In unserer Serie „Forgotten Pearls“ werfen wir einen Blick zurück auf einen Radical Racer mit S&S V2 und Knuckle-Style-Köpfen.

Gebaut vor 15 Jahren unter dem Label der italienischen Custom-Schmiede „Headbanger Motorcycles“ schlug das Bike bei der Europameisterschaft der Custombike Builder ganz groß auf und wurde schließlich von der fachkundigen Jury zum Vize-Europameister 2010 gekürt. Für das passende Styling versicherte man sich der Mitarbeit eines der aufregendsten Bikebuilder der italienische Customszene: Luciano Andreoli zeigte schon mit mehreren Custombikes, dass er den Oldschool-Stil mit der Muttermilch gesogen hat.

Wilder Mix aus Oldschool, Boardtrack und High-Tech

Das „Morning Sunrise“ getaufte Bike ist dabei auch eine Art Premiere für Luciano, denn zuvor pflegte der Customizer seine Motorräder schlicht durchzunummerieren. Immer auf der Suche nach neuen Detail-Lösungen, hatte der italienische Customizer hier in die Vollen gegriffen: Oldschool, Boardtrack, High-Tech – dieses rollende Kunstwerk schöpft aus vielem, was die Custom-Geschichte zu bieten hat.

Eine der Besonderheiten am Vize-EM-Bike sind die riesigen Zwei-Speichen-Felgen

Zulassungsfähigkeit? Alltagstauglichkeit? Farbarkeit? Alles nebensächlich! Ein variabler Lenkkopfwinkel ist eine Sache, aber ein gefederter Lenkkopf, der die gesamte Rahmengeometrie beim Einfedern ändert, verspricht ein interessantes Lenkverhalten.

S&S V2 mit Knucklehead-Style-Köpfen

Mit 93 Cubic Inch und Knucklehead-Style-Köpfen sieht der verwendete, nagelneue Treibsatz von S&S genau so klassisch aus wie sein Ahne von 1936. Das heutige Aggregat hat aber mehr als doppelt so viele Pferdestärken und spritzt nicht mit Öl um sich wie ein Hund, der gerade aus einem Fluss gestiegen ist. 100 PS drückt das Teil, es ist also reichlich Dampf in der Hütte.

Minimalistisch: Die Hebeleien (ganz links der Schalthebel) fallen sehr filigran aus

Als Reminiszenz an die alten Zeiten besitzt das Getriebe lediglich vier Gänge, die selbstredend von Hand geschaltet werden, und zum Leben erweckt wird der V2 natürlich ausschließlich per Kickstarter. Der Luftfilter sitzt ganz harleyuntypisch auf der linken Fahrzeugseite, ein offener Kettenantrieb ist schon lange ein Markenzeichen von Andreoli. Sehr augenfällig ist die Minimalisierung von Elektrik und Bremsen: An den eigens für dieses Motorrad entworfenen Zweispeichen-Rädern verzögert nur eine Ritzelbremse von Steve Schneiderbanger. Zwei Kolben müssen reichen.

Das Fahrwerk fällt sprichwörtlich völlig aus dem Rahmen

Neben der ganzen Handarbeit an Tank, Sitz und Fendern fällt natürlich das Fahrwerk sprichwörtlich völlig aus dem Rahmen: Dort, wo normalerweise die Unterzüge sitzen, hat der Erbauer ein Federbein-Pärchen platziert. Der Drehpunkt des gesamten Vorderbaus samt Lenkopf und vorderem Oberrohr liegt über dem hinteren Zylinder – d.h. das gesamte Rahmenvorderteil mit Tank und Lenkkopf und Lenker schwingt mit und wird gefedert.

An den Unterzügen sitzen die Federbeine, über dem hinteren Zylinder der Umlenkpunkt der Frontpartie

Viele mit Liebe gemachte Details ergeben ein cooles Oldschool-Bike, doch auf der Straße wird diese Maschine natürlich nie zu sehen sein. Jammerschade, denn die Meinungen übder den Sinn von reinen Showbikes gehen die Meinungen auseinander. Wie auch immer: Als Hingucker und Zugpferd taugt der kompakte Board Tracker natürlich bombig.