Ein Ballermann für die schnelle Tour: Dieser Wildstyle-Eigenbau mit Ultima V2 definiert den modernen Cafe Racer.

Es gibt Trends und Stilrichtungen, die bleiben einfach immer jung und aktuell. Cafe Racer sind so eine Spielart des Customizing – und der Geist der klassischen englischen Cafe Racer auf Triumph-, BSA- oder Norton-Basis lebt auch in diesem Bike weiter. Motorrad pur – eine Fahrmaschine ohne Kompromisse und ohne Schnörkel – so sieht Zbynek Turecek seine Maschine, mit der er auf den einsamen Landstraßen der tschechischen Mittelgebirge räubern kann.

Definiert den modernen Café Racer, finden wir

Zbynek ist Mechaniker bei der Firma „Wildstyle“, dem Custom-Shop von Roman Bus, der unter den osteuropäischen Spezialisten eine herausragende Stellung einnimmt und seit Jahren innovative Bikes auf die Räder stellt. Auch an diesem Cafe Racer ist sein Stil zu sehen. Für Harley-Davidson begann die Cafe-Racer-Ära im Jahr 1976, als für den Modelljahrgang 1977 die XLCR vorgestellt wurde. Das war mal locker 14 Jahre nach der Blütezeit der britischen Cafe Racer, als Mods und Rocker sich Straßenschlachten lieferten und zahlreiche britische Parallel-Twins in den klassischen Norton „Featherbed“-Rahmen gezwängt wurden.

Die XLCR-Sportster floppte im Laden

Wer in den 70er Jahren als Teenager Motorrad fahren lernte, der kannte die Top-Bikes der damaligen Zeit ganz genau: Honda CB 750, Kawasaki Z 900, Suzuki GT 750, Van Veen, Yamaha XS 1100, BMW R 90 S, Ducati SS 750, Norton Commando, Harley-Davidson „Electra Glide“ – womit wir schon einen Teil des Misserfolgs von Harley-Davidsons damals sportlichstem Serienmotorrad erklärt haben. Das internationale Image der Marke war zu sehr auf die riesigen Dickschiffe ausgerichtet.

Nicht nur die drei Bremsscheiben sind schwimmend gelagert, auch das Kettenrad ist mit Floatern ausgestattet

Die „XLCR“ war eine Designarbeit von Willie G. Davidson, der mit dem Styling des „Cafe Racer“ ein absolutes Meisterstück ablieferte, ohne dessen Visionen die Geschichte der Company um etliche Klassiker ärmer wäre. An der Ladentheke war die XLCR zur damaligen Zeit ein Flop. Es fehlte ihr trotz Ölkühler schlichtweg an Leistung, um mit den japanischen und europäischen Bikes mithalten zu können. 1978 war das letzte Baujahr der XLCR, doch einige Maschinen standen noch länger wie Blei in den Läden. Heute sind das begehrte Sammlerstücke.

Diese Schwingenkonstruktion gab es so noch nie

In Sachen Leistung hat die hier präsentierte Czech Cafe zur XLCR die gleiche Wirkung wie eine Suppenschüssel voller Espresso: Der über zwei Liter große V-Twin von Ultima haut rein! Der schwarz verchromte Treibsatz war die Basis, um die der Rest des Motorrads gebaut wurde. Roman Bus zeichnete zunächst Rahmen, Schwinge, Tank, Heckteil und die kleine Lenkerverkleidung. Dann wurde alles in Handarbeit aus Metall gefertigt. Das Fahrwerk orientiert sich dabei gleichzeitig an modernen Sportbikes sowie an Oldschool-Vorbildern: Single-Downtube bis zum Motorgehäuse, dann als doppeltes Rahmenrohr an die Schwingenaufnahme. Von dort schwungvoll nach oben, wo man Verschraubungen vergeblich sucht.

Mit dem Pingel-Shifter kann der Fahrer ohne Zugkraftunterbrechung per Knopfdruck am Lenker hochschalten

Die Sitzbank ist sowohl integraler Teil des Rahmens als auch Öltank und bildet auch die Aufnahme für die hinteren Stoßdämpfer, die – umgebaut aus originalen Softail-Dämpfern – auf Zug belastet werden. So eine Schwingenkonstruktion gab es unseres Wissens in der Motorradgeschichte noch nicht. Eine Softail-Federung unter dem Heckteil! An der massiven Front geht es konventioneller zu. Dort sitzt eine Showa-Gabel, deren Gabelbrücken aus einer MV Agusta stammen.

Radikaler Eigenbau mit 2-Liter Ultima V2

Der Mikuni-Vergaser wanderte auf die linke Motorseite, weil Zbynek und Roman einen langen Ansaugtrakt anstrebten, was einen gleichmäßigeren Zufluß des Benzin-Luft-Gemischs bewirkt: „Der Motor geht so besser“, versichert Roman. Das schaffte Platz für eine schwungvolle Auspuffkonstruktion aus Edelstahl. Diese lässt allerdings trotz Hitzeschutzblechen den Fahrer beim Ritt nicht kalt. Vom Knieschluss bei Kurvenhatz ist auf der rechten Motorseite jedenfalls abzuraten! Der Primärantrieb wurde aus dem Ultima-Primär umgebaut. Die Grundplatte hat Wildstyle neu gefräst. Primär und Endantrieb erfolgen über Kette, wobei der Endantrieb über das Ultima-6-Gang-RSD-Getriebe auf die rechte Seite verlegt wurde. Eigene Kettenspannung und -schmierung sorgt für zuverlässige Kraftübertragung.

Bis auf Antrieb, Gabel und Räder ist an Zbyneks Bike fast alles Eigenbau

Für schnelles Vorankommen kann man nicht nur manuell schalten. Der Pingel-Shifter schaltet das Getriebe auf Knopfdruck automatisch hoch, die Kupplung muss dafür nicht gezogen werden. Die Elektronik unterbricht im Augenblick des Schaltens für Bruchteile von Sekunden die Zündung, was lastfreies Schalten erlaubt. „Wir wollten mit diesem Bike eine ins Höchste verfeinerte Version des Cafe Racers bauen, ohne dabei die Ursprünge des Themas aus den Augen zu verlieren“, erläutert Roman Bus, der den Aufbau seines Mechanikers unterstützte.

Der Ultima V2 bringt es lässig auf 120 PS

„Speichenräder, Sitzhöcker, Stummellenker, kleine Lampenverkleidung, alles so kompakt wie möglich gebaut, das war das Ziel …“ Mit drei großen 320-mm-Scheiben, alle schwimmend gelagert, wird der Vorwärtsdrang des über 120 PS starken Motors im Zaum gehalten. Zbynek Turecek baute sein Bike fast komplett selbst, mit den Skizzen und Designs von Roman Bus. Gut, dass es noch Enthusiasten gibt, die solche verqueren Ideen auch in die Realität umsetzen.

Info | www.wildstyle.cz