Wolfgang ist Musikinstrumentenbauer. Er baut seit 30 Jahren hochwertige Klarinetten für Profi-Musiker. Jetzt wagte er sich an sein erstes Custombike, einen Highnecker mit RevTech V2.
Die Welt der Musik erscheint so spielerisch leicht, so träumerisch und so unbeschwert. Dass ein Musikinstrument eines der präzisesten Werkzeuge überhaupt ist, machen sich die wenigsten Menschen bewusst. Dabei gleicht es in erstaunlicherweise einem wirklich guten Bike, dass im Konzept und den einzelnen Komponenten mit viel Hirn und Wissen erdacht worden ist und anschließend mit viel Geschick und Können handwerklich top aufgebaut wurde.
Wolfgang ist geübt in hochpräziser Handwerksarbeit
Beim Bau komplexer Musikinstrumente wird so exakt gearbeitet wie in nur wenigen anderen Handwerksbranchen. Wolfgang betreibt zusammen mit einem Kompagnon einen Betrieb im mittelfränkischen Neustadt an der Aisch. Klarinetten sind keine einfach herzustellenden Dinge, sondern wirklich hochkomplexe Instrumente, die die perfekte Beherrschung der Materialien Holz, Metall und Kunststoff erfordern. Wolfgang ist also geübt in hochpräziser Handwerksarbeit.

Nach Jahren erfüllte er sich einen lang gehegten Wunsch: Nach einem sauber umgebauten Japaner wollte er sich seine Dream-Machine, natürlich mit einem amerikanischen V-Twin. Ein Highnecker sollte es sein, ein Chopper wie in den 70er Jahren. Breit-fett-und-böse-Schickimicki kam für den Franken nicht in Frage, vernünftige Fahrbarkeit stand von vornherein im Lastenheft.
Highnecker im Santee-Rahmen
Die Planungsphase dauerte lange. Wolfgang las sehr viel über die Produkte der Custom-Hersteller, besuchte Messen und führte viele Gespräche. Von der Idee, sich ein ultimatives Bike aufzubauen, ließ sich sein Nachbar Ottmar, Kumpel seit frühester Jugend, anstecken. Auch Ottmar ist Handwerker, er hat nach seiner Ausbildung als Dreher den Abschluss als Maschinenbautechniker und Handwerksmeister gemacht. Seine Prämisse ist ebenfalls, eine absolut saubere Arbeit abzuliefern – Ehrensache.

Doch bevor die beiden loslegten, galt es, akribisch zu planen. Initiator Wolfgang war mit seinem Bike-Projekt ein paar Schritte voraus, er hatte sich bereits einen Santee-Rahmen ausgeguckt und aus den USA beschafft. Ottmar zeigte sich angetan von dem Teil; kurzerhand wurde ein weiterer Rahmen bestellt, doch leider fiel dieser auf dem Speditionsweg vom Gabelstapler und war nicht mehr zu gebrauchen. Der Frust war anfänglich groß, denn auf die Schnelle war kein Ersatz zu beschaffen.
Ergonomische Abstimmung im Fokus
Nach kurzem Innehalten kaufte Ottmar einen Rahmen von Kodlin, der für seine Körpergröße sowieso besser passte als der von Santee. Auf die ergonomische Abstimmung legten die beiden Hobby-Customizer sehr großen Wert, denn die Bikes sollten nach Fertigstellung fahrbar sein und nicht auf dem Hänger von Bikeshow zu Bikeshow gekarrt werden. Schwerpunkt, Griffweite, Fußrastenanlage und Bodenabstand sollten ein harmonisches Gesamtbild mit der Körpergröße des jeweiligen Fahrers ergeben.

Als Antrieb entschieden sich die beiden je für einen 1,8-Liter-Motor von RevTech – für genügend Dampf war also gesorgt. CCE bot hierzu einen Komplettsatz bestehend aus Motor, Getriebe, Belt und Anlasser an. Der Vorteil: Die Komponenten sind aufeinander abgestimmt und im Satz auch deutlich günstiger als im Einzeleinkauf. Eine echte Hürde war dann noch der Transport von USA nach Deutschland, denn die Welt der Logistik ist nicht der beiden tägliches Brot. Doch auch dies wurde bewältigt, sie schafften es sogar, beide Bausätze auf eine Palette packen zu lassen.
Drei Jahre Bauzeit benötigten die beiden Highnecker
Damit war der eigentliche Startschuss für die insgesamt dreijährige Bauzeit gefallen. In Ottmars privater Werkstatt, ausgestattet mit Fräsmaschine, Drehbank und Ständerbohrmaschine, wurden viele Anbauteile sowie die Halterungen für Motor, Zündspule, Tacho und Blinker, Fußrastenanlage, Beltabdeckung oder Ottmars Seitenständer gefertigt. Seinen Öltank baute Wolfgang selbst aus Edelstahl, den Benzintank fertigte er auf Basis eines Spritfasses einer Honda Shadow. Auch die Airbrushs auf den Bikes wurden von Wolfgang selbst gefertigt. Nur von der Elektrik ließen beide die Finger. Das ist nicht ihr Ding, das erledigte Customizer Lucke, der ebenfalls im Aischtal seine Heimat hat.

Nach der Fertigstellung der Bikes fanden sich die beiden in ihren Überlegungen bestätigt. Nichts geht über ein ergonomisch angepasstes Bike. Die beiden Highnecker fahren sich nach Aussage der Besitzer gut und taugen auch für größere Strecken. Und der Sound ist fast so schön wie der einer gut abgestimmten Klarinette, die mit ihren 800 Bauteilen, die teilweise auf 1/100 Millimeter genau gefertigt sein müssen, ebenfalls ein Ausdruck der Freude am Leben und an der Kunst ist. Im Sattel seines Bikes jedenfalls erscheint Wolfgang die Welt so spielerisch leicht, wie die Welt der Musik.