Drei Männer aus dem hohen Norden holen mit einer extrem heißgemachten Harley-Davidson FXDR am Glemseck den dritten Platz.

Es sollte doch nur was für den Spaß sein. Irgendwie ohne hohe Ansprüche, einfach mal eben vom Stammtisch auf den Asphalt. Als vor über fünfzehn Jahren ein paar Enthusiasten die alte Solitude-Rennstrecke rund ums Glemseck wieder aktivierten, rechnete niemand mit der technischen Hochrüstung der Neuzeit. Heute geht kaum noch was ohne Lachgas-Einspritzung und auch nicht ohne moosgummiweiche Slick-Reifen von Hoosier, die nach einem Tag auf dem Dragstrip natürlich in die Tonne geschmissen werden können.

Fünf Sekunden für die Achtelmeile …

Der Dragstrip, das ist eine Achtelmeile, also 201 Meter und 17 Zentimeter. Viel länger geradeaus geht es hier auch nicht auf der kurvenreichen Solitude südwestlich von Stuttgart. Aber diese Achtelmeile meistert man in den Königsklassen innerhalb von fünf oder sechs Sekunden und schießt über die Ziellinie mit einer Geschwindigkeit von etwa 170 Sachen.

Probe-Burnout. Immer überwacht Meister Daniel das Geschehen

Und Königsklasse, das sind die Klassen „International Class“ und „Rocket Race Club“. Der Rocket Race Club ist die etwas abgedrehtere Liga mit einem offeneren Reglement, in der manchmal nicht mal mehr die Herkunft eines Rahmens oder eines Motors zu erraten ist. Und in beiden Klassen treten nur noch Profis an. Unter ihnen auch die Tuning-Truppe von Don Performance aus Bremen, die den weiten Weg aus dem hohen Norden für diesen einen Renntag auf sich genommen haben. Sie sind zum dritten Mal dabei, und sie wollen immer besser werden.

Harley-Davidson FXDR mit 128 Kubikonch

Dons „Powertracker“ ist eine Harley-Davidson FXDR der aktuellen Milwaukee-Eight-Generation. Serienmäßig hat die 114 Kubikinch Hubraum, das sind 1868 Kubikzentimeter. Nicht so bei der FXDR von Don Performance, dem Spezialisten fürs Heißmachen von Harley-Motoren. Dons FXDR weist 128 Kubikinch auf, das sind 2100 Kubikzentimeter. Ihre Leistung hat Don verdoppelt, ihr Drehmoment ebenfalls, das verdankt sie einer zusätzlichen Lachgaseinspritzung, mehr dazu auf den folgenden Seiten in unserer technischen Vorstellung.

Thilo beim Abstimmen der scharfgemachten FXDR mit Daniel

Hochrüstung also. Über das Geld, das in den Bikes dieser Klasse steckt, wollen wir gar nicht reden. Denn jetzt ist es Samstagmittag, am ersten September-Wochenende. Sechzehn heißgemachte Dragbikes und ihre Fahrer sammeln sich im Startfeld des „Glemseck 101“. Zwei Jahre Zwangspause wegen der Corona-Maßnahmen liegen hinter allen. So lange haben auch Daniel Fries und Andreas „Don“ Taphorn sich auf diesen Tag vorbereitet, haben als Dritten im Bunde den professionellen Rennfahrer Thilo Günther engagiert. Wenn sie Renngäule wären, dann würden sie jetzt mit den Hufen scharren.

Die Strecke muss für das Rennen absolut trocken sein

Und dann das: Regen braut sich zusammen, und plötzlich prasseln heftige Schauer auf die Solitude nieder. Alle drängen sich unter den Pavillons, bis sie ahnen, dass es nun noch ein bisschen dauern wird. Die Strecke muss für das Rennen absolut trocken sein. Wer raucht, der hat jetzt viel Zeit dafür. Was gäbe es unter den Pavillons sonst zu tun, außer warten? Warten.

Kurz vor dem Start prasselt der Regen nieder. Es sollte drei Stunden ­dauern, bis die Bahn wieder trocken war

Drei oder vier Stunden später ist es endlich so weit. Die Strecke ist trocken. Die Veranstalter des Glemseck 101 haben ihre Brennplatten wieder freigegeben. Werkstattmeister Daniel flucht. Die Brennplatten sind aus Metall. Das schont den Asphalt, der so nicht beschädigt oder gar aufgerissen wird. Aber Metall hat weniger Reibungswiderstand, weshalb die Reifen hier nicht so heiß werden. Und je heißer das Gummi eines Reifens, desto besser haftet er und katapultiert das Bike ohne Gripverluste nach vorne.

Die Ausscheidungen erfolgen im „Shoot Out“

Auf Asphalt kann man die Reifen schon mal auf 100 Grad erhitzen. Auf einer Metallplatte geht das nicht. Aber diese Bedingungen gelten ja für alle. Wasser muss Daniel trotzdem dazugießen, um den klebrigen Hinterreifen überhaupt ins Gleiten zu bringen. Dann endlich geht’s an die Startflagge. Keine Ampel, keine Lichtschranke. Einfach nur eine Startflagge.

Die Brennplatte ist aus Metall, damit die Veranstalter nach dem Rennen keinen Asphalt flicken müssen. Aber Metall bringt die Reifen nicht auf die gewünschte Temperatur von 100 Grad. Daniel muss obendrein Wasser dazugießen, damit der weichgummierte Reifen losbricht

Das ist womöglich das einzige, was von der ursprünglichen Idee des Glemseck 101 übriggeblieben ist. Endlich fällt die Flagge auch für die FXDR. Die nächsten Sekunden sind entscheidend, denn die Ausscheidungen erfolgen im „Shoot Out“. Das ist nichts anderes als ein K.O.-System, denn unter den Bedingungen von Glemseck können keine echten Zeiten gemessen werden.

Harley-Davidson FXDR vs. Radical Guzzi

Im ersten Lauf sieht es noch gut aus für Don. Dieses Glemseck ist das Glemseck des Favoritensterbens. Das Team von Kawasaki, dem alle einen Platz auf dem Siegertreppchen prophezeit hätten, scheidet schon im ersten Lauf aus. Don Performance schafft es in den zweiten. Neben ihnen die Maschine vom Team „Radical Guzzi“. „Die sind richtig gut“, wird Don später sagen.

Das Team von Radical Guzzi wirft Don Performance zweimal aus dem Rennen

Die Flagge fällt, die Maschinen brüllen los, Thilo lässt die Kupplung springen, die heißegemachte Softail schießt nach vorne, zweiter Gang, dritter Gang. Doch da rollt schon die Moto Guzzi vor ihm über die Ziellinie. Das also war das Rennen in der International Class. Don Performance ist für heute raus. K.O. Am Sonntag ist auch noch ein Tag. Notgedrungen. Der „Rocket Race Club“ hätte eigentlich auch am Samstag starten sollen. Wegen des Wetters musste er auf den nächsten Tag verschoben werden.

Harley-Davidson FXDR auf dem Siegertreppchen

Das immerhin ist eine zweite Chance für Don Performance. Und diesmal sieht es besser aus. Fünf oder sechs Läufe entscheiden die Harley-Treiber mit der Startnummer „8“ für sich, immer fliegt der Gegner raus. Das geht Schlag auf Schlag, wie immer keine Gelegenheit, was zu justieren oder ein Ersatzteil zu tauschen. Nach einer knappen Stunde, im vorletzten Lauf, stehen sie wieder neben den Jungs von Radical Guzzi, die „richtig gut“ sind.

Platz drei ist auch ein Siegerplatz. Das Winning Team mit Chef Don, Fahrer Thilo und Mechanikermeister Daniel

Das sind sie auch diesmal. Sie werfen Don Performance schon wieder aus dem Rennen. Es hätte schlimmer kommen können. Ein dritter Platz ist immerhin ein Platz auf dem Siegertreppchen. Es gibt sogar einen Pokal zum Mitnehmen. Aber es gibt nicht mehr so eine richtige Gelegenheit zum Feiern. Es ist inzwischen Nachmittag, alle denken nur noch an die Heimfahrt und an endlose Kilometer auf der Autobahn.

Glemseck 101 ist in der Hochrüstung angekommen

„Jetzt wär es aber mal an der Zeit, sich am Pavillon von Harley-Davidson ein Bier ausgeben zu lassen“, sagt Don. Und das macht Harley-Davidson auch. Immerhin. Dann gilt es, den FXDR-Racer zu verzurren und sich auf die Autobahn zu drängen. Da sitzen sie dann über endlose Kilometer. Wenigstens werden die staufrei verlaufen. Einer will noch ein weiteres Bier aufmachen, plöpp, aber so richtig in Partylaune kommen sie auf der Strecke nicht. Die meisten bleiben nüchtern.

Gerade mal fünf bis sechs Sekunden dauert der Spaß auf der Achtelmeile in der Königsklasse

Der klare Kopf hat aber auch seine Vorteile. Schon folgt die Manöverbesprechung. Soviel ist sicher: Im nächsten Jahr muss das noch besser werden. Es wird einen Star-Racing-Motor von George Bryce geben. Und an der Übersetzung des Sekundärantriebes wird auch noch was geändert werden. Damit sie nicht mehr zwei Mal schalten müssen. Schalten kostet Zeit. Dazu also vielleicht noch eine Schaltautomaten. Von wegen nur was „für den Spaß“, irgendwas „ohne hohe Ansprüche“. Glemseck 101 ist in der Hochrüstung angekommen.

Info | don-performance.com