Der „Liberator“ ist zurück! Ein Franzose baute auf Basis einer Sportster 883 eine verblüffende Kopie einer WLA.

Francis ist der Gründer und Chef der französischen Custombike-Schmiede „Milwaukee Belle“. Der Mann ist ein ganz alter Hase in der Szene dort und fiel schon des Öfteren mit Bikes auf, die weit über die Grenzen seines Heimatlandes für Aufmerksamkeit sorgten. Und zudem ist Francis auch Fan der alten seitengesteuerten Harley-Motoren. 1978 schaffte er sich seine erste 750er Flattie an und weiß deshalb auch um die technischen Nickligkeiten, die dieses Uraltkonzept in sich trägt, denn immerhin stammt das Flathead-Prinzip aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Sportster 883 im Stile einer Harley WLA

„Viel zu viele Flattie-Motoren sind schon irreversibel zu Tode optimiert worden, weil die Leute heutzutage denken, man müsste aus einem Ackergaul ein Rennpferd machen“, entrüstet sich Francis. Das stank ihm gewaltig und war letztendlich der Beweggrund, eine Maschine im Stil der WLA zu bauen, jedoch mit der soliden Technik einer Evo-Sportster.

Täuscht gekonnt eine alte Fußkupplung vor: die Schaltwippe

Als Basis diente dem Franzosen eine 1994er XLH. Die wurde komplett zerlegt, denn vom Rahmen benutzte Francis nur diejenigen unteren Partien, an denen der Motor befestigt ist. Die gesamten oberen Rahmenrohre flexte er ab und formte die Konstruktion der oberen Rahmenzüge samt der Lenkkopfregion in der Art nach, wie sie bei einer originalen WLA anzutreffen ist. Selbst den S-förmigen Schwung der Downtubes bog der WL-Fan nach.

Ein scheinbar authentischer Ölbad-Luftfilter

Zugunsten der angestrebten, uneingeschränkten Alltagstauglichkeit verzichtete er auf eine Starrrahmen-Lösung. Vielmehr ließ er sich vom französischen Spezialisten Fournales extra ein Paar Federbeine mit geschlossenem Gehäuse herstellen, die seinen ästhetischen wie auch geometrischen Anforderungen entsprachen. Die originale Schwinge der Sporty wurde verlängert, der scheinbar starre Hilfsrahmen hinten am Heck ist – geschickt versteckt – mitdrehend gelagert.

Netter Gag: Selbst die Verdunklungsmöglichkeit bei Nachtfahrten fehlt nicht

Ganz besonders gut gefällt uns der Fake mit dem scheinbar authentischen Ölbad-Luftfilter. Die WLA schnüffelte ja ihre Ansaugluft tatsächlich über einen langen, dicken, nach hinten gerichteten Gummischlauch, der in einer Luftfilterbox endete, die als Labyrinth ausgelegt war und im unteren Achtel mit Motorenöl befüllt war. Diese Konstruktion hielt sowohl Staub als auch Wasser aus der Ansaugluft fern, überlebenswichtig für ein Gerät, was überwiegend im Gelände eingesetzt wurde.

Eine Sportster 883 mutiert zur XWL

Francis kopierte diese Konstruktion zwar äußerlich perfekt, nutzt die große angebliche Luftfilterbox aber zur Unterbringung der Batterie und der ECU. Die Luft zieht der Vergaser aus einem versteckten, nach innen gewandten Langloch in dem schwarzen Gummischlauch.

Zulassungsfähiger WLA-Nachbau auf Sportster-Basis

Der Tank stammt vom Aftermarket, wurde aber – wie das Katzenaugen-Dashboard auch – von dem Franzosen stilistisch voll auf WLA getrimmt. Details wie der zeitgenössische Feuerlöscher, die Luftpumpe, die Leder-Satteltaschen und selbstredend das rechts neben dem Vorderrad angebrachte Futteral für das Gewehr verpassen dem Fahrzeug die entsprechende Authentizität. Mit wie viel Herzblut Francis bei der Umsetzung seiner „XWL Army“ bei der Sache war, zeigen auch die Nachtverdunkelungen an den Lampen.

Alter Look, aber technisch auf der Höhe der Zeit

Eine wirklich rundherum gelungene Arbeit, die es Liebhabern ermöglicht, ein skurriles, in hohem Maße Aufmerksamkeit erregendes Motorrad zu bewegen, das eine 80 Jahre alte Optik spazieren fährt, motorisch und fahrwerks- und bremsentechnisch aber auf der Höhe der Zeit ist und den Anforderungen unseres modernen Straßenverkehrs genügt.