Dass in Südafrika Weine von Weltruf wachsen, ist kein Geheimnis. Dass es zwischen den Weingütern auch phantastische Motorradstrecken gibt, schon eher. Also wagen wir eine Genuss-Tour mit einer Harley Wide Glide…
Schon früh am Morgen spüre ich, wie mir die Sonne aufs Leder brennt. Ich bin auf dem Weg zum ursprünglichsten Pass der Tour. Kurz hinter Wellington kratzt die Wide Glide bereits an den ersten Kurven. Ein paar Bäume bieten etwas Schatten und damit ein Wechselspiel der Temperaturen. Es riecht nach Harz und Tannennadelöl, nach frisch gemähtem Gras und dann nach feuchtem, verbranntem Holz. Ein heftiges Buschfeuer hat hier kürzlich gewütet.
Ein Fall für den Meister des südafrikanischen Bergstraßenbaus
In vielen Kurven schlängelt sich die enge Straße den Bains Kloof Pass weiter nach oben. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Weg vom Nordosten aus nach Kapstadt äußerst mühsam, weil die mächtige Bergkette hinter Paarl ein unüberwindbares Hindernis darstellte. Reisende mussten mit ihren Pferde- und Ochsenwagen lange Umwege in Kauf nehmen. Ein Fall für den Meister des südafrikanischen Bergstraßenbaus, für Andrew Geddes Bain. Er fand die mögliche Verbindung zwischen Wellington und Ceres durch die Slanghoek Mountains lange bevor es Motorräder gab.

Kaum zu glauben, da die Strecke wie für Biker gemacht erscheint. 1853, nach vier Jahren Bauzeit, hatte Bains die Straße, die auch heute noch als Meisterwerk gilt, fertig gestellt. Weil es damals noch kein Dynamit gab, sprengte er die Trasse mit Schießpulver in das Muttergestein. Gewaltige Stützmauern mussten dort errichtet werden, wo sich die Straße mehr als 100 Meter an der Kante eines steilen Abgrundes entlang schlängelt. Die schönen, akkuraten Natursteinmauern stehen heute noch.
Mit der Harley Wide Glide in Südafrika
Die Fahrt über den unter Denkmalschutz stehenden Bergübergang ist ein abenteuerlicher Ausflug in die Vergangenheit. Vom Pass in 610 Meter Höhe bietet sich ein Panoramablick über Wellington und Paarl sowie das Swartland im Südwesten. Auf den Natursteinmauern balgen sich halbstarke Paviane. Ein kurzer Gasstoß und die Antwort der Screamin’ Eagle-Auspuffanlage hält sie wirksam vom Asphalt fern. Jenseits der Passhöhe wird die Strecke erst richtig schön, ein bisschen holprig zwar, aber dafür noch enger und kurviger. Jetzt wird das Ausmaß des letzten Feuers deutlich. Links der Straße ist der komplette Hang kilometerweit verbrannt. Morgentau liegt auf dem froschgrünen Teppich, der sich bereits über der Asche ausbreitet. Zwischen den Felsen staut sich die Hitze. Und der Zweizylinder wärmt ordentlich von unten her. Zeit für eine Erfrischung.

Die etwas unterhalb des Passes liegenden, natürlichen Felsenpools von Tweede Tol sind vor allem im Sommer geniale Erfrischungsstopps. Am Eingang zum Picknickplatz ist ein Tor, das nach Zahlung eines kleinen Eintrittsgeldes geöffnet wird. Die glasklaren Felsenpools sind fast zu schön, um wahr zu sein. Trotz der Hitze sind sie atemberaubend kalt und tief genug, um hineinzuspringen, ohne den Grund zu berühren. An Werktagen sind praktisch nie andere Besucher da. Traumhaft erfrischt geht es weiter. Die Wide Glide übertreibt es etwas mit der Sitzposition, Arme und Beine sind weit gespreizt, als wollte man beim Fahren die ganze Welt umarmen.
Mit der Harley unterwegs auf Traumstrecken in Südafrika
Das Örtchen Tulbagh, über einen kleinen Abstecher zu erreichen, ist Idylle pur. Hier sieht es aus, als sei die Zeit stehen geblieben. Die Church Street wird von über 30 makellosen kapholländischen Häusern flankiert, eines schöner als das andere. Doch der erste Eindruck täuscht. Am 29. September 1969 legte ein Erdbeben der Stärke 6,5 auf der Richter-Skala die historische Stadt in Schutt und Asche. Alle Häuser sind nach alten Plänen wiederaufgebaut worden, deshalb sehen sie heute besser, da originaler aus als vor dem Beben. Die Church Street ist Südafrikas einzige Straße, in der jedes Gebäude unter Denkmalschutz steht.

Auf der R 43 geht es nach Worcester und über eine der schönsten Teilstrecken der N 1 wieder Richtung Kapstadt. Weite Kurven werden auf beiden Seiten von mächtigen Bergketten flankiert. Eine von ihnen steht im Weg. Doch es führt sowohl ein mautpflichtiger Tunnel hindurch, als auch ein historischer Pass darüber hinweg. Der früher holprige Du Toits Kloof Pass wurde erst kürzlich komplett neu geteert, was ihn in eine Motorradtraumstrecke verwandelt hat.
Harley ist in Südafrika schwer angesagt
Südafrikanische Biker scheinen das anzuerkennen. Das Land hat derzeit mit die höchsten Motorrad-Zuwachsraten der Welt. Die Zulassungszahlen sind geradezu explodiert. Spitzenreiter im Markt sind BMW-Enduros, Harleys und PS-starke Superbikes. Wo vor zehn Jahren noch ausgemergelte Gestalten in zerfetzten Wachsjacken auf vergammelten Japan-Bikes durch die Gegend geknattert sind, herrschen heute chromblitzende Harleys mit durchgestylten Fahrern oder Gore-Tex-bekleidete GS-Abenteurer auf Zeit vor.

Am Fuß des Passes geht es gleich nach links, Richtung Drakenstein. Hier reiht sich ein Weinberg an den anderen und dahinter liegt eine naturgeschützte Wildnis, in der es auch heute noch Leoparden gibt. Ihre Fähigkeit, sich praktisch „unsichtbar“ zu machen, hat dazu beigetragen, dass sie selbst in zivilisationsnahen Gebieten überleben konnten.
Viele Ortsnamen weisen auf französische Herkunft hin
Die Orts- und Weingutnamen werden nun immer französischer, das anfangs erwähnte Franschhoek ist nicht mehr weit. 200 Hugenotten-Familien, die nach der Aufhebung des Edikts von Nantes ihre Glaubensfreiheit verloren hatten, flüchteten auf Schiffen der Holländer ans Kap und ließen sich 1688, 36 Jahre nachdem die ersten weißen Siedler in Kapstadt gelandet waren, in der heute french corner genannten Gegend nieder. Der damalige Kap-Gouverneur Simon van der Stel überließ ihnen das Land. Viele Ortsnamen in der Nähe weisen auf die französische Herkunft der Siedler hin: La Provence, La Motte, Champagne und Bien Donne.

Auch die Familiennamen dieser Südafrikaner spiegeln das Erbe wider: Du Plessis, Du Toit, Malan und Joubert. Gesprochen wird die alte Sprache, trotz alljährlich stattfindendem Bastille-Festival nicht mehr. Die Einwanderer assimilierten sich flott, lernten Holländisch, später die Kap-Sprache Afrikaans. Auf den Speisekarten in den Bistros und Restaurants des Ortes dominiert allerdings das Französische, das klingt einfach eleganter. Und im Gegensatz zu Frankreich rümpft hier auch niemand die Nase, wenn man das eine oder andere Wort nicht ganz richtig ausspricht.
„Heute wurde zum ersten Mal aus Kaptrauben Wein gepresst.“
Durch die Franzosen bekam der südafrikanische Weinanbau einen heftigen Qualitätsschub. Im Gegensatz zu den ersten holländischen Siedlern besaßen die Hugenotten ein detailliertes Kellerei-Wissen, das sie sich in Bordeaux, im Burgund und in der Provence angeeignet hatten. Bereits Jan van Riebeeck, der erste Kap-Gouverneur, versuchte Reben anzupflanzen. Das Klima erschien ihm mehr als günstig und er forderte von der Holländisch-Ostindischen Handelsgesellschaft ständig neue Rebstöcke aus Deutschland, Frankreich und Spanien an.

Doch mal kamen diese vertrocknet an, wenn sie während der Passage nicht gegossen wurden oder sie waren durch zu viel Wasser verrottet. 1659, sieben Jahre nach seiner Ankunft in Afrika, erntete er den ersten Wein. Südafrikas erste Weingüter liegen heute stadtnah in Constantia. Groot Constantia ist das älteste, noch produzierende Weingut von ihnen. Eine Tagebuch-Aufzeichnung Riebeecks gibt darüber Auskunft: „Heute, der Herr sei gepriesen, wurde zum ersten Mal aus Kaptrauben Wein gepresst.“ Über die Qualität verlor Riebeeck zwar keine Zeile, trotzdem gilt es als sicher, dass das Erstlingswerk völlig ungenießbar war. Er hätte sich wohl niemals träumen lassen, dass die einstigen „Aschenbottles“ vom Kap einmal mit den besten Tropfen der Welt konkurrieren könnten.
Der wohl beste Motorrad-Pass der Tour liegt direkt vor der Tür
Am Ortseingang von Franschhoek steht das 1938 eingeweihte und kürzlich restaurierte Hugenotten-Denkmal. Ein Monument aus Granit, das an die Vertreibung aus Europa erinnern soll. Im angegliederten Museum ist einiges über die Geschichte der Hugenotten und ihren protestantischen Glauben zu erfahren. Auch auf dem kulinarischen Sektor macht Franschhoek seiner Herkunft alle Ehre. Die Restaurants des Ortes gehören zu den gemütlichsten und besten Südafrikas. Gleich acht finden sich unter den Top-Gourmet-Tempeln des Landes.

Leben wie Gott in Franschhoek kann man da nur sagen. Und der wohl beste Motorrad-Pass der Tour liegt direkt vor der Tür. Er ist nach dem Ort benannt und führt bis auf 701 Meter hoch. Was im ersten Moment nach nicht viel klingt. Doch die Kurvenkombinationen sind ein Traum. Und wie der Du Toits Kloof-Pass wurde auch der Franschhoek-Pass kürzlich aufwendig renoviert. Er ist schwarz und griffig wie eine Carrerabahn, die knallgelben Fahrbahnmarkierungen heben sich deutlich ab, hinzu kommt das satte Grün der Landschaft und das tiefe Blau des Himmels. Vorraussetzungen, die dazu führen, dass man ab und zu unterm Helm vor Begeisterung brüllt. Am besten sollte man in Franschoek nächtigen, um den Pass sowohl am Nachmittag als auch am nächsten Morgen unter die Räder zu nehmen.
Die Nähe zum Meer sorgt für ausgezeichneten Sauvignon Blancs
Nach dem Frühstück hängt der Morgennebel noch zwischen den Reben, überzieht die friedliche Landschaft mit einem zauberhaften Schleier. Bis ich den Zündschlüssel umdrehe und ein satter Harley-Beat die Idylle unterbricht. Jenseits der Franschhoek-Passhöhe öffnet sich die Landschaft zu einem Tal hin, in dem Südafrikas Haupt-Obstanbaugebiet liegt. Vorbei am riesigen Theewaterskloof-Damm, der die gesamte Region bewässert, geht es über den Viljoens Pass Richtung Meer. In Grabouw machen wir noch schnell ein Bild von unserem Lieblingsladen, seine angejahrte Fassade ist einfach zu schön.

Vom Sir Lowrys Pass aus lässt sich dann bereits ganz Kapstadt und die gesamte False Bay überblicken. Die R 310 führt direkt am Meer entlang. Die Nähe zum Meer ist übrigens eines der Geheimnisse für die ausgezeichneten Sauvignon Blancs, die Südafrikas produziert. In den Bergen ist es sehr heiß, was die Trauben gut gedeihen lässt, die kühlenden Winde, die regelmäßig vom Meer wehen, verzögern jedoch den Reifeprozess so weit, dass sich Weine von Spitzenqualität keltern lassen.
Eine der schönsten Küstenstrecken der Welt …
Jede meiner Motorradtouren am Kap endet mit dem berühmten Chapman’s Peak Drive der mit Recht als eine der schönsten Küstenstrecken der Welt gilt. Trotz aufwendiger Renovierungsarbeiten macht die kurvenreiche Strecke mit fantastischem Meeresblick nach wie vor höllischen Spass. Am besten nachmittags von der Noordhoek-Seite her befahren, dann ist das Licht perfekt und es geht stetig bergauf. Kurz vor Hout Bay auf der linken Seite liegen übrigens die schönsten Sundowner-Plätze. Zum Wohl!