Panhead auf drei Rädern



Diese 1948er Panhead mit V-Triebwerk-Seitenwagen kennt die ganze Schweiz. Inhaber Michael Bachmeier hat sich damit einen Lebenstraum erfüllt

”Nein, Trennung war nie ein Thema für uns. Nicht nach all den Jahren. So viele Jahre wirft man nicht einfach weg. Alleine unsere Urlaubsbilder füllen ganze Alben. Unsere erste gemeinsame Reise führte uns gleich hinter den Eisernen Vorhang nach Budapest. Franz Josef Strauß kandidierte kurz vorher gerade für das Amt des Bundeskanzlers.

Viele Reisekilometer

Deutschland war durch eine Mauer getrennt, jenseits der Grenzzäune sperrte das DDR-Regime seine Bürger ein. Zurück fuhren wir quer durch die Alpen, ließen keinen Pass aus. In der französischen Schweiz ging es direkt zum Paleo Folk Festival nach Nyon, wo die Bee Gees spielten und Chuck Berry und The Nits. Live!

Tiefer geht’s kaum: Der V-Triebwerk Seitenwagen hat nur fünf Zentimeter Bodenfreiheit. Für das Interieur und die Satteltasche musste ein afrikanischer Wasselbüffel sein Leder geben

In den Jahren danach folgten lange Reisen in den Süden Europas, gleich mehrfach nach Griechenland, aber auch nach Skandinavien: Dänemark, Schweden, Finnland und auch  Norwegen. Und immer wieder nach England. Wenn ich mich richtig erinnere, waren‘s insgesamt fünf Mal. Zur Kent Custom Bike Show oder aufs geliebte Bulldog Bash. Und mit wenigen Ausnahmen zu jeder Harley-Davidson Superrally in den Jahren zwischen 1986 und 2002. Dort fühlte sie sich immer besonders wohl. Unter Ihresgleichen.

Panhead als Lebensbegleiterin

Als ich sehr viel später auf eine Nordsee-Insel gezogen bin, kam sie wie selbstverständlich mit. Obwohl ihr die salzhaltige Luft nicht wirklich gut bekam. In der gleichen Zeit wagten wir uns gemeinsam ans Nordkap. Und fuhren diesmal ganz alleine los. In aller Stille. Um zu sehen, ob es wirklich noch geht. Und es ging.

Very old school: hochgezogene 2-in-2 Fishtail Auspuffanlage. Der alte Tachometer zählt noch in Meilen

Trotz unseres Altersunterschiedes. Immerhin war meine Pan schon 24 Jahre alt, als ich gerade geboren wurde. Aber ich stand immer schon auf Ältere. Der Erfahrung und Ausdauer wegen. Ein Freund sagte mal zu mir: ‚Gehst Du in die Berge, nimm ein altes Muli mit. Es ist zwar langsam, aber es kennt den Weg.‘ Ich werde nun 47 und zusammen sind wir 118 Jahre alt. Natürlich denkt man auch darüber nach, was einmal ist, wenn einer gehen muss. Aber da haben wir in der Familie bereits vorgebaut. Mein Sohn Joshua ist jetzt 14 und wird sich später um alles kümmern.

Fremdgehen mit der Buell

Okay, in fast 30 Jahren unserer Beziehung gab es auch andere. Zugegeben: Immer jünger, aber nie schöner. Bis auf eine Ausnahme: Ende der 90er Jahre stand sie plötzlich vor mir. Blutjung, kraftvoll, traumhaft knackige Figur und von atemberaubender Schönheit. Sie schien mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Ich war hin und weg. Und gleich am ersten gemeinsamen Wochenende wollten wir es so richtig krachen lassen.

Crazy: Michael in flotter Gangart in Rapperwil

Bei einem Kurztrip zur Superrally ins österreichische Nenzing. Aber weiter als bis zur Autobahnauffahrt kamen wir nicht. Da machte sie schon schlapp. Ihr nagelneues Getriebe gab den Geist auf. Ich schob sie zurück in meine Garage. Ganze vier Kilometer weit. Meine schöne, neue, aber immer beängstigend kränkelnde Buell S1 White Lightning. Packte Schlafsack und Zelt auf meine treue 48er Panhead, die mit dem ersten Kicken zum Leben erwachte und mich zwar langsam, aber zuverlässig nach Nenzing trug. Als ob sie den Weg selbst kennen würde.

Seitenwagen von V-Triebwerk

Der äußeren Faszination meiner Buell konnte ich mich nie ganz entziehen, aber ihre inneren Werte haben mich immer wieder enttäuscht. Ihre Mängelliste ist fast so umfangreich wie die gemeinsame Fotosammlung mit meiner Panhead. Und als sie mir nach 12.000 Kilometern mit einem trotzigen Motorschaden den Dienst quittierte, war meine Geduld endgültig vorbei. Seitdem steht sie fast nur noch in der Garage, das unverlässliche, junge Gemüse. Und meine volle Aufmerksamkeit ist wieder bei meiner Panhead. Und weil sie nie nachtragend war, habe ich ihr einen wunderbaren Seitenwagen von V-Triebwerk spendiert. Das Boot machte sie nicht nur schöner, es brachte die treue Pan auch meinen Kindern näher.

Be a man – Ride a Pan

Das lange Leben auf der Straße und die anstrengende Zeit mit mir, nichts scheint Spuren bei ihr hinterlassen zu haben. Seit wir zusammen sind, haben wir gemeinsam über 340.000 problemlose Kilometer abgespult. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie viel sie wirklich auf dem Tacho hatte, bevor sie zu mir kam. Seit damals, als sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1948 in Milwaukee die Werkshallen verließ.

Die Panhead und Willi G.

Fast 60 Jahre später traf sie dann persönlich auf den Enkel der Firmengründer. Bei der Preisverleihung der Harley Days in Hamburg. Als sie im Schönheitswettbewerb ihrer Klasse den ersten Platz gewann. Willie G. hat ihr respektvoll über den Tank gestreichelt, die Freude war ihm ins Gesicht geschrieben. Vor zwei Jahren bin ich dann in die Schweiz ausgewandert. Nach Rapperswil am Zürichsee. Habe meine Maßanzüge endgültig an den Nagel gehängt und meine ganz persönliche Metamorphose vom gehetzten Manager zum Kleinunternehmer vollzogen.

War mal eine Tankstelle: Der KRAFTSTOFF Laden gilt als Geheimtipp unter den Schweizer „Brüder und Schwestern mit Benzin im Blut“

Zu einem Leben, in dem andere Dinge von Bedeutung sind als der Zugang zur Lufthansa Senator Lounge, die Motorisierung des Dienstwagens oder die Zahl der unterstellten Mitarbeiter. Ich habe in einer ehemaligen Tankstelle die ideale Location für meinen Shop namens KRAFTSTOFF gefunden. Ich verkaufe dort hochwertige Bekleidung für ‚Brüder und Schwestern mit Benzin im Blut‘. Und meine treue Panhead? Ja, sie bringt mich jeden Tag ins Geschäft. Zuverlässig und schön wie eh und je.

Info | v-triebwerk.de


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Fotos: Dirk Behlau
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