Viele der schönsten Nationalparks der USA liegen in Utah – und die erkundet man am besten im Sattel einer Harley.
Abrupt endet die bewaldete Ebene des Kaibab National Forest unter uns, und wir schweben über einer riesigen Schlucht – dem Grand Canyon. Mindestens 1500 Meter tiefer fließt der grünblaue Colorado River, der sich seit Urzeiten seinen Weg durch das Felsplateau bahnt und dieses Naturwunder geschaffen hat. Bunte Gesteinsschichten und bizarre Felsformationen versetzen uns in ehrfurchtvolles Staunen, die Ausmaße sind schier unermesslich.
„Können wir etwas tiefer gehen?“ frage ich unseren Hubschrauber-Piloten. Er könnte schon, darf aber nicht. Nun gut, auch vom oberen Rand aus sehen wir viele Details und gewinnen einen umfassenden Einblick in die Vielfalt und die gewaltigen Dimensionen. Gigantisch, faszinierend, mystisch, heilig, phänomenal – diese Beschreibungen passen nicht nur auf das erste Highlight unserer Rundreise, wie sich noch herausstellen soll.
Auf den Spuren von Easy Rider
Auf dem Highway 64 entlang des Südrands (South Rim) des Grand Canyons, stoppen wir mehrmals an verschiedenen Aussichtspunkten und können uns kaum satt sehen. Doch irgendwann müssen wir uns losreißen. Über die 89 gelangen wir zum Abzweig ins Wupatki National Monument, dann weiter zum Sunset Crater und damit auf historischen Filmboden. 35 Jahre ist es her, dass ich den Kultfilm Easy Rider zum ersten Mal gesehen habe, was zweifellos mein Harley-Gen aktiviert hat. „Hier, genau an dieser Stelle, hat Peter Fonda den Hippie mitgenommen.“
Fotograf Horst ist sich absolut sicher. Mehrmals habe er sich in Vorbereitung auf diese Tour Minute 16 bis 17 angeschaut und es bestünden keine Zweifel, beteuert er. Helm ab! Frei wie der Wind genießen wir die Fahrt auf unseren bollernden V2-Maschinen und gleiten durch die hügelige, bewaldete Landschaft, die von schwarzen Lavafeldern und gelben Blumen durchzogen ist. Zurück an unserem Ausgangspunkt Flagstaff, steuern wir die Eagle Rider-Station an der Route 66 an. Micky und Peter haben sich ihren Traum erfüllt und eine historische Tankstelle stilecht zum Stützpunkt ihres Motorrad-Reiseunternehmens „bike the best“ umgebaut.
Reiseerlebnis USA auf Harley – Utah und seine Nationalparks
Früh am Morgen starten wir zur großen Utah-Runde. Die Route ist einfach: 66, 89, 160, 163 – Richtung Nordosten ins Navajo-Gebiet. Am Highway 89 finden wir ein weiteres Relikt aus dem berühmten Bikerfilm, nämlich die Tankstelle, an der Billy dem Tankwart die Zapfpistole aus der Hand nahm. Felicia und Gerd spielen die Szene nach – sehr zur Verwunderung der heutigen Tankstellenbetreiber. Wir stoppen kurz an der Cameron Trading Post, die vor einer großen Stahlbrücke über den Little Colorado River liegt. Hier gibt es alles, was das Wildwestherz begehrt: Hüte, Gürtel, Figuren, T-Shirts, Bilder und natürlich viel Kitsch.
Über Tuba City und Kayenta donnern wir Richtung Monument Valley und fangen langsam an zu frieren. Für Ende April ist es eindeutig zu kalt. Der Wind bläst heftig und der Horizont sieht finster aus. Es scheint nicht mehr lange zu dauern, bis wir unsere Regensachen anziehen müssen. Doch wir haben Glück. Im Monument Valley angekommen, präsentieren sich die markanten roten Felsen in dramatischem Licht und somit in außergewöhnlicher Schönheit. Dunkle und helle Wolken, dazwischen blauer Himmel – eindrucksvoller hätten wir es nicht bestellen können. Nur wärmer ist es nicht geworden … Angesichts dieser Tatsache lassen wir den Goosenecks State Park links liegen, fahren direkt ins Hotel nach Bluff und gönnen uns erst mal eine heiße Dusche.
Tausend Jahre altes Kiva der frühen Pueblo-Indianer
Warm eingepackt machen wir uns nach dem herrlichen Frühstück mit Pflaumenpfannkuchen weiter auf die Reise. In Blanding schauen wir uns das archäologische Edge of the Cedars State Park Museum an. Auf der Freifläche dürfen wir über eine schmale Holzleiter in ein tausend Jahre altes Kiva hinabsteigen, ein Zeremonien- und Versammlungsraum der frühen Pueblo-Indianer. In eine frühere Zeit zurückversetzt fühlen wir uns auch im Roughlock RV Park bei Monticello, als wir unsere Stahlrösser vor dem Running Iron Inn abstellen.
Das Anwesen war einmal eine Verleihstation für Filmrequisiten, und genauso sieht es heute noch aus. Vom Sattel bis zur Flinte, vom Schaukelstuhl bis zur Lizenz fürs horizontale Gewerbe ist so ziemlich alles vorhanden, was man für einen Westernfilm brauchen kann. Das Beste aber sind die hervorragenden Steaks, die Bob für uns grillt. Die schneebedeckten La Sal-Mountains am Horizont, folgen wir der 191 Richtung Moab.
USA Roadtrip auf Harley – Utah bietet Fahrspaß und Naturwunder
Etwa 20 Kilometer davor lockt das „Hole N” the Rock“ zu einem Stopp. Zwölf Jahre lang höhlte der Däne Albert Christensen einen riesigen Sandsteinfelsen aus, um darin eine Wohnung einzurichten. Nach seinem Tod 1957 ließ seine Frau das „Loch im Felsen“ vollenden. 14 Zimmer, Kamin, Küche, Badezimmer – es ist alles vorhanden, großzügig bemessen und zum Großteil höchst kurios eingerichtet.
Einzigartige, von der Natur geschaffene Kunstwerke können wir wenig später im Arches Nationalpark bewundern. Hier findet man die größte Anhäufung von natürlichen Steinbögen (arches). Manche sieht man aus der Ferne, zu anderen muss man ein Stück hinlaufen. Wer das Wahrzeichen Utahs, den Delicate Arch, sehen möchte, sollte gut zu Fuß sein, denn es geht drei Kilometer auf unbefestigten Pfaden bergauf. Erwartungsvoll machen sich Gerd und Horst auf den Weg und werden mit sensationellen Fotomotiven belohnt. Der Rest der Truppe cruist zurück nach Moab und dann an der wunderschön geschwungenen 128 am Colorado entlang zur Red Cliffs Lodge, wo wir uns für zwei Nächte einquartieren.
Schwere Schneewolken und ein eisiger Wind
Wir sind mitten im „John-Wayne-Country“. Zahlreiche Westernfilme und Werbespots wurden in dieser faszinierenden Gegend gedreht, was im hauseigenen Museum dokumentiert ist. Wir haben unseren eigenen Bikerfilm im Sinn und freuen uns schon auf die bevorstehende Tagestour in den Canyonlands Nationalpark. Während morgens beim Aufbruch die Temperaturen recht angenehm waren, wird es nun zusehends ungemütlich. Über dem Dead Horse Point hängen schwere Schneewolken und ein eisiger Wind bläst uns ins Gesicht. Wir drehen um und versuchen unser Glück bei den Islands in the Sky, wie der nördliche Teil der Canyonlands genannt wird.
Am Grand View Point, von dem sich ein spektakulärer Ausblick in die Tiefe ausbreitet, ereilt uns dann tatsächlich ein Schneegestöber. Es ist aber nur von kurzer Dauer. Am Mesa Arch strahlt wieder die Sonne, die Luft ist klar, der Weitblick über die Schluchten hervorragend. An solchen Tagen werden Postkartenmotive fotografiert.
Die Landschaft erscheint unendlich weit
Zurück in Moab wird’s richtig heiß: Zwei Hummer-Geländewagen stehen für uns bereit. Inklusive Fahrer, denn sicher über die mal glatten, felsigen oder sandigen Pisten zu pilotieren, erfordert viel Erfahrung. Zumal die Steigungen und Gefälle bis zu 60 Prozent betragen, sehr enge Passagen dabei sind und man stellenweise dem Abgrund sehr nahe kommt – ein außergewöhnliches Erlebnis! Wir verlassen die Red Cliffs Lodge in nördlicher Richtung auf der US 128. Noch viele Meilen genießen wir das Panorama der roten Felsformationen, bis wir auf eine Hochebene kommen.
Parallel zur Interstate 70 nehmen wir Kurs nach Westen, passieren Green River und biegen bald darauf auf den Highway 24 nach Süden ab. Die Landschaft erscheint unendlich weit, in der Ferne sind Höhenzüge erkennbar, teilweise von Schnee bedeckt. Langsam nähern wir uns dem Capitol Reef Nationalpark. Erneut tauchen wir ein in eine bezaubernde Landschaft mit roten Felsen, die aber doch wieder ganz anders beschaffen sind. Täglich fragen wir uns, ob dies wohl noch zu toppen sei. Wir folgen der Aussichtsstraße bis zum Capitol Gorge; ab hier geht es nur noch asphaltfrei weiter. Wie in den anderen Parks auch, gibt es einige Naturstraßen, die wir aber mit unseren Harleys nicht befahren.
Highway 12 – „All American Road“
Als perfekte Harley-Road hingegen entpuppt sich anderntags der Highway 12, der als „Scenic Byway“ gekennzeichnet ist. Er soll sogar eine der schönsten Aussichtsstraßen der USA sein und trägt deshalb den stolzen Titel „All American Road“. Nach einer frostigen Nacht in Torrey, das auf rund 2000 Metern Höhe liegt, ziehen wir uns heute besonders warm an. Die Route führt stetig bergan, die Temperaturen fallen, am Straßenrand liegt Schnee. Die klare Luft sorgt für eine exzellente Fernsicht über die bewaldete Landschaft – so in etwa stelle ich mir Montana vor. Der höchste Punkt liegt auf 9600 Fuß, das sind knapp 3000 Meter. So hoch kommt man in den Alpen mit einem Motorrad nicht.
Nur wenige hundert Meter tiefer liegt der Bryce Canyon. Streng genommen ist er gar kein Canyon, da er nicht durch einen Fluss, sondern durch Erosion gebildet wurde. Aber genau diese Formen machen den Bryce so besonders. Bis zu 60 Meter hohe, bizarre Felsnadeln, so genannte Hoodoos, reihen sich eng aneinander und bilden natürliche Amphitheater. Die bekanntesten Hoodoos sind Queen Victoria, The Hunter und Thor’s Hammer. Bei Sonnenauf- und untergang ist das Farbenspiel so faszinierend, dass die Aussichtspunkte fest in den Händen von Fotografen sind. Orange, rosa und beige Farbtöne mischen sich mit dem Grün der Kiefern unter einem tiefblauen Himmel.
Die Gesteinsformationen des Zion-Parks ist majestätisch
Die vorletzte Tagesetappe beginnt auf dem Highway 12, der schon bald an die 89 stößt, der wir nun Richtung Süden folgen. Nur 80 Meilen später stehen wir am Eingang zum ältesten Nationalpark Utahs, dem Zion. Hier ist der Touristenandrang deutlich höher als in den zuvor besuchten Parks. Und es ist endlich wieder einigermaßen warm. Nach einer ausgiebigen Foto- und Filmsession checken wir in Springdale in der Majestic View Lodge ein.
Der Name sagt schon alles, denn der Ausblick auf die Gesteinsformationen des Zion-Parks ist in der Tat majestätisch. Einige von uns fahren deshalb noch einmal zurück, um weitere Fotos zu schießen. Erwin und ich sind mittlerweile so übersättigt von den vielfältigen Naturschauspielen, dass wir uns für einen Trip nach St. George entscheiden. Ziel ist der Harley-Händler, denn unsere T-Shirt-Sammlung ist noch lange nicht komplett …
USA Tour auf Harley – Das Beste zum Schluss
Unser Aufenthalt in Utah nähert sich dem Ende, doch es warten noch zwei weitere Highlights auf uns. Kurz nach der Grenze zu Arizona beziehen wir Quartier in Page am Lake Powell. Etwas südlich der Stadt, Richtung Bitter Springs, führt ein sandiger Fußweg zum Horseshoe Bend. Hier fallen rote Felswände fast senkrecht ab, etwa 300 Meter tiefer fließt der grünblau schimmernde Colorado in einer Schleife um einen Felsblock. Das ist wirklich spektakulär. Man sollte sich allerdings nicht zu weit an den Abgrund wagen, denn hier ist absolut nichts gesichert.
Als Slot Canyons bezeichnen die Amerikaner enge, durch fließendes Wasser geschaffene Schluchten. Der Antelope Canyon ist der bekannteste; es gibt einen oberen und einen unteren. Wir entscheiden uns für den oberen (upper), weil dieser leicht ebenerdig begehbar ist; allerdings ist er ausschließlich per geführter Jeep-Tour zu erreichen. Der Anblick, der sich in der Felsspalte bietet, ist kaum in Worte zu fassen.
Harley, Utah, Nationalparks – ein gigantischer Trip
Völlig unwirklich, wie gemalt, erscheinen die vom Wasser geformten Sandsteinwände durch das spärlich einfallende Licht. Die Formen und Farben sind einzigartig, traumhaft und unvergesslich. Wie benommen machen wir uns auf den Rückweg nach Flagstaff und lassen die Tour vor unserem geistigen Auge noch einmal Revue passieren. Es war ein gigantischer Trip, den ich jedem nur empfehlen kann.
Info | bikethebest.de | utah.com | goutah.de