Die 23-jährige Ann-Kathrin Bendixen bereist als „Affe auf Bike“ die Welt – auch auf Bikes von Harley-Davidson.
Nach dem Abi studieren, einen Beruf ergreifen, Familie, Haus und Hund. Ann-Kathrin Bendixen hatte gute Gründe für ein anderes Leben: Mit 18 Jahren erkrankte die Schleswig-Holsteinerin ernsthaft, und um ein Haar wäre sie auf einem Auge blind geworden. Nur eine Not-Operation hat sie davor bewahrt. Diese Lebensphase machte ihr unmissverständlich klar, dass der Sensenmann immer und überall lauern kann. Jetzt wollte sie das Leben spüren, denn nur Katzen haben sieben davon.
Einfach raus, einfach weg, einfach Richtung Süden!
So packte sie mit 19 Jahren das Nötigste zusammen, steckte ihre 400 gesparten Euro, Zelt, Isomatte und ihren Plüschaffen ein und schwang sich auf ihre alte Suzuki. Einfach raus, einfach weg, einfach Richtung Süden! Das Geld war rasch aufgebraucht. Sie fasste sich ein Herz, sprach einfach Menschen an und jobbte auf italienischen Bauernhöfen für eine Mahlzeit und eine Tankfüllung. Das funktionierte besser als sie erwartet hätte, und als Digital Native begann sie, in den sozialen Medien über ihr Abenteuer zu berichten.
Auf Südeuropa folgten die Westsahara und Südamerika – klar, auf dem Motorrad! Etliche tausend Kilometer später hat Ann-Kathrin eine stattliche Fangemeinde um sich versammelt. Rund 150000 Menschen folgen ihr inzwischen auf Instagram. Sie ist kommunikativ, versteht mit einer Kamera umzugehen und kann packend schreiben. Die Kids verschlingen ihre Bilder und Stories. Im Jahr 2021 veröffentlichte sie ein Buch über ihren Selbstfindungstrip. Inzwischen ist Ann-Kathrin 22 Jahre alt, hat 20 Länder bereist und mehr als 100000 Kilometer auf dem Motorrad abgespult.
Die Nightster von „Affe auf Bike“ ist natürlich umgebaut
Ungewöhnlich genug. Während andere aus ihrer Generation noch von einer Karriere als Influencer träumen, lebt sie von ihren Fotos, Filmen und Geschichten und ist immer noch unterwegs. Jetzt allerdings reitet sie auf Eisen aus Milwaukee, gesponsort von Harley-Davidson Germany, nachdem ihr altes Bike abgefackelt ist. Und mit einer kleinen 310er Eintopf-GS von BMW ist sie unterwegs – die wurde ihr ebenfalls spendiert, weil sich die Hersteller gerne etwas in ihrem Abenteuer-Lifestyle spiegeln möchten.
Ihre Nightster ist natürlich umgebaut: Ein kurzer Auspuff für den passenden Sound, ein Breakout-Scheinwerfer und Pan-America-Zusatzleuchten für die Nacht, Sturzbügel und Crashguards für alle Fälle, ein Pan-Am-Lenker mit Heizgriffen, ein modifizierter Sitz und feine Öhlins-Fahrwerkskomponenten. Dazu ein Custom-Gepäckträger für die Reisetasche. Ann-Kathrin drückte ein Tränchen weg, als das deutsche Harley-Team ihr die Nightster übergab.
Ein mit Super Plus gefüllter Tank genügt …
Auch als Harley-Fahrerin bleibt Ann-Kathrin ziemlich anspruchslos: Ein festes Dach überm Kopf und ein warmes Bett sind halt weniger wichtig als das große Abenteuer. Ein mit Super Plus gefüllter Tank genügt. „Meine Begegnungen, die Erfahrungen und Erlebnisse begeistern mich fast täglich neu. Das nenne ich mein Leben“, erklärt Ann-Kathrin.
Sie sammelt Erinnerungen, traumhaft schöne, aber auch brenzlige, die sie beinahe Kopf und Kragen gekostet hätten. Aber wenn mal was nicht klappt und die Dinge komplett aus dem Ruder zu laufen scheinen, dann ist genau das der Stoff für die Geschichten, die sie in die Welt hinauspostet. Erst war sie mit einer Nightster auf Island, danach mit einer Pan America in Thailand. Als Bikerin zog sie das große Los. Sie lebt eine Freiheit, von der die meisten von uns nur träumen.
Im Gespräch mit Ann-Kathrin
DM: Ann-Kathrin, wie kommt es zu dem Affen auf deinem Motorrad?
Ann-Kathrin: Dafür gibt es zwei Versionen, eine offizielle und eine inoffizielle.
Verrate uns beide!
Ich hatte früher Segelohren, sah damit wie ein Affe aus und wurde in der Schule gemobbt. Das ist die inoffizelle Version. Später meinte mein Bruder, dass ich mich für die Medien doch einfach so nennen sollte. Offiziell habe ich deshalb den Plüschaffen am Motorrad. Da ist er mein Glücksbringer.
Jetzt hängt er an einer Harley. Wie bist du auf die Nightster gekommen, wäre die Pan America nicht ein sinnvolleres Motorrad für deine Zwecke gewesen?
Stimmt. Normal fährt man ja nicht einfach auf ’ner Nightster durch Island. Harley hätte mich auch gerne öfter auf der Pan America gesehen. Aber die haben gesagt, wir wollen auch das, was du willst. Und ich wollte es ein bisschen rustikaler. Es sollte alt und nicht nach so viel Geld aussehen.
Dank Segelohren wird sie „Affe auf Bike“
Oldschool also?
Oldschool, das hat Rick’s dann möglich gemacht. Und auf der Nightster hab ich mich unfassbar wohl gefühlt. Ich wiege ja nur 50 Kilo, und der Schwerpunkt der Nightster ist eben niedriger. Die konnte ich besser aufheben, wenn sie mal umkippte. Mit der ging das. Jetzt in Thailand bin ich mit der Pan America unterwegs. Die liebe ich auch, aber der Schwerpunkt liegt weitaus höher, weshalb ich mich erst an die Maschine gewöhnen muss.
Hattest du schon technische Pannen, und hast du sie selbst bewältigen können?
Ich bin schon viele verschiedene Maschinen gefahren, angefangen mit einer alten Suzuki. Für Afrika hatte ich zwei XTs zu einer Maschine zusammengeschraubt, da hat nie was funktioniert. Die Harley ist zusammen mit der BMW am zuverlässigsten. Meine XT hätte das nie so mitgemacht. Wenn bei der Nightster mal irgendwas nicht geht, dann hat sie ja einen Hauptstecker vorne rechts am Lenkkopf. Den musste man immer mal wieder rausziehen, das ist wie ein Reset. Inzwischen habe ich mich so sehr an diese einfache Reparatur gewöhnt, dass ich erstmal keine andere Maschine fahren möchte.
Kommt es vor, dass du wegen deines Geschlechts nicht für voll genommen wirst?
In Afrika dachten viele Männer, dass ich mir alleine nicht helfen kann. Was das Schrauben angeht, kann ich mir aber immer selbst helfen. Grundsätzlich finde ich eher positive Anerkennung. Die Welt ist manchmal vielleicht besser als man denkt.
Du siehst gut aus, ist das ein Kapital? Wär dein Projekt auch möglich gewesen, wenn du dick und picklig wärst?
Klar hast du einen Vorteil, wenn du dem Schönheitsideal entsprichst. Ich denke aber, dass jeder mit dieser Geschichte Erfolg haben könnte. Das Aussehen ist ja nicht alles, der Humor und die eigene Art spielen auch eine Rolle. Und die Einmaligkeit ist wichtig. Es gibt ja niemanden, der das sonst noch macht.
„Viele würden nach einer Woche die Lust verlieren“
Sollen wir also deinen Ratschlag, dass nun alle einfach losfahren und leben sollen, ernst nehmen? Das hört sich nach so ’nem flockigen Lifestyle-Slogan an.
Natürlich kann das nicht jeder machen. Ich will einfach transportieren, dass auch mal ein halbes Jahr Auszeit möglich ist.
Wann und wie wäschst du dir unter isländischen Bedingungen die Haare?
In Island gibt es die heißen Quellen und viele Wasserfälle.
Wasserfälle? Die sind doch kalt.
Ja, die sind kalt, eiskalt! Das ist auch hart! Oder wenn man nachts zum Pinkeln aus dem Zelt raus muss … schon deshalb würden viele nach einer Woche die Lust verlieren. Das kann eben wirklich nicht jeder machen.
Du bist viel alleine on the Road. Wie entstehen dann die Fotos von dir?
Ich nehme immer ein Stativ mit und benutze den Selbstauslöser. Dazu hab ich jetzt eine 360 Grad-Kamera, das sieht aus, als würde man von einer Drohne gefilmt. Und dann treffe ich ja auch mal Leute, bin mit denen ein paar Tage unterwegs und gebe denen mein Handy in die Hand.
Soll das in deinem Leben so weitergehen, willst du ewig Weltreisende bleiben?
Kann ich noch nicht sagen. Wegen meiner Krankheit ist es ein so großer Schritt, gesund zu sein. Wenn man mich fragen würde, wo ich in zehn Jahren stehen will, würde ich antworten: „Genau da, wo ich jetzt stehe!“ Am Ende geht es im Leben doch auch ums Glücklichsein, und so glücklich wie jetzt war ich vorher noch nie.
Du bist Digital Native. Kennst du unser Magazin DREAM-MACHINES, hast du überhaupt jemals ein auf Papier gedrucktes Wort in der Hand gehabt?
DREAM-MACHINES kenne ich von Harley her. In meiner Generation ist es leider selten geworden, dass Menschen gedruckte Worte lesen. Ich hab ja selbst schon ein Buch geschrieben. Ich selbst liebe das gedruckte Wort total!
Info | instagram.com/affe_auf_bike