Wer hat eigentlich die allererste Springergabel gebaut? Unsere Story über die Geschichte der Chopper Gabel führt uns ganz weit zurück zu den Anfängen des Motorradbaus.
Habt ihr euch nicht auch schon mal gefragt, warum wir überhaupt lange Gabeln in Choppern fahren? Was waren das für Typen, die sich solche Zubehörteile erdacht haben? Was brachte sie auf ihre Ideen und gab es vielleicht historische Vorbilder? DREAM-MACHINES hat tief in seinen Archiven gegraben und wurde fündig.
Vorne wurde früh gefedert, hinten blieb’s noch lange starr
Am Anfang war das Feuer … Okay, okay, ganz soweit wollen wir nicht zurückgehen in unserer Historie, aber ohne Zweifel brauchten auch Sylvester Roper (USA) und Pierre Michaux (F), die sich in den 1860er Jahren mit zweirädrigen Dampffahrzeugen beschäftigten, irgend eine Art von Vorderradführung. Gottlieb Daimler (D) soll 1885 der erste gewesen sein, der schließlich einen richtigen Verbrennungsmotor in ein zweirädriges Vehikel (mit zusätzlichen Stützrädern und Holzrahmen) einbaute. Und Hildebrand & Wolfmüller (D) waren 1894 die ersten, die den Namen Motorrad in ihrer Patentschrift verwendeten.
Die Gebrüder Werner (F) drängen sich ins Bild, weil sie schon 1896 einen Motor an ein Fahrrad anbauten und damit vielen Fahrradherstellern die Idee lieferten, zum Motorradfabrikanten aufzusteigen. So starteten beispielsweise 1901 NSU (D) als auch Indian (USA) und 1902 Triumph (GB) neben ihrer Fahrradproduktion die Serienherstellung von Motorrädern. In diesen frühen Pionierjahren des Motorradbaus war diese neue Gattung Fahrzeuge nichts anderes als Fahrräder, die mit Motoren ausgestattet wurden.
Gabelbrüche verlangten nach zusätzlichen Versteifungsstreben
Die Motoren waren an der Gabel, im Rahmendreieck, aber auch neben oder über dem Hinterrad angebracht. Die Gabeln und Fahrwerke lehnten sich auch bei Weiterentwicklungen weitgehend ans Vorbild Fahrrad an. Höhere Geschwindigkeiten forderten ihren Tribut. Hier und da gab es schon einige Verstärkungen. Gabelbrüche verlangten nach zusätzlichen Versteifungsstreben und speziell die Hände, Gelenke, die Armmuskulatur und die Steißbeine der Fahrer wurden durch die Stöße der damaligen Straßen arg strapaziert.
Verbesserungen, auch in Sachen Federung, waren gefragt. Und hier setzte die Kreativität der Konstrukteure ein. Schon seit den 1890ern sah man Federungen an exklusiven Fahrrädern. Und ab circa 1903 gab es gefederte Vorderräder auch an Serienmotorrädern. Bei Neuschöpfungen war immer auch darauf zu achten, dass das Funktionsprinzip eines eventuell patentierten Konstrukts der Mitbewerber nicht 1:1 kopiert wurde.
Comeback der Pendelgabeln
Wir sahen uns für diesen Bericht auch in Motorradmuseen um, um die Ideenvielfalt der damaligen Ingenieure – unser Fokus lag auf Vorderradfederungen – zu verdeutlichen. Wir fanden auch frühe Ideen, die später gerne wieder aufgegriffen wurden. Pendelgabeln beispielsweise, wie sie von Gnome-Rhone, Opel-Neander, Terrot und anderen eingesetzt wurden, befinden sich seit 2002 an den Custombikes von Jesse Rooke wieder im Einsatz.
Indian hatte 1905 das „Cushion-Ride“ der Firma Sager angebaut, was ebenfalls eine Pendelgabel war und eine Gabelfederung von knapp 25 Millimetern erlaubte. Man munkelte damals, dass Harley 1906 dieses System kopiert und modifiziert hätte, dann tatsächlich aber 1907 mit einer „Bottom-Link Suspension Cushion Fork“ auf den Markt kam. Dieses Konzept der „Bottom Links“ (der unteren Gelenkhebel) und der nach oben führenden Schubstangen, die vor dem Lenkkopf angebrachte Druckfedern beaufschlagten, behielt Harley-Davidson bei seinen Gabelkonstruktionen dann bis 1948 bei, um sie später abermals neu zu beleben.
Auch NSU und Brough Superior setzten auf Bottom Links
Bottom Links oder Leading Links – auf Deutsch würde der Begriff „kurze geschobene Schwinge“ oder Gelenkhebel passen – wurden freilich weltweit schon von anderen Firmen wie NSU, und später auch Standard, Brough Superior und vielen mehr zur Vorderradaufnahme verwendet. Selbst Indian nutzte bald solche Kurzgelenkhebel. Allerdings führte Indian die Radachse hinter dem Hebeldrehpunkt und die Federung arbeitete über Zughebel und eine beim Einfedern gezogene Blattfeder, die am unteren Ende des Lenkkopfs befestigt war.
Die wahrscheinlich erste Parallelogramm-Gabel kam 1913 von Arthur Drew, der sie nachträglich 1917 unter dem Namen „Druid“ patentieren ließ. Vor dem Lenkkopf verbanden vier Gelenkarme die beweglich gelagerte Rohrkonstruktion, die Federn saßen bei Druid hinter den Gabelrohren. Andere Hersteller setzten einzeln oder doppelt angeordnete Druckfedern zwischen der unteren beweglichen Brücke im Gabelrohrgestell und der oberen Gabellagerbrücke direkt vor dem Lenkkopf ein. Leichtere Konstruktionen vertrauten auch auf Gummilaschen, die auf Zug arbeiteten.
Alles eins: Parallelogramm-, Trapez- und Girder-Gabel
Während bei uns die Parallelogramm-Gabel auch als Trapezgabel bekannt wurde, verwendete der englische Sprachraum den Begriff Girder Fork. Daneben wurden auch gerne die Namen der Hersteller, wie „Tiger“-Gabel oder „Webb“-Fork benutzt. Webb wird die Verbesserung der Gabeln mittels Reibungsdämpfern und sich beidseitig verjüngenden Druckfedern (für progressives Ansprechen) zugeschrieben.
1918 entwarf Carl Neracher (USA) die Ner-a Car, ein geradezu revolutionäres Motorrad, das manches bisher Dagewesene über den Haufen warf. Die Ner-a-Car ließ viele normale Konstruktionsmerkmale links liegen, hatte als herausragendes Merkmal eine rahmenfeste und unbewegliche, waagerecht verlaufende Vorderradgabel, Schwinghebel mit kurzen, an der Schwinge abgestützten Druckfedern und eine Achsschenkellenkung. Jedoch … war da nicht was? Richtig: Eine solche Achsschenkellenkung hatte es bereits 1910 an Motorrädern der Marke James gegeben!
Schwingengabeln gab es bis in die 70er Jahre hinein
1920 brachten die Herren Meixner, Gockerell und Landgraf die Megola auf den Markt. Besonderheit der Megola war ein Fünfzylinder-Sternmotor, zunächst im Hinterrad, später dann im Vorderrad eingebaut. Die anfänglich verwendete Pendelgabel musste nach der Positionierung des Motors ins Vorderrad einer massiv ausgeführten Kurzschwinge mit Blattfedern weichen. 1926 brachte die allgemeine Rezession allerdings das Ende für Megola.
Dass 1938 bei Killinger & Freund in München unter Gockerells Mitwirken nochmals ein Motorrad mit Sternmotor – diesmal ein 3-Zylinder – entstanden war, soll hier nur eine informative Randbemerkung sein. Und wie war das mit den Bremsen? In den ersten zwanzig Jahren des Motorradbaues hatten Verzögerer am Vorderrad eher Seltenheitswert. Erst Mitte der 20er Jahre wurden Vorderradbremsen serienmäßig verbaut (und noch von den meisten Fahrern bis in die 50er Jahre als gefährlich angesehen).
1934: Fisker & Nielsen bringt eine ölgedämpfte Telegabel
Telegabeln, so wie wir sie heute kennen, waren auch nach dreißig Jahren Motorradentwicklung gerade mal angedacht. Lassen wir vereinzelte Versuche mit linear gleitenden Schiebestücken an Gabeln außer Acht, dürften es im Jahr 1934 Fisker & Nielsen in Dänemark gewesen sein, die erstmals eine ölgedämpfte Gabel an ihrer Nimbus verbaut hatten. BMW zeigte 1935 an ihren neuen Modellen, dass sie so etwas auch können und setzten damit Zeichen, die weltweit Beachtung fanden. Die restliche Motorradwelt richtete nun sein Augenmerk auf diese modernen Gabeln.
1943 war das Geburtsjahr der legendären Roadholder-Telegabeln von Norton. War es der Zweite Weltkrieg, der einer raschen Verbreitung der Telegabeln noch im Wege stand? Triumph jedenfalls – nach dem Krieg in Meriden neu beginnend – rüstete seine neuen Modelle ab 1946 nun auch mit Telegabel aus. Motorräder der Edelmarke Vincent hingegen hatten noch bis zum Firmenende 1955 Trapezgabeln eingebaut. Seit 1948 allerdings – als Vincent auf dem Bonneville-Salzsee einen neuen Weltrekord aufgestellt hatte – stammten die so genannten „Girdraulic-Forks“ aus eigenem Hause und waren fortan mit hydraulischen Dämpfern ausgestattet.
1949 läutete Harley das Ende der Springergabel ein
Auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans hatte Vard Wallace im kalifornischen Pasadena von 1946 bis in die frühen 50er Jahre breite Telegabeln zum nachträglichen Einbau in Indians und Harleys gefertigt. Harley-Davidson selbst erkannte den Bedarf und stattete die 1949er Modelle mit ihrer Version einer hydraulisch gedämpften „Hydra-Glide“-Teleskopgabel aus. Von da an war die bewährte Springergabel für Harley-Davidson zunächst Geschichte.
Im kriegsgebeutelten Deutschland brachte die Riedel AG in Immenstadt 1949 ihre 99 ccm große Imme mit einer Triebsatz-Hinterradschwinge und einer einarmigen Trapezgabel auf den Markt. NSU in Neckarsulm war vielleicht nicht ganz so revolutionär mit der 98 ccm NSU Fox. Aber das Kleinmotorrad hatte einen neuartigen Pressstahlrahmen, Zentralfederung des Hinterrades und (!) eine glattflächige, gefällige Pressstahlgabel.
An den Quicklys überlebte die NSU-Springer bis ins Jahr 1968
Die gleichen Ausstattungsdetails bekamen in den folgenden vier Jahren die 200er NSU Lux, die 250er Max und auch das Volksmoped schlechthin, die NSU Quickly, verpasst. Diese NSU-Pressstahlgabel, die fast wie Harley-Davidsons Springergabel arbeitete, versteckte allerdings ihre – bei den alten Harleys so offen liegende – Federung im Innern des Pressstahlmantels. An den Quicklys überlebte die NSU-Springer bis ins Jahr 1968. Geschobene Kurzschwingen-Gabeln im Stile von NSU wurden schon in den späten 50er Jahren auch an den frühen Hondas gesichtet.
Bis 1955 baute BMW Teleskopgabeln in seine Serienmodelle ein. Danach kamen sie mit Langschwingengabeln, wie sie aus England unter dem Namen Earles-Forks bekannt waren. Fast der gesamte Rest der Motorradhersteller blieb den Telegabeln treu, zu denen BMW schließlich 1968 bei den US-Modellen der R 69 S zurückfand. Inzwischen war in den USA die Tradition der Custombikes herangereift und fand nach dem Film „Easy Rider“ auch in Europa seine Fangemeinde.
Die typische Chopper Gabel
Chopper hießen diese Motorräder – und sie fuhren bevorzugt mit verlängerten und verchromten Springer- und Girdergabeln. Ein einsetzender Zubehörmarkt belieferte umbauwillige Kunden mit neuangefertigten Kreationen, die sich – außer in ihrer Länge und ihrem Chromglanz – ganz an die altbewährten Gabelschöpfungen aus den Gründerjahren anlehnten. Die Chopper-Szene blühte vehement auf und verblühte erst Mitte der 80er Jahre. Zumindest war das so in den USA; und zwar aus Gründen der nun herrschenden neuen haftungsrechtlichen Gesetze.
Während bei uns die Chopperparts-Zulieferfirmen sich schon immer um Legalität bemühen mussten, und unsere Custombike-Szene weiter wuchs, orientierte sich in den USA diese Kleinindustrie einfach um. Nur wenige Firmen wie beispielsweise „Durfee“ hatten die Prozedur bis zur Zertifizierung mitgemacht. Die Teilehaftung war der Tod, die Szene wüst am Bröckeln. Die Fans trauerten, waren Springergabeln gleich neben dem V-Twin doch untrennbar mit dem Namen Harley-Davidson verbunden.
Comeback der Springergabel
Und dann der Hit! Was niemand für möglich gehalten hatte: 1988 wurde das kultige Springer-Frontend in verbesserter Form, mit Scheibenbremse und hochglanzverchromt wieder an Serien-Harleys eingeführt. Königin Springer war wieder da! Nach den Evo-Motoren und den Softail-Rahmen wurde sie der nächste Verkaufserfolg der Company. Zunächst an der Softail-Springer und danach in diversen anderen Modellen eingebaut, schaffte sie den Sprung ins neue Jahrtausend. Bis einschließlich Modelljahr 2011, danach hieß es wieder „Sorry, no Springers any longer …!“ Und wieder trauert die Fangemeinde, nun möglicherweise endgültig um ein Relikt aus den Gründertagen.
Realistisch und aus Sicht normaler Motorradenthusiasten betrachtet, war die Springergabel sowieso hoffnungslos veraltet. Also wurde die Telegabel verbessert. Mit Anti-Dive und ABS. Es wurden Duolever- und Telelever-Systeme ausgeklügelt und immer wieder wird auch mal mit Achsschenkellenkungen experimentiert. Wir aber warten. Wir warten auf den nächsten Relaunch. Auf eine wieder einmal verbesserte Version der Harley-Davidson-Springergabel.
Die Chopper Gabel musste lang sein
Als Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre die ersten Chopper bei uns aufkreuzten, konnten wir lange Gabeln nicht als käufliches Zubehör erwerben. Auch in vielen US-Staaten noch nicht. Dort allerdings hatte man sich ans Customizing schon gewöhnt, war es dort ja eine langsame, aber stetige Entwicklung, die schon in den Dreißigerjahren begonnen hatte. In den Staaten hatte es Tradition, dass an Fahrzeugen rumgebastelt wurde, ihnen wurden sogar Namen gegeben!
Hierzulande aber brach die geballte Abartigkeit schlagartig über unsere Fahrzeug-Überwachungsorganisation TÜV herein. In den Fünfzigerjahren waren aus den „Specials“, „Gow Jobs“ und „Bob Jobs“ die „Bobber“ geworden. Sie galten als cool. Von langen Vordergabeln, wie wir sie heute kennen, war noch wenig zu sehen: Leichtgemachte Straßenmaschinen waren das zunächst, die sicherlich ab und zu auch auf der Rennstrecke eine gute Figur abgaben. Die Jungs bauten zweirädrige Hot-Rods und suchten nach Verbesserungen für die Fahrwerke. So waren auch die ersten Teleskopgabeln anstatt der serienmäßigen Kurzschwingen-Springergabeln bei Harleys zum Einsatz gekommen.
Nur wenige Hersteller hatten die modernen Telegabeln in Serie verbaut
Telegabeln waren seinerzeit noch selten und nur wenige Hersteller wie BMW und Nimbus hatten die modernen Gabeln in Serie verbaut. Wer so ein Teil eingebaut haben wollte, musste es selbst anpassen. Im käuflichen Zubehör gab es für Harley-Davidson- und Indian-Motorräder nur Telegabeln von Vard Wallace in Pasadena. Die Firma war bisher schon für ihre Präzisionslehren bekannt, die zur Prüfung und Einhaltung der Toleranzen in der Maschinenbau-Serienproduktion Verwendung fanden.
Während des Zweiten Weltkrieges hatte Vard auch für die US-Armee hydraulische Fahrwerksteile gefertigt. Man wusste dort also, wie man Teleskopgabeln zu bauen hatte. Trotzdem ging das Gerücht um, die Vard-Leute hätten sich bei der Konstruktion ihrer Gabel eine Wehrmachts-BMW als Muster vorgenommen. Egal wie, Vard fertigte von 1946 bis in die frühen Fünfzigerjahre breite Telegabeln zum nachträglichen Einbau in Motorräder. Heute fertigt Jon „Harpoon“ Haprov in Kalifornien (vardmfg.bigcartel.com) exakte Repliken der Vard-Gabel an, weil es einfach kaum noch gut erhaltene Originalexemplare gibt. Und auch in Schweden sorgt ein umtriebiger Geselle (rigidhips.blogspot.com) zeitweise für Nachbauteile.
Harley und Indian erkannten den Bedarf an Telegabeln
Doch zurück ins Jahr 1949, wo auch die großen zwei den Bedarf an Teleskopgabeln erkannt hatten. Harley-Davidsons neue Hydra Glide war nun mit einer ähnlichen, hydraulisch gedämpften Teleskopgabel ausgestattet und bei Indian alle noch im Programm befindlichen kleinen Modelle. Die meisten Vard-Gabeln kamen wahrscheinlich an Big Twin Indians und Indian Four-Modellen zum Einsatz, deren Fahrer ihren hochwertigen Zweirädern ein Upgrade angedeihen lassen wollten.
1953 hatte Indian zwar wieder Big Twins im Programm und alle Indians ab Werk längst Telegabeln, aber die kränkelnde Firma war am Ende und musste schließlich dicht machen. Indian-Fahrer wurden – ohne große Rückendeckung durch Händler – zu Einzelkämpfern der Szene. Aber Anbauteile erst anpassen zu müssen, wenn nicht sogar von Hand anzufertigen, war fast normal und das traf nicht nur Indian-Besitzer.
Auch die Gabeln der Knucklehead-Servicars wurde gerne genommen
In den späten Fünfzigern hatten die Amis dann zwar schon Firmen wie Flanders, Bates, Buco und Beck. Die boten Lenker, Riser, Lampen, Sättel, Schutzbleche, Tanks und andere Nützlichkeiten an. Dies waren aber Firmen, die vorwiegend Teile für sportliche Zwecke anboten und nur bedingt und sehr zögerlich auf die neuen Trends der Straße reagierten. Denn auf der Straße sollten die Bikes nicht bloß schneller aussehen, sie mussten auch schöner werden. Chrom war das Zauberwort.
21-Zoll-Vorderräder anstatt der üblichen 16- und 18-Zöller brachten etwas mehr Bodenfreiheit. Weitere Schräglagenfreiheit wurde durch die Verwendung der geschmiedeten, ein Zoll (= 2,54 cm) längeren Springergabeln der alten Harley-Davidson VL-Typen von 1930 bis 1936 gewonnen. Später verwendete die Umbauszene auch die Springergabeln der ganz frühen Armee-WL-Typen und des XA-Armee-Boxers von Harley-Davidson, auch die Gabeln der noch rareren Knucklehead-Servicars wurde gerne genommen.
Die Szene sucht Alternativen zu den Originalgabeln der Hersteller
Alle drei Gabeltypen brachten zweieinhalb Zoll (= 6,35 cm) mehr Länge. In der Szene wird diese längere Version gemeinhin die XA Springer genannt und natürlich wurden diese einst schwarz lackierten Springergabeln nicht ohne glänzende Chromschicht eingebaut. Mit einer verchromten VL- oder XA-Springergabel konnte man sich schon ziemlich gut von der Menge absetzen. Allerdings kostete so eine VL-Gabel schon damals gut viermal so viel wie ein „normales“ Springer-Frontend.
Jedoch, als das Verlängern von Gabeln immer populärer wurde und die Leute nach noch mehr Länge verlangten, fiel der Wert der VL-Springer wieder. Zu schwierig war die nochmalige zusätzliche Verlängerung ihrer geschmiedeten hinteren Gabelbeine, die die Form von Doppel-T-Trägern aufwiesen und die sich zudem noch konisch nach unten hin zuspitzten. Anders war das bei den Springergabeln der UL-, WL-, Knucklehead- und Panhead-Modelle: Mit Hilfe spitz zulaufender Ovalrohre vom Schrotthändler – Henry Fords Model A waren die Schlachtopfer – konnte ein geschickter Schweißer die originalen H-D Springergabeln unglaublich verlängern.
Durch radikale Verlängerung zur Chopper Gabel
Im „Choppers Magazine“, einem Heftchen, das der deutschstämmige „Kustom“-Trendsetter Ed „Big Daddy“ Roth in den Sechzigern herausgegeben hatte, gab es Anleitungen, wie sowas gemacht werden konnte. Und es gab natürlich Adressen von Firmen wie Buchanan’s, die solche Arbeiten erledigten. Die Trapezgabeln der Indian-Scout und mancher europäischer Vorkriegs-Bikes waren sogar noch einfacher umzuschweißen.
Und sie schrien, genau wie die verlängerten Springergabeln, nach einer hochglänzend verchromten Oberfläche. Für die Telegabeln der Hydra-Glide, Sportster, Triumph und dann auch für die Honda gab es einerseits die „Slugs“, die falsch montiert zu Todesfallen werden konnten. Slugs waren einschraubbare Verlängerungen, die in das obere Gabelverschlussgewinde eingedreht wurden. Aber es gab auch längere Komplettstandrohre, wie sie von „Forking by Frank“ angeboten wurden.
Chopper Gabel mit 20 Zoll Überlänge
Um die einzubauen, musste jedoch die komplette Gabel zerlegt werden. Wer das tat, konnte auch gleich schmälere oder gereckte Gabelbrücken einbauen. Es war total abgedreht: Jeder versuchte mit einer noch wilderen Gabelkonstruktion sein Bike in den Vordergrund zu rücken. Die einen verzichteten auf eine Vorderradfederung und fuhren starr, die anderen ersannen die wildesten gefederten Kreationen.
Teilweise wiesen die Dinger über zwanzig Zoll Überlänge auf. Wie etwa die Springergabel an der „Locomotion“, der Shovelhead-Harley des Szene-Gurus Dick Allen. Dick hatte schon Mitte der Sechziger Trapezgabeln verlängert und verchromen lassen. Nachdem ihm allerdings während eines Fotoshooting-Wheelies seine Girder angebrochen war, orientierte er sich um und baute Springergabeln.
Die Springergabel von Dick Allen
Dick war sicherlich der Erste, der in seinem Shop komplett neue, lange und trotzdem verwindungssteife und bruchsicher Springergabeln herstellte. Dick war ständig am optimieren. Jeder in der Szene kannte ihn und er kannte jeden Spezialisten. Wenn er wieder mal was Neues ausbaldowerte und er keine zufriedenstellende Antwort bekommen konnte, testete er einfach so lange, bis sein Ergebnis positiv war.
Das Material für seine Springergabeln wählte er beispielsweise beim Eisenhändler aus, indem er sich an das Ende von viereinhalb Meter langen Eisenstangen hängte. Das Material seiner Wahl war Chrommolybdänstahl, weil es am wenigsten nachgab. Ein extrem hochfester Werkstoff, der aber nur mit Vorsicht und Sachverstand zu schweißen ist. Dick meisterte die Schwierigkeiten und machte seine Gabeln viel schmaler, als es die serienmäßige Springergabel von H-D war.
Schmale, lange, verchromte Vordergabeln waren „in“
Eigentlich wollte er damit nur erreichen, dass sich die Gabel mit einer kurzen Vorderachse beim Bremsen weniger verdreht. Trotzdem hatte Dick Allen mit ihr einen neuen Trend gesetzt. Schmale, lange, verchromte Vordergabeln waren fortan in. Die Dick-Allen-Springer war vollverchromt, aber sonst ohne jeglichen Schnickschnack. Eine weitere Spezialität von Dicks Gabeln waren die unteren Schwinghebel mit drei Achsaufnahmelöchern.
Es war also möglich, das Vorderrad in drei unterschiedlichen Positionen einzubauen und damit den Nachlauf – sprich: die Geradeauslaufeigenschaften – zu korrigieren. Die Gabel war so schmal, dass nur die sogenannten Spool Hubs (= Radnaben ohne Bremse, die aussehen wie eine Garnspule) von Buchanan’s reinpassten. Aber echte Hardcore-Biker bauten damals sowieso keine Vorderradbremsen ein, die taugten eh nichts. Und man machte das natürlich wegen der Optik, auch wenn es ungesetzlich war.
Schmale Gabelbrücken dienten der Verwindungssteifigkeit
Dick Allen selbst war immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Er musste sogar wegen Rauschgiftbesitz und -handel in den Knast. So war es nicht verwunderlich, dass seine Gabeln – weil zeitweise nicht lieferbar – kopiert und nachgebaut wurden, und zwar bis zum heutigen Tag. Steve Sharp gehörte beispielsweise zu der Gruppe, die mit „Fats“ abhingen, der damals für Dick Allen ab und an schweißte und nach dem Tode Dick Allens dessen Gabeln nachfertigte.
Steve Sharp baut, nachdem auch Fats nicht mehr lebt, diese Gabeln für seine Freunde – die South Bay Originals – nach. Jedoch mit einem Unterschied: Dick Allen baute seine Gabeln nur „Inline“. Die Gabel am orange-braunen Chopper (siehe Bildergalerie) wurde in den Gabelbrücken mit „Offset“ (Versatz nach vorne) gemacht, so wie es beispielsweise auch „Sugar Bear“ bei seinen Gabeln macht. Aber das ist eine andere Geschichte.