Es ist eine Tatsache: Immer wenn man denkt, man hätte schon alle Bikes dieser Welt gesehen, rollt etwas um die Ecke, was einem die Kinnlade runterfallen lässt. So wie dieser Monster-Chopper mit Evo Sportster V2.

So geschehen in Frankreich, anlässlich des Swap Meet and Oldschool-Treffens im lothringischen Mecrin. Dieses kleine Kuhkaff, nur etwa 60 Kilometer südlich von Verdun gelegen, ist legendär: Dort können Sie alljährlich Anfang Mai die wildesten Motorrad-Kreationen erleben, die Frankreich und die benachbarten BeNeLux-Länder zu bieten haben.

Die angerosteten Fishtails sorgen für ungedämpften V2-Sound

Lange, bevor man diesen Chopper in Mecrin sah, konnte man ihn hören; die leicht angerosteten Fishtails lassen den V2-Sound praktisch ungedämpft ins Freie. Dann kam ein Vorderrad ums Eck, dann eine Gabel, und Gabel, Gabel, Gabel und noch mehr Gabel. Gefühlte Minuten später folgt der Lenker, der Tank und schließlich der Fahrer. Dies ist wahrlich ein laaanges Bike, doch Bruno hat es nicht für Show-Zwecke gebaut, nein, er fährt das ultralange Gerät ganz ernsthaft. Immerhin hat er, um nach Mecrin zu gelangen, satte 1000 KiIometer Anreise aus Südfrankreich auf sich genommen. Der Kerl ist offenbar hart im Nehmen.

Trotz der abenteuerlichen Schweißnähte …

Der Motor dieses Ultra-Langgablers stammt aus einer 883er Sportster des Baujahres 1991. Der gesamte Rest des Bikes ist hausgemacht. Von Hand gehämmert und gebogen, aus Stahlrohr und Schrott. „Das einzige Teil, was ich nicht gemacht habe, ist der Motor“, so Bruno. Sechs Monate hat er an seinem Traumbike gearbeitet. Dabei ist er kein Profi. Im wirklichen Leben ist er Erzieher in einem Heim für behinderte Kinder.

Evo Sportster V2 im Eigenbau-Rahmen

Die brutal lange Gabel hat Bruno – ebenso den breiten Lenker – aus Rohrprofilen zusammengeschweißt. Was aussieht wie riesige alte Ritzel, sind die Antriebsräder von einem alten französischen Panzer. Diese Teile hat sich Bruno entsprechend zugeschnitten und sie so verschweißt, dass sie dem Rahmen Stabilität geben.

… überstand das Bike die Anreise von 1000 Kilometern problemlos

Das Airbrush „Spider Skull Family“ auf dem Tank entspricht einer Tätowierung, die Bruno und seine Freunde mit Stolz tragen;  vier Clubmitglieder sind mit ihm den weiten Weg nach Mecrin gefahren. Die Sissybar ist aus alten Ketten gemacht, jedes Glied wurde mit den Nachbargliedern verschweißt. Die Fußrasten gibt es auch in keinem Katalog zu kaufen. Diese Spike Tops sieht man auf vielen französischen Zäunen des 18. Jahrhunderts. Bruno konvertierte die gusseisernen Teile, sie dienen jetzt als Schalthebel- und Bremspedale.

Bruno hat schon mehrere Polizei-Kontrollen hinter sich

Beim Fahren mit der extrem langen Gabel und dem kleinen Vorderrad muss Bruno sorgfältig die Balance halten, bis die Kreiselkräfte die Fahrt stabilisieren. Bei niedri­gen Geschwindigkeiten ist es sehr schwierig, das Bike gerade zu halten, aber wenn es erst mal in Bewegung ist, fährt es wie jeder andere langgabelige Chopper. Nun ja, fast …! Der hintere Gummi ist ein Dunlop-Autoreifen. Nur auf dieses Rad wirkt auch eine Bremse. Aktiviert durch einen Bremszylinder von Harley-Davidson, vernichtet ein japanischer Bremssattel am Hinterrad Vortriebsenergie.

Lediglich der Sportster-Motor ist kein Eigenbau

„Ist so was denn in Frank­reich erlaubt?“, fragt man unwillkürlich. Nun, besser nicht nachfragen. Wo kein Kläger, da kein Richter. Jedenfalls hat Bruno schon mehrere Polizei-Kontrollen hinter sich und durfte jedes Mal weiterfahren. Da haben die Flics offenbar stets sämtliche Augen zugedrückt. Was ja auch irgendwie eine tolle Anerkennung für den total verrückten Erbauer ist.