Verlängertes Oster-Wochenende? Wie wäre es mit einer spontanen Pässe-Tour mit der Harley durch die Alpen?
Endlich ein paar Tage frei. Flugs die Sachen gepackt und schon geht es los von München in Richtung Alpen. Der Weg führt zunächst über den Bodensee und weiter nach Appenzell in die Schweiz. Beim Anstieg aus dem Rheintal gibt es zur Eingewöhnung ein paar Serpentinen. Erstmalig stellt sich das ersehnte Kurven-Surf-Feeling ein.
Jede Kurve will mit besonderer Vorsicht genommen werden
Durch das schöne Appenzeller Land mit den vielen grünen Hügeln führt die Reise in Richtung Zürich-See. Kurz vor dem See heißt es abbiegen nach Glarus, der kleinsten Hauptstadt des gleichnamigen Schweizer Kantons. Hier verlasse ich die Hauptstraße Richtung Pragel, dem ersten richtigen Pass auf meiner Reise. Auf dem Weg dorthin passiert man den wunderschön blauen Klöntaler See. Die Strecke über die Passhöhe ist ab Richisau nur an Wochentagen für Kraftfahrzeuge geöffnet und erinnert eher an einen Wirtschaftsweg. Deshalb muss jede Kurve mit besonderer Vorsicht genommen werden.

In Stalden wird die Straße wieder etwas breiter und führt durch das Muotathal. Nach dem Verlassen des Tals folgt man dem Verlauf des Vierwaldstätter Sees Richtung Altdorf. Es geht vorbei am Nordportal des Gotthard-Eisenbahntunnels, in Wassen biege ich dann zum Susten ab. Die Straße über den Pass ist wochentags erstaunlich leer, kaum „Verkehrsregulatoren“ wie Busse oder Wohnmobile. Die paar Schlafkäfige vor mir werden elegant wie rollende Slalomstangen überholt. Am Osterwochenende ist hier natürlich mit deutlich mehr Verkehr zu rechnen.
Mit der Harley in den Alpen auf dem Weg zur Jungfrau
In Innertkirchen gibt es die Option, weiter zum Grimsel zu fahren. Doch ich nehme den Weg Richtung Interlaken. Die folgende gemütliche Fahrt am Brienzer See entlang ist eine willkommene Abwechslung mit immer wieder schönen Ausblicken auf die Berge und dem See im Vordergrund. Interlaken ist das Tor zu den vielleicht bekanntesten Bergen der Schweiz neben dem Matterhorn: Jungfrau, Mönch und Eiger.

Kurz hinter Interlaken biege ich ab und wähle die Nebenstrecke über Aeschi (ja, der Ort heißt wirklich so). Von hier aus hat man sehr schöne Ausblicke auf den Thuner See. Dabei sind die sattgrünen Wiesen, diese Farbe gibt es so wohl nur in der Schweiz, eine reizvolle Kombination mit der Bergkulisse und den Blautönen von See und Himmel. Weiter folge ich der Nordrampe der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) und fahre Richtung Kandersteg. Hier ziehen bahntechnische Bauten wie Viadukte, Lawinenverbauungen und Kehrschleifen meine Blicke auf sich. Dazu gibt’s Stationsgebäude wie auf der Modelleisenbahn. Besonders schön ist die Station Blausee-Mitholz. Kurz vorher lohnt auch ein Abstecher zum Blausee, der seinen Namen wahrhaft zu recht trägt.
Mit der Harley durch die Alpen – und mit dem Zug!
Kandersteg liegt in einem breiten Hochtal zu Füßen der in hellem weiß erstrahlenden Blümlis-Alp. Hier erfolgt die Verladung des Motorrads auf die Bahn zum Transfer durch den vierzehn Kilometer langen Lötschberg-Tunnel, den einzigen Weg von hier aus ins Wallis. Da der spezielle Waggon für Zweiradler ganz vorn im Zug ist, wird man direkt an den wartenden Autos vorbeigewunken. Von Goppenstein am Südportal des Tunnels geht es dann durch einen weiteren Tunnel und mehrere Serpentinen steil hinunter ins Rhonetal.

Nächstes Ziel ist der ehemalige Militärflugplatz Turtmann. Die zwei fetten schwarzen Striche auf der Piste deuten die neue Verwendung an: Beschleunigungsrennen. Obwohl die lange gerade Piste förmlich zum Gasgeben einlädt, bleiben heute alle 63 Pferdchen meiner Softail Deuce im Stall und der Gummi auf dem Reifen. Endstation des ersten Tages ist das sehr empfehlenswerte Hotel Bahnhof in Ausserberg, direkt an der Lötschberg-Südrampe gelegen.
Beeindruckende Blicke ins Rhonetal
Wer Zeit hat, sollte unbedingt einen halben Tag für die Wanderung entlang der Bahn zwischen Hohtenn und Ausserberg einplanen. Neben beeindruckenden Blicken ins Rhonetal gibt es diverse Brücken und Tunnels der BLS zu bestaunen, Meisterwerke des Bahnbaus aus dem frühen 20. Jahrhundert. Dazu der Wechsel zwischen schroffem Fels und sehr unterschiedlicher Vegetation. Auch das kunstvoll angelegte Bewässerungssystem ist sehenswert.

Am nächsten Morgen geht es bei strahlendem Sonnenschein Richtung Brig am ehemaligen Militärflugplatz Raron vorbei. Dann über den Simplon und durch die enge Gondoschlucht nach Domodossola in Italien mit dem Ziel Lago Maggiore. Im kleinen Städtchen Malesco folge ich der Beschilderung nach Cannobio. Die nächsten 25 Kilometer über verschlafene enge Straßen scheinen nur aus Kurven zu bestehen – ein Genuss. Plötzlich öffnet sich das schmale Tal und gibt den Blick auf den See frei. Die Kombination von Gewässer mit mediterraner Vegetation vor einem Bergpanorama macht mir schlagartig klar, warum so viele Landsleute dem Charme des Lago Maggiore erliegen. Mir geht es nicht anders. Deshalb ist erst einmal eine Pause im Café angesagt.
Das Kopfsteinpflaster setzt gewisse Nehmerqualitäten voraus
Nächstes Etappenziel ist Locarno und damit bin ich wieder in der Schweiz. Auf dem Weg zurück ins Rhonetal werden weitere Pässe unter die Räder genommen: Lukmanier, Oberalp und Gotthard. Speziell die alte Gotthard-Südrampe mit den vielen Kehren auf engstem Raum ist von der Trassenführung her sehr interessant, auch wenn das Kopfsteinpflaster gewisse Nehmerqualitäten voraussetzt. Alternativ kann man die gut ausgebaute neuere Straße befahren. Hier gibt es an einem Aussichtspunkt einen phantastischen Blick auf Airolo. Letzte Passüberquerung des Tages ist der Nufenen, der mich bis auf fast 2.500 Meter Höhe führt. Kein Problem für die Deuce, die sich tapfer in der dünnen Luft schlägt. Später am Abend genieße ich den Sonnenuntergang hoch über der Rhone bei der BLS-Bahnstation in Hohtenn und lasse den Tag gemütlich ausklingen.

Der Heimweg startet am nächsten Morgen zunächst durch das obere Rhonetal zum Furka. Nach den vielen Passüberquerungen in den letzten beiden Tagen bin ich kurvenmäßig gut drauf und quetsche alles aus der Deuce heraus. Endlich kann ich auch mal „Vierzylinder jagen“, ein Holländer auf einem Plastikrenner mit stark verbesserungsfähiger Kurventechnik spielt den Hasen. Leider ist er auf den Geraden dann doch zu schnell, so dass all mein Metallabwetzen in den Kurven nichts bringt. Nicht weit vor der Passhöhe liegt an einer Kehre das Hotel Belvédère mit Zugang zur nahen Eisgrotte im Rhonegletscher und damit die Möglichkeit, sich innerhalb vom nicht mehr ganz so ewigen Eis aufzuhalten.
Traumhafte Kulissen und sagenhaften Bikerrouten
Vielleicht liegt es ja an meiner Abkühlung im Gletscher, auf jeden Fall erklimme ich via Bike später den Klausen wieder etwas gelassener und schwenke dann Richtung Heimat. Zu Hause in München angekommen, hallt noch lange die Erinnerung an diese drei tollen Tage in den Alpen nach, an diese traumhaften Kulissen und die sagenhaften Bikerrouten. Eines steht fest: I – CH komme wieder!
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