kann, werden sämtliche Nähte von unten mit Klebeband abgedichtet.

6. Motorradsitz beziehen

Bei unserem Sattel wird der Bezug geklebt. Zwar bieten sich auch anderen Möglichkeiten wie zum Beispiel das Vernieten an, aber für uns passt die Klebetechnik. Die Sitzbank wird auf der Metallseite mit dem Kleber eingestrichen, dann lässt man das Ganze trocknen. Nun können wir die Hülle Schritt für Schritt über die Sitzbank ziehen. Das ist etwas Fummelarbeit und benötigt durchaus Kraft, aber mit etwas Übung bekommt man das hin.

Feinarbeiten: Alles was übersteht kommt weg

Alles gut an der Unterseite festkleben, überstehende Bezugteile mit der Schere abschneiden und den Rest gut andrücken. Der Bezugsstoff rund um die Schrauben wird natürlich entfernt. Wir entscheiden uns, eine Decklage von dem Bezugsmaterial auch auf die Unterseite zu kleben, um unterm Sitz keine nackte Metallfläche zu haben. So was kann, muss aber nicht sein. Reine Geschmacksache.

Unser Sitz „Biarritz“ hat die über tausend Kilometer an die Biskaya locker weggesteckt

Der Sitz, dem wir den Namen „Biarritz“ gegeben haben, hat die über tausend Kilometer an die Biskaya übrigens prima weggesteckt. Auch die Wirbelsäule des Fahrers ist heil geblieben. Hat sich also voll gelohnt, die ganze Arbeit!