Das einzige europäische Indian Museum steht in den Niederlanden. Und es steht immer unter dichtem Rauch.
Kaum hatte Tony das Kino verlassen, schon stand er mit dem Schweißgerät in der Garage. Ein Bike wie im Film Easy Rider wollte er auch haben. Und so entzündeten Dennis Hopper und Peter Fonda in ihm das Custombike-Fieber. Auspuff und Lenker seines „Bromfiets“ wuchsen gen Himmel. Das war der erste Schritt in seiner Karriere als niederländische Schrauberlegende.
Tony verliebte sich in die seitengesteuerten Ureinwohner
Als eine 350er Jawa den Platz seiner kleinen 50er einnahm, wurde auch die zu einem veritablen Chopper, nur ohne amerikanischen V2. Doch nachdem die Polizei Leuwarden Tonys anarchischen Jawa-Umbau im Jahr 1972 konfisziert hatte, fiel endlich ein archaisches Vorkriegs-Bike in seine mächtigen Hände. Auch vor der altehrwürdigen Indian Chief hatte Tony keinen Respekt.
Mit Stufensitzbank und langer Springergabel machte er dem alten Indianer Beine. Tony verliebte sich in die seitengesteuerten Ureinwohner der amerikanischen Motorradkultur. Und er trommelte so lange, bis die meisten holländischen Mitglieder des Stammes auf seiner eigenen Wiese standen.
Indian Museum am Ostufer des Ijselmeeres
Tonys Indianerwiese liegt am Ostufer des Ijselmeeres direkt neben seiner Garage, seiner Werkstatt und seinem Museum samt Devotionalienhandel und Raucherkneipe. Es ist das einzige Indian Museum Europas. Wie Marihuana im Coffeeshop hängen dort die Ersatzteile in kleinen Tütchen an der Wand.
Beliebt sind auch Indian-T-Shirts und Aufkleber, auf denen ein lachender Indianer auf ein Harley-Emblem pinkelt. Hier fließt alles, denn in Tonys idyllischer Heimatstadt Lemmer gibt es vor allem Wasser und damit mehr Boote als Autos. Und einmal im Jahr hat Lemmer auch mehr Indians als Holzschuhe.
„Die ist absolut unverkäuflich!“
Die Niederländer wiederum besitzen an die tausend alte Indians, und da längst nicht alle fahrbereit sind, geht Tony die Arbeit nie aus. Jüngst trat ein Mann mit seinem Sohn in seine Ausstellungsräume und deutete auf eine betörend dastehende Steilwandmaschine. Genau diese Indian sei schon immer das Bike seiner Träume: „Wenn ich heute diese heiligen Hallen verlasse, werde ich das Motorrad gekauft haben. Hugh, ich habe gesprochen.“
„Auf keinen Fall“, trotzte Tony in eine dicke Rauchwolke hinein: „Die ist absolut unverkäuflich!“ „Was würde sie denn kosten, wenn sie käuflich wäre?“, fragte der Mann und deutete damit an, dass er so leicht nicht aufgegeben würde. Tony ist eher Liebhaber als Geschäftsmann, er spart sich sogar das Geld für den Frisör. So versuchte er den Kampf Mann gegen Mann um seinen Schatz zu beenden, indem er eine Summe aufrief, die so horrend war, dass sie hier nicht genannt werden darf. Ohne Erfolg. Der Mann mit dem Sohn streckte ihm die Hand entgegen.
„Hast du nicht noch einen solchen Rahmen auf dem Dachboden?“
Verunsichert beriet sich der Freund des Tabakrauchens am Küchentisch mit seiner Frau Henni, die die Haushaltkasse stets unvernebelt im Blick hat. Sie schaltete schlau: „Hast du nicht noch einen solchen Rahmen auf dem Dachboden?“ „Auch noch einen Motor“, gab Tony grübelnd zu und die Zigarre erlosch. Wieder zurück im Museum ließ er Vater und Sohn nicht länger warten. So kaufte der gleichermaßen entschluss- wie finanzkräftige Indian-Fan die Rarität – wie vorausgesagt.
Und wie einst nach dem Kino eilte Tony sofort in die Werkstatt und stellte in nur drei Monaten ein weiteres Exemplar fertig. Drei Monate? Es hätte noch schneller gehen können. „Mr. Indian of Holland“ ist bis in die Staaten bestens vernetzt. Trotzdem kostet das Besorgen der seltenen Teile im Heuhaufen der großen weiten Motorradwelt die meiste Zeit.
Es gehört immer Qualm dazu
Wer Tony Leenes und seine Gäste aus ganz Europa erleben will, dem sei versichert: Zum friedlichen Pow Wow werden auch Deutsche einrollen. Einmal im Jahr schlagen die Indianer in Lemmer ihre Zelte auf und heißen Motormenschen aus allen Stämmen willkommen. Das Museum ist sowieso ganzjährig geöffnet: „Elke Zaterdag van 13 bis 17 Uhr“, also jeden Samstag Nachmittag. Aber vorher anrufen, damit Tony nicht zufällig außer Haus ist, etwa um Zigarren-Nachschub zu holen.
Diese hochwertigen Rauchwaren werden allen Museumsbesuchern zum Kaffee angeboten, auch den Harley-Treibern, damit diese sich im Feindesland nicht gleich wieder verdrücken. Das ist sozusagen ihre Friedenspfeife. Bei Tony gehört immer ordentlich Qualm dazu. Es gibt Samstag-Nachmittage, da muss man an seiner Theke alle zehn Minuten durchzählen, ob noch alle da sind. Aus der Box ertönt dann „Smoke on the Water“. Und sobald gelüftet wird, ziehen die Rauchschwaden bis aufs offene Ijselmeer.
Info | Tony Leenes Indian Motorcycle Museum
Horchst Lichter würde sagen: „Ein Träumschen.“ Ich sag’s auch